Glossar

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Auschwitz I – Stammlager

Luftaufnahme von Auschwitz I (Stammlager), 1944 (Ausschnitt)'© National Archives, Washington, DC
Luftaufnahme von Auschwitz I (Stammlager), 1944 (Ausschnitt)
© National Archives, Washington, DC
Gedenkstätte Auschwitz I (Stammlager), 2003'© Stefanie Plappert
Gedenkstätte Auschwitz I (Stammlager), 2003
© Stefanie Plappert

Das erste – später als Stammlager oder Auschwitz I bezeichnete – Konzentrationslager am Rande der polnischen Industriestadt Oświęcim (deutsch: Auschwitz) richtete die SS im Mai/Juni 1940 auf einem ehemaligen Kasernengelände des österreichischen Militärs aus dem 19. Jahrhundert ein, das zuletzt von der polnischen Armee genutzt worden war. In der Anfangszeit wurden in den eingeschossigen Steingebäuden vor allem polnische Geiseln, Widerstandskämpfer und Angehörige der polnischen Intelligenz gefangen gehalten, die aus Sicht der Besatzer im Interesse der Herrschaftssicherung ermordet werden sollten. Später wurden politisch und rassistisch Verfolgte aus ganz Europa sowie sogenannte „Asoziale“, „Sicherheitsverwahrte“, „Kriminelle“ und Zeugen Jehovas („Bibelforscher“) nach Auschwitz verschleppt.

 

Im Oktober 1941 wurden aus Gefangenenlagern der Wehrmacht über 10.000 sowjetische Kriegsgefangene nach Auschwitz verschleppt und in abgesperrten Blöcken von Auschwitz I (Block 1–3, 12–14, 22–24) bis März 1942 untergebracht. Die Angehörigen der Roten Armee setzte die SS beim Bau des Lagers Birkenau ein.

 

Ein „Frauenkonzentrationslager“ richtete die Lager-SS im März 1942 in den Blöcken 1–10 des Stammlagers ein, in dem sie vor allem Jüdinnen aus der Slowakei gefangen hielt.

 

Bis 1943 wuchs die Zahl der Häftlinge auf etwa 20.000 Personen an, die in den nahe gelegenen SS-eigenen Produktionsstätten, landwirtschaftlichen Betrieben und Versuchsanstalten Zwangsarbeit leisten mussten. 1944 umfasste Auschwitz I (Stammlager) insgesamt 28 zweigeschossige Ziegelsteinbaracken.

 

Die Lebensverhältnisse der Häftlinge waren in jeder Hinsicht unmenschlich, die Todesrate war sehr hoch. Die Menschen starben massenhaft an Typhus, Ruhr, Cholera, Misshandlungen und willkürlichen Tötungen. Im Block 10 von Auschwitz I (Stammlager) wurden Häftlinge Opfer medizinischer Menschenversuche von SS-Ärzten. Block 11 diente als Folter- und Strafblock. Zwischen beiden lag die berüchtigte „Schwarze Wand“, eine Hinrichtungsstätte, an der die SS tausende Häftlinge erschoss.

 

Anfang September 1941 führte die Lagerleitung im Stammlager erstmals Versuche durch, das Giftgas Zyklon B zur Massenvernichtung von Menschen einzusetzen. Die Opfer waren 600 sowjetische Kriegsgefangene und 250 kranke Häftlinge. Ein als „Leichenhalle“ bezeichneter Raum, der zum bereits im August 1940 erbauten Krematorium (Krematorium I) gehörte, wurde zur ersten provisorischen Gaskammer umgebaut. Die SS ermordete hier unter Verwendung von Zyklon B Tausende neu angekommener Juden sowie einige Gruppen sowjetischer Kriegsgefangener.

 

Am 18. Januar 1945 trieben die Wachmannschaften 10.000 überlebende männliche Häftlinge des Stammlagers sowie 6.000 weibliche Häftlinge, die in der seit Oktober 1944 existierenden sogenannten Schutzhaftlagererweiterung unweit des Stammlagers untergebracht waren, auf den Todesmarsch. Etwa 1.000 kranke und schwache Häftlinge wurden am 27. Januar 1945 von der Roten Armee in Auschwitz I befreit.

(FS)



Literatur

Czech, Danuta: Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau 1939–1945. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1989.

Długoborski, Wacław / Piper, Franciszek (Hg.): Auschwitz 1940–1945. Studien zur Geschichte des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz. 5 Bde. Oświęcim: Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau 1999.

Piper, Franciszek: Die Zahl der Opfer von Auschwitz. Aufgrund der Quellen und der Erträge der Forschung 1945 bis 1990. Oświęcim: Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau 1993.

Piper, Franciszek / Świebocka, Teresa (Hg.): Auschwitz. Nationalsozialistisches Vernichtungslagers. Red. der dt. Ausgabe Sybille Goldmann / Halina Jastzębska. Aus dem Polnischen von Jochen August / Jürgen Pagel. Oświęcim: Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau 1997.

Steinbacher, Sybille: ‚Musterstadt Auschwitz‘. Germanisierungspolitik und Judenmord in Oberschlesien. München: Saur 2000.

Steinbacher, Sybille: Auschwitz. Geschichte und Nachgeschichte. München: Beck 2004.