Glossar

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Antisemitismus in der Entschädigungsdebatte Ende der 1990er Jahre

 a  „Edward Fagan ist einer der lautesten unter den amerikanischen Anwälten. Der Degussa beispielsweise hat er gedroht, dass sie ihr ganzes Vermögen verlieren könnte, wenn er mit seinen Klagen durchkäme.“

(Peter Bölke: „Viel Zeit bleibt nicht“. In: Der Spiegel, 9.8.1999, S. 34–46, http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument-druck.html?id=14143583&top=SPIEGEL (Zugriff am 28.8.2008).)

 

„Die amerikanischen Anwälte verstehen sich überdies auf das Geschäft mit der Publicity. Immer wieder wurden in den vergangenen Monaten in den USA Boykottdrohungen gegen deutsche Produkte laut. Große Firmen fürchteten um ihr Image.“

(Peter Bölke: „Viel Zeit bleibt nicht“. In: Der Spiegel, 9.8.1999, S. 34–46, http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument-druck.html?id=14143583&top=SPIEGEL (Zugriff am 28.8.2008).)

 

„Aber es geht nicht allein um die moralische Verpflichtung. Viele Manager haben offensichtlich nicht kapiert, dass die Entschädigungsaktion in ihrem ureigenen Interesse liegt. Scheitert sie, wird die Welt mit dem Finger auf Deutschland zeigen, es wird Boykottaufrufe hageln, und die Klagen gegen deutsche Unternehmen vor amerikanischen Gerichten werden sich häufen. Dieser Schaden käme letztlich teurer als der Beitrag zum Fonds.“

(Klaus-Peter Schmid: Bosse an den Pranger? In: Die Zeit, 11.5.2000, S. 21, http://www.zeit.de/2000/20/200020.kolumne.xml (Zugriff am 29.8.2008).)

 

„SZ: Im Falle eines Scheiterns würde man nicht den Anwälten die Schuld geben, sondern den Deutschen insgesamt, nicht nur der Industrie, sondern auch der Regierung und den Menschen hierzulande. Fürchten Sie nicht Schaden für unser Ansehen?“

(„Ein ziemlich fetter Spatz in der Hand.“ Interview mit Otto Graf Lambsdorff. In: Süddeutsche Zeitung, 10.12.1999, S. 11.)

 

 b  „Geschäft mit der Moral – Der Fonds für Zwangsarbeiter und das Honorar der Anwälte“

(Artikeltitel, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.7.1999, S. 43.)

 

„Den amerikanischen Anwaltskanzleien kommt eine wichtige Rolle zu, was die Polemik gegen ihre ‚Geldgier‘ erklärt.“

(Christian Semler: Entschädigung für NS-Zwangsarbeiter: Der steinige Weg zur Rechtssicherheit. In: taz, 31.7.1999, S. 7.)

 

„Selbst die Opferanwälte haben, wie die Honorarfrage zeigt, nicht nur an ihre Klienten, sondern sehr wohl auch an ihr Geschäft gedacht.“

(Jürgen Jeske: Der Preis der Vergangenheit. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.12.1999, S. 1.)

 

Die Süddeutsche Zeitung verbreitete, dass „unter einigen US-Anwälten regelrecht Goldgräberstimmung geherrscht habe. Es soll sogar Anwälte gegeben haben, die ihre deutschen Kollegen aufsuchten, um ihnen Mandanten abzukaufen. Dabei sollen 10 000 Mark pro Mandant geboten worden sein. Vermutlich haben diese juristischen Trittbrettfahrer auf die hohen Provisionen spekuliert, die in manchen amerikanischen Prozessen abfallen manchmal 30 bis 40 Prozent der Entschädigungssumme.“

(Anwälte mit zweifelhaftem Verdienst. In: Süddeutsche Zeitung, 16.12.1999, S. 2.)

 

„Der Verdacht, dass Fagan auch an sein Honorar denkt, wenn er von gequälten Menschen spricht, ist nahe liegend. US-Anwälte kassieren Erfolgshonorare, im Falle eines Vergleichs können das bis zu zehn Prozent der Vergleichssumme sein.“

(Peter Bölke: „Viel Zeit bleibt nicht“. In: Der Spiegel, 9.8.1999, S. 34–46, http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument-druck.html?id=14143583&top=SPIEGEL (Zugriff am 28.8.2008).)

 

 c  „Amerikanische Anwälte, die ihre Geschäftstüchtigkeit gut hinter der Fassade von Schuld und Sühne zu verstecken wissen, setzen deutsche Unternehmen mit überzogenen Forderungen unter Druck. Jüdische Organisationen streiten vor allem für die Opfer des Holocaust. Opferverbände und Regierungen im Osten Europas fordern Gerechtigkeit und meinen Mark.“

(Peter Bölke: „Viel Zeit bleibt nicht“. In: Der Spiegel, 9.8.1999, S. 34–46, http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument-druck.html?id=14143583&top=SPIEGEL (Zugriff am 28.8.2008).)

 

 d  „Lambsdorff: Es erfüllt mich mit Grausen und Elend, dass immer mehr nur noch über Geld geredet wird und offensichtlich die Interessen der Opfer in den Hintergrund geraten, und immer mehr vergessen wird, dass die meisten dieser Opfer weit über 70 Jahre alt sind. Es geht doch darum, dass wir uns um diese Menschen bemühen. Da muss man zu einem Ergebnis kommen können und darf nicht mit überspannten und überzogenen Erwartungen ein solches Ergebnis unmöglich machen.“

(„Ein ziemlich fetter Spatz in der Hand.“ Interview mit Otto Graf Lambsdorff. In: Süddeutsche Zeitung, 10.12.1999, S. 11.)

 

„[Die] Vorstellung ist bedrückend: Etliche tausend Mark für Jahre der Zwangsarbeit. Aber hat es je gerechten Ausgleich für Unrecht geben können, für Häftlinge, Gefangene, Verschleppte, Heimatvertriebene, Bombengeschädigte? Wiedergutmachung für Nazi-Verbrechen kann es ohnehin nicht geben.“

(Das Angebot. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9.10.1999, S. 1.)

 

 e  „Edward Fagan (46) ist einer jener zähen Burschen, wie man sie aus Anwaltsfilmen kennt: Er ist ein Freund schlanken Satzbaus und schneller Antworten und jederzeit bereit, ein Hörnchen mit bloßen Händen zu zerquetschen. Hinter dem jüdischen Anwalt aus New York liegen ein paar nette Tage und vor ihm vermutlich auch. [...] Ja, Ed Fagan rettet die Welt. Und die Welt rettet ihn. Denn an jedem Vergleich verdient er kräftig mit. Immer auf der Suche nach klagewilligen Nazi-Opfern, irrlichtert der Advokat durch die Weltgeschichte und grast Sammelklagen ab, [...] Witti ist, was man Fagans deutschen Naziopferentschädigungssubunternehmer nennen kann. [...] Die Kundschaft rühmt seinen Kampfgeist. [...] Es ist wie ein Rausch. Fagan kann nicht aufhören. Er kann die Honorare nicht vergessen. Selbst wenn er wollte: 5 bis 10 Prozent der Vergleichssumme sind für ihn jeweils drin. Auch Witti und Carey D’Avino können die Honorare nicht vergessen. Keiner kann das. Aber sind sie deshalb geldgierig? Carey D’Avino verfügt über die Statur und die sparsame Ausdruckskraft eines Rausschmeißers. [...] interpretiert er seine Rolle als Klägeranwalt mit einigem theatralischen Aufwand. Mal geht er mit einer Holocaust-Überlebenden vor der Deutschen Bank in Stellung; oder er singt, Kippa auf dem Kopf, wie in Zürich am Holocaust-Gedenktag, einen Psalm Davids; […] ‚Mafia‘, ‚Erpressung‘, ‚Gangster‘ rufen, schimpfen, flüstern Wirtschaftsführer, [...] wenn sie inkognito bleiben. [...] Das Vorgehen des Rechts-Rambos erinnere an ‚den Morgenthau-Plan‘. Der Advocatus Diaboli wolle deutsche Unternehmen zurück in die Agrarwirtschaft klagen. [...] Gefürchtet zu werden, das gefällt dem Mann. Er sieht sich als Vertreter jener Kraft, die Moral und Millionen in einem Aufwasch schafft. [...] Sinn für bizarre Aktionen [...] Absolvent der harten Schule der ‚ambulance chasers‘, [...] die Polizeifunk hören, sich auf Intensivstationen herumtreiben oder Flugzeugabstürzen hinterherjetten. Mit [...] großen Versprechungen im Gepäck. [...] Weiss [...] kann sich eine Ironie leisten, die auf Zehenspitzen geht. [...] Es geht um Milliarden. Kein Wunder, daß sich die Kläger untereinander selten gewogen sind. Der um Einfluß und Prestige fürchtende World Jewish Congress etwa strebt eine Einigung mit der Wirtschaft ohne die Anwälte an. [...] Und jetzt muß er los. Nach Tel Aviv. D’Avino schweigt. Aber D’Avino lächelt.“

(US Justiz: Moral und Millionen. In: Manager Magazin 7/1999, http://www.manager-magazin.de/magazin/artikel/0,2828,28092,00.html (Zugriff am 28.8.2008).)

 

 f  „Was Kanzler Schröder viel mehr aufregt: Während Lambsdorff für die Bundesregierung zäh verhandelt, verweigern die meisten deutschen Unternehmen die Beteiligung am Fonds ohne Rücksicht auf den Rufschaden, den die Exportnation Deutschland nimmt.“

(Christoph Mestmacher / Alexander Neubacher: In Gottes Hand. In: Der Spiegel, 22.11.1999, S. 34–35, http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=15118771&top=SPIEGEL (Zugriff am 29.8.2008).)

„Ein einziges Mal verliert Melvyn Weiss die Fassung. ‚Erzeugt es Antisemitismus, wenn Opfer für ihre Rechte kämpfen? Sei’s drum, dann sehe ich ihn lieber offen als versteckt.‘ Weiss ist Anwalt. Jüdischer Anwalt jüdischer Opfer. Und schon ist man mitten im Problem.“[1]

 

Ende der 1990er Jahre berichtete die deutschsprachige Presse über die Entschädigungsverhandlungen zwischen ehemaligen NS-Zwangsarbeiter/innen und ihren Anwälten auf der einen Seite sowie der deutschen Wirtschaft und der Bundesregierung auf der anderen Seite, die schließlich zur Einrichtung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ führten. Ungeachtet dessen, dass nur ein Bruchteil der ehemaligen NS-Zwangsarbeiter/innen jüdischer Herkunft war, wurden die Klagenden in der deutschen Öffentlichkeit weitgehend als jüdische Überlebende bzw. ihre (ebenfalls jüdischen) Anwälte rezipiert. Diese Wahrnehmung prägte die publizistischen Reaktionen auf die Forderungen der ehemaligen NS-Zwangsarbeiter/innen. Die ‚Entschädigungsdebatte‘ war in vielen Teilen antisemitisch strukturiert.[2] Dazu trug nicht zuletzt das Verhalten der Verhandlungsführer der deutschen Wirtschaft sowie der Bundesregierung bei.[3] Das Ansinnen der ehemaligen NS-Zwangsarbeiter/innen, vor Gericht zu gehen – etwas, das nur in Amerika, nicht aber in Deutschland so möglich sei, wie immer wieder betont wurde[4] – und so nicht nur auf einer Entschädigung für die an ihnen begangenen Verbrechen zu bestehen, sondern implizit auch eine Anerkennung als Gleiche innerhalb eines rechtsstaatlichen Systems einzufordern, rief in Deutschland in breiten Kreisen Ablehnung und Empörung hervor. In dieser Empörung traten antisemitische Ressentiments teils versteckt, teils ganz offen hervor.

 

Die Geschichte der Entschädigung war von dem Bemühen der deutschen Wirtschaft geprägt gewesen, den Opfern den Status eines Subjekts mit (Menschen- und Bürger)Rechten so weit wie möglich vorzuenthalten, denn das Eingeständnis der Verletzung von Rechtenhätte bedeutet, eine Pflicht zur Entschädigung einzugestehen. Indem man die Entschädigungen als freiwillige Zahlungen bezeichnete, sprach man den Zwangsarbeitern diesen Rechtsstatus ab.[5] Sich in der Rolle dessen, der aus Wohltätigkeit, aus ‚humanitären Gründen‘ gibt, wähnend, forderte man auf der anderen Seite von und vor den Überlebenden Rechtssicherheit – und das bedeutete – zumindest in Bezug auf das Recht in den USA – Sicherheit vordem Recht, nicht durchdas Recht.  In der Entschädigungsdebatte ging man teilweise so weit, die massive Einforderung von Recht durch die ehemaligen Zwangsarbeiter/innen in den 1990er Jahren als Anmaßung zu deuten. Die Tatsache, dass diese die Möglichkeit nutzten, durch Sammelklagen in den USA auf die an ihren Exporten interessierten deutschen Firmen einzuwirken, wurde als Ausdruck ihrer Unversöhnlichkeit interpretiert, als Indiz von ‚instrumentellem Denken‘ und ‚Rachsucht‘ zugleich.So entstand in maßgeblichen Teilen der öffentlichen Debatte ein Bild der ehemaligen NS-Zwangsarbeiter/innen, das sich vollkommen von dem, was ihnen angetan worden war, entkoppelte und schließlich die bekannten und zugleich in sich widersprüchlichen Vorstellungen des ‚rachsüchtigen‘ und zugleich ‚rein instrumentellen‘ Juden evozierte.

 

Vor allem die „jüdisch-amerikanischen Anwälte“, die in den deutschen Pressedarstellungen eine herausragende Rolle spielten, konnten vor dem Hintergrund solcher Vorzeichnungen kaum mehr als das wahrgenommen werden, was sie waren: nämlich Rechtsvertreter von Klägern mit berechtigten Anliegen. So erschien deren vermeintliche ‚Geldgier‘ in vielen Artikeln, die sich mit der Entschädigungsdebatte befassten, als eine Art mythisches Bild. Wie die Rachsucht, die man den Überlebenden unterstellte, wurde sie zu einer merkwürdig ‚natürlichen‘, scheinbar angeborenen Eigenschaft; etwas fundamental anderes als das „Gewinnstreben“ beispielsweise der deutschen Wirtschaft. Sowohl ‚Rachsucht‘ als auch ‚Geldgier‘ erschienen als alltägliche Elemente eines antisemitischen Mythos, der vom ‚Wesen‘, der ‚Natur‘ seines Objekts – der ‚Juden‘, hier in Gestalt der Überlebenden und ihrer Anwälte auftretend –, nicht von geschichtlichen Vorgängen spricht. Dabei stellt der Mythos seine Motive nicht eindeutig zur Schau, verbirgt sie aber auch nicht, sondern deformiert, wovon er zu berichten vorgibt, schillert und oszilliert zwischen Latenz und Manifestation und appelliert damit an die assoziative und intuitive Akzeptanz der angebotenen Feststellungen durch dafür aufnahmebereite Leser/innen, an die Aktivierung eines im sozialen Gedächtnis abgelagerten ‚antisemitischen Wissens‘.

 

Die Forderung von Jüdinnen und Juden nach Anerkennung und Behandlung als rechtlich Gleichgestellte innerhalb der westlichen, mehrheitlich christlichen Gesellschaften hatte schon im 19. Jh. antisemitische Ressentiments verstärkt und in neuen Formen zutage treten lassen. Dabei wurden sowohl das Motiv der ‚Rachsucht‘ als auch das der ‚Geldgier‘ aus dem Kanon des christlichen Antijudaismus in der Mythologie des modernen Antisemitismus aktualisiert. Beide Motive geisterten auch durch die Entschädigungsdebatte der 1990er Jahre. Anstatt nach legitimen Rechtsansprüchen der ehemaligen NS-Zwangsarbeiter/innen zu fragen und sich so mit dem Ausmaß der deutschen Verbrechen auseinanderzusetzen, wurden deren Forderungen als Vernichtungsdrohung für die deutsche Wirtschaft und damit für ganz Deutschland imaginiert.  a  Der Mythos der ‚Rachsucht‘ machte es möglich, jede Einigung von vornherein zum Scheitern zu verurteilen und zugleich die Schuld des möglichen Scheiterns den ehemaligen Zwangsarbeiter/innen zuzuweisen. Ohne dass man sich ernsthaft fragte, welche Forderungen denn in einem solchen Fall ‚verhältnismäßig‘ wären, stellte man die Forderungen der ehemaligen Zwangsarbeiter/innen immer wieder als ‚unverhältnismäßig‘ dar, als in dieser Form jeglicher Grundlage entbehrende und von außen an die deutsche Wirtschaft herangetragene Forderung,[6] vertreten von unglaublich mächtigen und entsprechend bedrohlichen „Haifische[n] im Anwaltsgewand“[7]. Als jedes Maß überschreitend erschienen nicht mehr die NS-Verbrechen, sondern die Entschädigungsforderungen der überlebenden Opfer dieser Verbrechen. So konnte in der deutschen Öffentlichkeit nicht nur mit einem Scheitern der Verhandlungen gedroht werden,[8] sondern zugleich war es möglich, eine Umkehrung des historischen Täter-Opfer-Verhältnisses vorzunehmen und die deutsche Wirtschaft als Opfer der NS-Überlebenden bzw. ihrer Anwälte zu imaginieren. „In den KZs“, schrieb beispielsweise der Historiker Götz Aly in der Berliner Zeitung, „ließ die SS die Wassersuppe einfach zwischen die Häftlinge stellen und provozierte so regelmäßige Balgereien, die mit dem Sieg der Stärksten enden mussten. Eben dieses System zwingen nun die Vertreter der Opfer den Vertretern der Bundesregierung auf.“[9] Aly führt in seinem Artikel aus, die Vertreter der Bundesregierung hätten eine gerechte Entschädigung jedes einzelnen Überlebenden gewollt, während die großen Opfervertreter, vor allem die „jüdischen Organisationen des Westens“[10], ein Ringen um die Beute veranstalten würden, bei dem am Ende die osteuropäischen Zwangsarbeiter/innen eben diesen Organisationen (erneut) zum Opfer fallen würden. Unklar blieb dabei, wie die Vertreter der ehemaligen NS-Zwangsarbeiter/innen die deutsche Verhandlungsseite überhaupt zwingen konnten, ein so ungenügendes Angebot zu unterbreiten, dass nicht alle ausreichend würden entschädigt werden können. Nach Aly fiel der gute Wille der deutschen Seite den unmoralisch agierenden ‚jüdischen Organisationen des Westens‘, die er mit der SS assoziierte, zum Opfer. So wurde durch die einfache Dichotomisierung von ‚Opfern‘ und ‚Tätern‘ – zu verstehen als ‚gut‘ und ‚böse‘ – eine ‚Moral nach Auschwitz‘ kreiert, in der die deutsche Seite unter Absehung von historischen Verhältnissen, realen Taten und Tätern, gelernt hat, zu beurteilen, wer sich moralisch nicht integer verhält, wie z.B. ‚geldgierige jüdische Organisationen‘.

 

Hauptzielscheibe der antisemitischen Ressentiments, die in deutschen Zeitungen geäußert wurden, waren jedoch die Anwälte – vor allem die amerikanischen jüdischer Herkunft unter ihnen –, die die Sammelklagen eingereicht und neben großen jüdischen Organisationen wie der Claims Conference die ehemaligen NS-Zwangsarbeiter/innen in den Verhandlungen vertraten. Diese vor allem wurden der ‚Geldgier‘ bezichtigt, immer wieder wurden in deutschen Zeitungen die wildesten Gerüchte über ihre Honorare lanciert.  b  So sollte der Eindruck erweckt werden, die Anwälte würden nicht die Interessen der NS-Opfer vertreten, sondern deren Geschichte für die Befriedigung ihrer eigenen ‚Geldgier‘ instrumentalisieren.[11] Dies impliziert natürlich eine Instrumentalisierung des Holocaust zu unmoralischen Zwecken, was sowohl den Anwälten – „die Kraft, welche Moral und Millionen in einem Aufwasch schafft“[12] – als auch den ehemaligen NS-Zwangsarbeiter/innen – „Die Kläger missbrauchen den Holocaust zu einem Gerichtsspiel ums große Geld. Die Klage ist ein unschätzbares Geschenk für die Antisemiten in Polen.“[13] – mal offen, mal versteckt vorgeworfen wurde. Auch das Motiv der ‚Geldgier‘ diente also der Umkehr des historischen Täter-Opfer-Verhältnisses: Zeigten die Opfer, indem sie den Holocaust aus ‚Rachsucht‘ und ‚Geldgier‘ heraus instrumentalisierten, dass sie aus dem Holocaust nichts gelernt hatten  c , erschien die deutsche Seite als materiell uninteressiert und ausschließlich moralisch motiviert:[14] Noch der Hinweis, der Holocaust sei ein so unvergleichliches Verbrechen, dass Wiedergutmachung hier nicht greifen könne, diente so dazu, die Würde der deutschen Seite im Umgang mit dem Verbrechen im Unterschied zur vermeintlichen Unwürde und moralischen Minderwertigkeit von dessen Opfern herauszustellen.[15]   d  Diese eigenartige Umkehr von Opfer und Täter, verbunden mit der Erwartung, die Opfer müssten aus moralischer Einsicht hier noch zustimmen, ist ein antisemitischer Topos – ebenso wie die Vorstellung, die Opfer selbst förderten den Antisemitismus, indem sie sich seinen Urteilen nicht beugen.

 

Die Abneigung der deutschen Presse gegenüber den Opfervertretern trat am deutlichsten in den Portraits zutage, welche einzelnen Opfer-Anwälten in diversen Zeitungen und Zeitschriften gewidmet wurden.  e  Diese Portraits sind in sich inkohärent, wie alle ressentimentgeleiteten Äußerungen in der Entschädigungsdebatte, sie folgen nicht einer logischen Argumentation, sondern dem assoziativen Aufrufen von Eindrücken, dessen Logik einzig durch Antipathie bestimmt ist; der Schein der Kohärenz entsteht dadurch, dass sie einen unbewussten antisemitischen Bilderschatz aufrufen: Die Anwälte sind dauernd unterwegs, windig, benutzen Holocaust und jüdische Religion und Rituale instrumentell, um ‚uns‘ ein schlechtes Gewissen zu machen, sind natürlich geldgierig, weltläufig und bindungslos, und auf Grund ihrer großen Macht in den USA, die immer wieder Thema der Presse war[16] – das alte antisemitische Bild von der „jüdischen Weltverschwörung“ mit Zentrale in den USA scheint hier auf, ohne dass die Artikel es aussprechen müssen –, eine ernstzunehmende Bedrohung der deutschen Wirtschaft und damit ‚unseres‘ Überlebens. Wie in vielen nationalistischen Diskursen wurde auch in der Entschädigungsdebatte das Imaginieren einer mythischen Übermacht des ‚Feindes‘ dazu benutzt, den eigenen nationalen Zusammenhalt heraufzubeschwören. Firmen, die auch nach der Einigung noch säumig waren, in die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft einzuzahlen, wurden am 20. Mai 2000 in einer Anzeige der Stiftungsinitiative aufgefordert, ihren Beitrag zum ‚Ansehen Deutschlands in der Welt‘ zu leisten und so das Bild der moralischen Anständigkeit Deutschlands nicht zu verraten.  f 

 

Der Holocaust hat – und verstärkt durch die Gründung des Stiftungsfonds „Erinnerung und Zukunft“ für pädagogische Projekte als langwirkende Folge der Auseinandersetzung – Eingang in die nationale Selbstkonstitution Deutschlands gefunden. In den Täter-Opfer-Verdrehungen der Entschädigungsdebatte diente er jedoch der Stärkung eines deutschen ‚Wir‘ gegenüber den ‚jüdischen Angreifern‘, obwohl aus dem NS gerade zu lernen gewesen wäre, dass das ‚Wir‘ die größte Gefahr ist. Max Horkheimer hatte schon in den fünfziger Jahren die Funktion deutscher Schuldbekenntnisse beschrieben: „Immer wieder zu formulieren: das Schuldbekenntnis der Deutschen nach der Niederlage des Nationalsozialismus 1945 war ein famoses Verfahren, das völkische Gemeinschaftsempfinden in die Nachkriegsperiode hinüberzuretten. Das Wir zu bewahren war die Hauptsache [...] Das Wir ist die Brücke, das Schlechte, das den Nazismus möglich machte.“[17]

(MN)



Presse (Auswahl):

Aly, Götz: Das Prinzip Wassersuppe. In: Berliner Zeitung, 3.2.2000, http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2000/0203/none/0020/index.html (Zugriff am 29.8.2008).

Das Angebot. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9.10.1999, S. 1.

Angst vor der Sammelklage. In: Süddeutsche Zeitung, 16.12.1999, S. 2.

Anwälte mit zweifelhaftem Verdienst. In: Süddeutsche Zeitung, 16.12.1999, S. 2.

Augstein, Rudolf: „Wir sind alle verletzbar“. In: Der Spiegel, 30.11.1998, http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument-druck.html?id=7085973&top=SPIEGEL (Zugriff am 29.8.2008).

Bölke, Peter: „Viel Zeit bleibt nicht“. In: Der Spiegel, 9.8.1999, S. 34–46, http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument-druck.html?id=14143583&top=SPIEGEL (Zugriff am 28.8.2008).

„Deutschlandbild in den USA steht auf dem Spiel“. In: Süddeutsche Zeitung, 20.11.1999, S. 6.

Die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft. In: Der Spiegel, 15.12.1999, http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,56628,00.html (Zugriff am 29.8.2008).

„Ein ziemlich fetter Spatz in der Hand.“ Interview mit Otto Graf Lambsdorff. In: Süddeutsche Zeitung, 10.12.1999, S. 11.

Geschäft mit der Moral – Der Fonds für Zwangsarbeiter und das Honorar der Anwälte. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.7.1999, S. 43.

http://www.hagalil.com/archiv/99/08/lambsdorf.htm (Zugriff am 6.12.2008).

Im Streit um die Entschädigung sehen die Unterhändler jetzt eine „Grundlage“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.11.1999, S. 1–2.

Interview mit Stephan Stracke. In: Jungle World 41/1999.

Jeske, Jürgen: Der Preis der Vergangenheit. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.12.1999, S. 1.

Kleine-Brockhoff, Thomas: 8 Milliarden und mehr. In: Die Zeit, 10.11.1999, http://www.zeit.de/1999/46/199946.zwangsarbeiter_.xml (Zugriff am 28.8.2008).

Mestmacher, Christoph / Neubacher, Alexander: In Gottes Hand. In: Der Spiegel, 22.11.1999, S. 34–35, http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=15118771&top=SPIEGEL (Zugriff am 29.8.2008).

Pinzler, Petra: Nur ein Spiel um Geld? In: Die Zeit, 10.11.1999, S. 10, http://www.zeit.de/1999/46/199946.usa.entschaedigu.xml (Zugriff am 29.8.2008).

Polen sitzt in den USA auf der Anklagebank. In: taz, 12.8.1999, S. 8.

Schmid, Klaus-Peter: Bosse an den Pranger? In: Die Zeit, 11.5.2000, S. 21, http://www.zeit.de/2000/20/200020.kolumne.xml (Zugriff am 29.8.2008).

Schmid, Klaus-Peter: Vorsichtig optimistisch. Interview mit Otto Graf Lambsdorff. In: Die Zeit, 30.9.1999, http://www.zeit.de/1999/40/Vorsichtig_optimistisch (Zugriff am 28.8.2008).

Semler, Christian: Entschädigung für NS-Zwangsarbeiter: Der steinige Weg zur Rechtssicherheit. In: taz, 31.7.1999, S. 7.

Späte Großmut. Der Entschädigungsfonds für Zwangsarbeiter in Zeitnot. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.7.1999, S. 41.

Die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft. In: Der Spiegel, 15.12.1999, http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,56628,00.html (Zugriff am 29.8.2008).

US Justiz: Moral und Millionen. In: Manager Magazin 7/1999, http://www.manager-magazin.de/magazin/artikel/0,2828,28092,00.html (Zugriff am 28.8.2008).

„Wir brauchen eine neue Sprache der Erinnerung.“ In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.12.1998.

 

Literatur:

Barthes, Roland: Mythen des Alltags. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1964.

gruppe 3 frankfurt a.m.: Ressentiment und Rancune: Antisemitische Stereotype in der Entschädigungsdebatte. In: Ulrike Winkler (Hg.): Stiften gehen. NS-Zwangsarbeit und Entschädigungsdebatte. Köln: PapyRossa 2000, S. 251–271.

Horkheimer, Max: Notizen 1950 bis 1969 und Dämmerung. Notizen in Deutschland. Frankfurt am Main: Fischer 1974.

[1] Petra Pinzler: Nur ein Spiel um Geld? In: Die Zeit, 10.11.1999, S. 10, http://www.zeit.de/1999/46/199946.usa.entschaedigu.xml (Zugriff am 29.8.2008).

[2] Für eine ausführlichere Untersuchung des antisemitischen Diskurses, der die Entschädigungsdebatte Ende der 1990er Jahre prägte und auch im gesellschaftlichen Umfeld begleitete, sowie weitere Pressebelege siehe: gruppe 3 frankfurt a.m.: Ressentiment und Rancune: Antisemitische Stereotype in der Entschädigungsdebatte. In: Ulrike Winkler (Hg.): Stiften gehen. NS-Zwangsarbeit und Entschädigungsdebatte. Köln: PapyRossa 2000, S. 251–271.

[3] „SZ: Muss die deutsche Industrie nicht Boykottmaßnahmen in den USA fürchten, wenn die Verhandlungen scheitern? Lambsdorff [Verhandlungsführer der Bundesregierung]: Das habe ich doch von vornherein gesagt. Das wird sehr unangenehme Folgen haben. Allerdings haben mir auch Vertreter jüdischer Organisationen – so, dass man sie nicht zitieren darf – gesagt, das wird sehr hässlich, aber das geht in absehbarer Zeit auch vorbei.“ („Ein ziemlich fetter Spatz in der Hand.“ Interview mit Otto Graf Lambsdorff. In: Süddeutsche Zeitung, 10.12.1999, S. 11.) Bzw. für die Vertreter der deutschen Wirtschaft: „Die klagenden Anwälte sehen sich moralisch im Recht und appellieren an Emotionen, sie nutzen die Schrecken des Dritten Reiches und das Leid seiner Opfer für ihre Zwecke. ‚Als Beklagter hat man da schlechte Karten‘, sagt Manfred Gentz, Finanzvorstand des DaimlerChrysler-Konzerns [und Verhandlungsführer der deutschen Wirtschaft]. […] Wie kann den deutschen Managern die Sorge genommen werden, dass sie nach einer Einigung, die teuer genug wird, nicht doch noch wegen der alten Geschichten verklagt werden. ‚Ohne Rechtssicherheit wird nicht gezahlt werden.‘ Der Satz stammt von Gentz, und er wird wahrscheinlich wünschen, ihn nie gesagt zu haben.“ (Peter Bölke: „Viel Zeit bleibt nicht“. In: Der Spiegel, 9.8.1999, S. 34–46, http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument-druck.html?id=14143583&top=SPIEGEL (Zugriff am 28.8.2008).) Zur Stimmung in der Debatte trug auch das Streben der deutschen Verhandlungsführer nach einer Definitionshoheit über die Opfer und das ihnen Angetane bei, auf den Punkt gebracht von Otto Graf Lambsdorff (FDP): „Es kommt immer drauf an, wen sie als Opfer bezeichnen wollen.“ (Klaus-Peter Schmid: Vorsichtig optimistisch. Interview mit Otto Graf Lambsdorff. In: Die Zeit, 30.9.1999, http://www.zeit.de/1999/40/Vorsichtig_optimistisch (Zugriff am 28.8.2008).), und:„Das schönste Vermeidungsargument präsentierte schließlich Graf Lambsdorff, des Kanzlers Unterhändler, als er erklärte, die ‚Beschäftigung von Arbeitern aus dem Osten‘ sei in der deutschen Landwirtschaft eine ‚natürliche historische Erscheinung‘ gewesen.“ (Thomas Kleine-Brockhoff: 8 Milliarden und mehr. In: Die Zeit, 10.11.1999, http://www.zeit.de/1999/46/199946.zwangsarbeiter_.xml (Zugriff am 28.8.2008).) Bereits die Ernennung Lambsdorffs zum Verhandlungsführer der Bundesregierung hatte Kritik hervorgerufen, da diesem vorgeworfen wurde, in den 1950er Jahren in der NRW-FDP bei Versuchen mitgearbeitet zu haben, Amnestien für NS-Kriegsverbrecher zu erwirken (vgl. http://www.hagalil.com/archiv/99/08/lambsdorf.htm (Zugriff am 6.12.2008)). „Noch 1992 trat, wie die taz berichtete, Graf Lambsdorff beim Kyffhäuserbund auf und stellte dort öffentlich fest, dass die deutschen Werte und Tugenden wieder gepflegt würden, ‚trotz der Versuche der Nürnberger Richter, das nationale Denken zu vernichten‘. Es gibt da eine Kontinuität, die den Mann nicht sehr vertrauenswürdig macht.“ (Interview mit Stephan Stracke. In: Jungle World 41/1999.)

[4] „Das Angebot ist also durchaus eine angemessene Grundlage für eine Einigung. Es ist jedoch kein Grund für das Protestgeschrei der mit hohen Erfolgshonoraren arbeitenden amerikanischen Anwälte und für die Diffamierungskampagnen in Amerika gegen deutsche Unternehmen. Beides zeigt nur noch einmal die Problematik, dass eine internationale Frage nach amerikanischen Rechtsvorstellungen bestimmt wird. Es gibt hierzulande weder die zum Teil absurd anmutenden Entschädigungsregelungen noch das Instrument der Sammelklage als Brechstange.“ (Das Angebot. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9.10.1999, S. 1.) „Inzwischen kollidieren auch zwei unterschiedliche Rechtskulturen, die amerikanische und die deutsche. Seit jeher sind amerikanische Anwälte aggressiver und innovativer als ihre deutschen Kollegen, ihr Rechtssystem läßt ihnen vielmehr Spielraum. In der Logik des politischen Systems der Vereinigten Staaten ist das durchaus sinnvoll […] Inzwischen jedoch wächst nicht mehr nur das Themenspektrum, sondern auch der juristische Aktionsradius der Amerikaner: Immer häufiger erklären sich US-Gerichte auch dann für zuständig, wenn im Ausland etwas schiefgegangen ist.“ (Pinzler: Nur ein Spiel um Geld?) „Es sind vielmehr die class action-suits, die so genannten Sammelklagen, die ungeachtet völkerrechtlicher Vereinbarungen in den USA zulässig sind und vor denen die deutsche Industrie sich zu Recht fürchtet.“ (Anwälte mit zweifelhaftem Verdienst. In: Süddeutsche Zeitung, 16.12.1999, S. 2.) Auf die Nähe zwischen Antisemitismus und Antiamerikanismus im gegenwärtigen nationalen deutschen Ressentiments-Haushalt kann hier nur hingewiesen werden und darauf, dass diese Nähe auch zahlreiche deutsche Debattenbeiträge zum Mittleren Osten strukturiert.

[5] „Die Stiftung [der deutschen Wirtschaft] mit Sitz in Bonn geht davon aus, dass es auf Grund von Zwangsarbeit keine Rechtsansprüche gegen deutsche Unternehmen gibt. Die Unternehmen sehen sich in einer ‚moralischen Verantwortung‘ zu ‚humanitären‘ Leistungen.“ (Die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft. In: Der Spiegel, 15.12.1999, http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,56628,00.html (Zugriff am 29.8.2008)).

[6] Entsprechend hatte auch Martin Walser im Gespräch mit Ignatz Bubis nach Walsers antisemitischer Paulskirchenrede die Entschädigungsforderungen der Zwangsarbeiter/innen als „irgendein ausländisches Problem“ bezeichnet. („Wir brauchen eine neue Sprache der Erinnerung.“ In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.12.1998.)

[7] Rudolf Augstein: „Wir sind alle verletzbar“. In: Der Spiegel, 30.11.1998, http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument-druck.html?id=7085973&top=SPIEGEL (Zugriff am 29.8.2008).

[8] „Weiterer Druck von Seiten der Opferanwälte würde einen Rückzug der Wirtschaft zur Folge haben.“ (Im Streit um die Entschädigung sehen die Unterhändler jetzt eine „Grundlage“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.11.1999, S. 1–2, hier S. 1.)

[9] Götz Aly: Das Prinzip Wassersuppe. In: Berliner Zeitung, 3.2.2000, http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2000/0203/none/0020/index.html (Zugriff am 29.8.2008).

[10] Aly: Prinzip Wassersuppe.

[11] „Weiss und seine Kollegen gelten auch immer häufiger als Schurken: Geldgierige jüdische Anwälte – so offen würde das in Deutschland natürlich niemand sagen, und doch, hinter vorgehaltener Hand, da klingt so manches aus manchem Munde.“ (Pinzler: Nur ein Spiel um Geld?) „Der Verdacht, dass Fagan auch an sein Honorar denkt, wenn er von gequälten Menschen spricht, ist nahe liegend. US-Anwälte kassieren Erfolgshonorare, im Falle eines Vergleichs können das bis zu zehn Prozent der Vergleichssumme sein.“ (Bölke: „Viel Zeit bleibt nicht“.)

[12] US Justiz: Moral und Millionen. In: Manager Magazin 7/1999, S. 144, http://www.manager-magazin.de/magazin/artikel/0,2828,28092,00.html (Zugriff am 28.8.2008).

[13]Polen sitzt in den USA auf der Anklagebank. In: taz, 12.8.1999, S. 8.

[14] „Nicht nur die deutsche Industrie ist moralisch in der Pflicht, sondern auch die Vertreter der Opfer. Denn wenn sie über dem Beharren auf Maximalforderungen die Stiftung zum Platzen brächten, dann hätten ihre eigenen Klienten das Nachsehen.“ (Späte Großmut. Der Entschädigungsfonds für Zwangsarbeiter in Zeitnot. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.7.1999, S. 41.)

[15] „Die massive Kampagne der Anwälte gegen die deutsche Wirtschaft, die ein ernstes Anliegen – die Entschädigung der Nazi-Opfer – oft in ein absurdes Spektakel verwandelt, hat Wirkung gezeigt.“ (Bölke: „Viel Zeit bleibt nicht“.)

[16] „‚Ein Verschieben in das nächste Jahr‘ werde sicherlich ‚zu höheren Forderungen durch die Opfer-Anwälte führen‘. Ein ‚Spielen auf Zeit kostet viel Geld‘. Im Jahr 2000 fänden in den USA Präsidentschaftswahlen statt. Die Klägeranwälte seien ‚wichtige Wahlkampfhelfer‘ der Demokratischen Partei. ‚Politische Unterstützung im Wahljahr‘ für die deutsche Seite sei nicht zu erwarten. ‚Es wird niemand für uns einstehen.‘ Bei einem Scheitern der Verhandlungen sei mit einer ‚verschärften Anzeigenkampagne‘ zu rechnen, schreibt Chrobog [Deutscher Botschafter in Washington]. [...] Im Gegenteil: Im Wahlkampf werde man sich etwa in New York, Florida oder Kalifornien ‚durch Kritik an deutschen Firmen profilieren‘ können. Selbst Boykott-Aufrufe gegen deutsche Produkte ‚werden durch die US-Regierung nicht mehr unter Kontrolle zu bringen sein‘. Die ‚gesamte deutsche Wirtschaft‘ könne an den Pranger gestellt werden.“  („Deutschlandbild in den USA steht auf dem Spiel“. In: Süddeutsche Zeitung, 20.11.1999, S. 6.) „Zum Beispiel in der vergangenen Woche. Da tauchte Weiss plötzlich in Washington im Kapitol auf, mit zwei Senatoren an seiner Seite und der Vorlage für einen Gesetzesentwurf in der Tasche.“ (Pinzler: Nur ein Spiel um Geld?) „Ein solcher Vorstoß [die Zulässigkeit von Sammelklagen bis 2010 per Gesetz zu sichern] würde im Kongress vermutlich gerade in einem Wahljahr eine breite Mehrheit finden.“ (Angst vor der Sammelklage. In: Süddeutsche Zeitung, 16.12.1999, S. 2.)

[17] Max Horkheimer: Notizen 1950 bis 1969 und Dämmerung. Notizen in Deutschland. Frankfurt am Main: Fischer 1974, S. 200–201.