Glossar

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Was ist Buna? Vom Naturkautschuk zum Synthesekautschuk

Buna ist die von der I.G. Farbenindustrie eingeführte Bezeichnung für künstlich erzeugten Kautschuk (Gummi). Im 20. Jahrhundert wurde Buna zu einem industriellen Massenprodukt, das vor allem mit dem Wachstum des Automobilverkehrs und der motorisierten Kriegführung wirtschaftlich und militärisch strategische Bedeutung erlangte. Das Kurzwort Buna wurde erstmals Ende 1927 von dem Chemiker Curt Schumann aus Namensteilen der Ausgangsprodukte Butadien und Natrium gebildet und 1930 als eingetragenes Warenzeichen des Unternehmens geschützt. Für das Verfahren zur Herstellung von synthetischem Kautschuk durch Polymerisation, die Aneinanderlagerung von Einzelmolekülen (Monomeren) des Butadiens mit Hilfe des Katalysators Natrium, besaß die I.G. Farbenindustrie seit 1929 ein Patent. Unter der Bezeichnung Kautschuk werden sämtliche elastische Polymere zusammengefasst, aus denen sich Gummi herstellen lässt. Naturkautschuk wird aus dem Milchsaft des Kautschukbaums (Hevea brasiliensis) gewonnen. Bis Anfang des 20. Jh. lieferte Brasilien über 90% des Naturkautschuks.

 

Im 20. Jahrhundert wurden von der Chemieindustrie großindustrielle Verfahren entwickelt, durch Polymerisation künstlichen Kautschuk auf synthetischem Wege herzustellen. Die chemische Zusammensetzung von Naturkautschuk klärte Michael Faraday 1829 auf. Der französische Chemiker Gustave Bouchardat stellte 1879 erstmals durch Erhitzen des ungesättigten Kohlenwasserstoffs Isopren (C5H8) unter Beigabe von Salzsäure auf dem Weg der Polymerisation in geringen Mengen synthetischen Kautschuk her. Anfang des 20. Jh. wuchs die Nachfrage nach Naturkautschuk als Rohstoff für die Reifenproduktion der expandierenden Automobilindustrie. Auch durch die Ausdehnung der Anbauflächen auf Plantagen in den europäischen Kolonien in Südasien (Malaysia und Indonesien) war die rasch wachsende Nachfrage nicht mehr zu befriedigen. Der Preisboom veranlasste die chemische Industrie nach synthetischen Herstellungs- und Verarbeitungsverfahren zu forschen. In Elberfeld leitete der Chemiker Fritz Hofmann seit 1909 im Pharmazeutischen Laboratorium der Farbenfabriken Bayer Entwicklungsarbeiten an dem Grundbaustein Methylbutadien (Isopren), das zu Di-Methylbutadien (Methylkautschuk) weiterverarbeitet wurde. Die qualitativen Eigenschaften des Methylkautschuks erwiesen sich für die Reifenproduktion jedoch als unzureichend.

 

Der Erste Weltkrieg markiert eine Zäsur. Durch die Seeblockade der britischen Marine wurde Deutschland von Kautschukimporten abgeschnitten. Zugleich verlor die deutsche Chemieindustrie ihre ausländischen Exportmärkte und stellte ihre Produktion auf die Erfordernisse der Kriegswirtschaft um. Trotz anfänglicher Skepsis errichtete Bayer 1916 in Leverkusen eine neue Produktionsanlage für Methylkautschuk, die bis 1919 insgesamt 2524 t erzeugte. Aufgrund der minderwertigen qualitativen Eigenschaften und den gegenüber Naturkautschuk auf dem Weltmarkt nicht konkurrenzfähigen Herstellungskosten wurde die Produktion von Methylkautschuk nach Kriegsende eingestellt.

 

Als Mitte der 1920er Jahre die Kautschuknachfrage in den USA infolge der fortschreitenden Motorisierung stark anstieg und sich der Preis für Naturkautschuk 1924/25 verdreifacht hatte, beschloss die I.G. Farbenindustrie 1926 ein umfassendes Forschungsprogramm über synthetischen Kautschuk mit dem Ziel, auf Basis der Acetylenchemie ein marktfähiges Verfahren zur Großproduktion zu entwickeln. Da jedoch der Preis von Kautschuk in der Weltwirtschaftskrise verfiel und die Kautschuksynthese zu konkurrenzfähigen Marktpreisen. unrealistisch wurde, stellte die I.G. ihr Buna-Forschungsprogramm im Herbst 1930 weitgehend ein, nahm jedoch im Nationalsozialismus Planungen zur Großproduktion wieder auf.

(FS)



Literatur

Ditmar, Rudolf: Die Wege zum künstlichen Kautschuk. In: Die Naturwissenschaften 1 (1918), H. 1, S. 20–23.

Morris, Peter John Turnbull: The Development of Acetylene Chemistry and Synthetic Rubber by I.G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft: 1926–1945. Dissertation, University of Oxford 1982.

Plumpe, Gottfried: Industrie, technischer Fortschritt und Staat. Die Kautschuksynthese. In: Geschichte und Gesellschaft 9 (1983), H. 4, S. 564–597.

Plumpe, Gottfried: Die I.G. Farbenindustrie AG. Wirtschaft, Technik und Politik 1904–1945. Berlin: Duncker & Humblot 1990.