Glossar

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Auschwitz II – Birkenau

Luftaufnahme von Auschwitz II (Birkenau), 1944'© National Archives, Washington, DC
Luftaufnahme von Auschwitz II (Birkenau), 1944
© National Archives, Washington, DC
Luftaufnahme von Auschwitz II (Birkenau), 1944'© National Archives, Washington, DC
Luftaufnahme von Auschwitz II (Birkenau), 1944
© National Archives, Washington, DC
Die Verbrennungsöfen II und III, KZ Auschwitz-Birkenau'© National Archives, Washington, DC
Die Verbrennungsöfen II und III, KZ Auschwitz-Birkenau
© National Archives, Washington, DC
Gedenkstätte Auschwitz II (Birkenau), 2003'© Matthias Naumann
Gedenkstätte Auschwitz II (Birkenau), 2003
© Matthias Naumann

Nach seinem Besuch des Konzentrationslagers Auschwitz am 1. März 1941 befahl der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei, Heinrich Himmler, unter anderem den Ausbau des Lagers. Die polnische Bevölkerung der umliegenden Dörfer wurde vertrieben. Ab Oktober 1941 mussten mehr als 10.000 sowjetische Kriegsgefangene drei Kilometer vom Stammlager Auschwitz I entfernt ein „Kriegsgefangenenlager“ errichten. Das Lager entstand auf dem Terrain des Dorfes Brzezinka (Birkenau). Über 9.000 sowjetische Kriegsgefangene kamen bis Anfang März 1942 aufgrund von Hunger, Kälte und Seuchen beim Bau des Lagers ums Leben. Das zunächst als „Kriegsgefangenenlager“ geplante, später „Birkenau“ genannte Lager, das in einem Sperrbezirk von rund 40 km² lag, sollte zunächst eine Kapazität zur Unterbringung von 100.000, langfristig von 200.000 Häftlingen erreichen. Nach maßgeblichen Erweiterungen des Lagers waren 1943 im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau etwa 140.000 Häftlinge unter katastrophalen Bedingungen zusammengepfercht.

 

Das Lager Birkenau war zunächst unterteilt in das Männerlager (BIb) und das ab August 1942 errichtete Frauenlager (BIa). 1943 wurde Birkenau beträchtlich erweitert. Folgende Lager entstanden:

 

Das „Zigeunerlager“ (BIIe), in dem von Ende Februar 1943 bis zur Auflösung des Lagers Anfang August 1944 über 22.000 Menschen (Männer, Frauen und Kinder) zusammengepfercht waren. Tausende Sinti und Roma starben an Hunger und Krankheiten. Bei der „Liquidation“ des Lagers Anfang August 1944 wurden annähernd 3.000 Lagerinsassen vergast.

 

Das „Theresienstädter Familienlager“ (BIIb), in dem von Anfang September 1943 an Frauen, Männer und Kinder aus dem KZ/Ghetto Theresienstadt untergebracht waren. Nach sechs Monaten ermordete die SS auf Befehl des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) die Menschen, die im September 1943 nach Birkenau deportiert worden waren. Eine zweite „Liquidation“ des Familienlagers fand am 10./11. Juli 1944 statt. Die Lagerführung selektierte „arbeitsfähige“ Juden und brachte sie in „reichsdeutscheKonzentrationslager. Tausende Insassen des Familienlagers wurden in den Gaskammern ermordet.

 

Weitere Teillager von Birkenau waren das sogenannte „Quarantänelager“ (BIIa), in dem Neuankömmlinge („Zugänge“) vorübergehend untergebracht waren, das „Männerlager“ (BIId), das Häftlingskrankenbaulager (BIIf) sowie ab Sommer 1944 der „Mexiko“ genannte Lagerabschnitt (BIII), in dem Jüdinnen aus Ungarn unter schlimmsten Bedingungen leben mussten.

 

Nach der Auflösung der im besetzten Polen (Generalgouvernement) errichteten Vernichtungslager Bełzec (März 1943), Treblinka (August 1943) und Sobibór (Oktober 1943) wurde Auschwitz-Birkenau zum Zentrum der nationalsozialistischen Massenvernichtung. Ab Januar bzw. Juni 1942 dienten zunächst zwei umgebaute Bauernhütten (bezeichnet als Bunker 1 und 2) der Vergasung von Häftlingen mit Zyklon B. Zwischen März und Juni 1943 wurden vier große Krematorien mit Gaskammern und Auskleideräumen in Betrieb genommen. Die unterirdisch gelegenen Gaskammern der Krematorien II und III, 210 Quadratmeter groß, konnten ca. 2.000 Opfer aufnehmen. Die Krematorien IV und V hatten drei bzw. vier kleinere Gaskammern mit etwas geringerer „Aufnahmekapazität“. In den vier Birkenauer Krematorien ließ die Zentralbauleitung der Waffen-SS von Auschwitz von der Erfurter Firma Topf & Söhne Verbrennungsöfen zur Einäscherung der Leichen installieren. In den Krematorien II und III gab es fünf Verbrennungsöfen mit jeweils drei Brennkammern, in den Krematorien IV und V je einen Ofen mit jeweils acht Brennkammern.

 

Neben den direkt zur Vernichtung selektierten jüdischen Deportierten wurden auch nicht mehr arbeitsfähige Häftlinge aus den Lagern Auschwitz, Birkenau, Buna/Monowitz und den umliegenden Nebenlagern, die Lager-, Block- und Häftlingskrankenbauselektionen zum Opfer gefallen waren, „nach Birkenau überstellt“ und dort vergast.

 

Häftlinge des Sonderkommandos mussten den Toten, bevor diese in Verbrennungsgruben oder in den Krematorien verbrannt wurden, die Goldzähne herausbrechen. Den Frauenleichen wurden zudem die Haare abgeschnitten, die ein SS-eigener Betrieb, die Deutschen Ausrüstungswerke, zu Decken verarbeitete.

 

In Auschwitz bestand, allen Widrigkeiten zum Trotz, eine Widerstandsbewegung. Vom Lagerwiderstand teilweise unterstützt erhoben sich am 7. Oktober 1944 Häftlinge der Sonderkommandos in den Krematorien II und IV. Der spontane und unorganisierte Aufstand scheiterte. Die Zerstörung der Vernichtungseinrichtungen und die beabsichtigte Flucht gelang den Aufständischen nicht. Bei der Revolte starben drei Lagerwachen, zwölf SS-Leute wurden verletzt. Im Sonderkommando gab es mindestens 425 Tote.

 

Am 18. Januar 1945 trieb die SS die überlebenden 30.000 Häftlinge von Auschwitz I und Birkenau auf den Todesmarsch. Nur 7.000 zurückgebliebene Häftlinge der beiden Lager wurden am 27. Januar 1945 von der Roten Armee befreit.

(FS)



Literatur

Czech, Danuta: Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau 1939–1945. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1989.

Długoborski, Wacław / Piper, Franciszek (Hg.): Auschwitz 1940–1945. Studien zur Geschichte des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz. 5 Bde. Oświęcim: Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau 1999.

Piper, Franciszek: Die Zahl der Opfer von Auschwitz. Aufgrund der Quellen und der Erträge der Forschung 1945 bis 1990. Oświęcim: Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau 1993.

Piper, Franciszek / Świebocka, Teresa (Hg.): Auschwitz. Nationalsozialistisches Vernichtungslagers. Red. der dt. Ausgabe Sybille Goldmann / Halina Jastzębska. Aus dem Polnischen von Jochen August / Jürgen Pagel. Oświęcim: Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau 1997.

Steinbacher, Sybille: ‚Musterstadt Auschwitz‘. Germanisierungspolitik und Judenmord in Oberschlesien. München: Saur 2000.

Steinbacher, Sybille: Auschwitz. Geschichte und Nachgeschichte. München: Beck 2004.