Glossar

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Der Kinofilm Am Ende kommen Touristen (D 2007, R: Robert Thalheim)

Filmstill aus „Am Ende kommen Touristen“ (2007)'© 23/5, ZDF
Filmstill aus „Am Ende kommen Touristen“ (2007)
© 23/5, ZDF
Filmstill aus „Am Ende kommen Touristen“ (2007)'© 23/5, ZDF
Filmstill aus „Am Ende kommen Touristen“ (2007)
© 23/5, ZDF
Filmstill aus „Am Ende kommen Touristen“ (2007)'© 23/5, ZDF
Filmstill aus „Am Ende kommen Touristen“ (2007)
© 23/5, ZDF

Der 19-jährige Deutsche Sven Lehnert leistet seinen Zivildienst in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte Auschwitz, „weil es mit Amsterdam nicht geklappt hat“. Unvorbereitet und erstaunlich naiv tritt er seinen Auslandsaufenthalt an. Seine Aufgabe besteht in der Betreuung des ca. 80-jährigen polnischen KZ-Überlebenden Stanisław Krzemiński, der von seiner Lagerzeit derart traumatisiert ist, dass er bis zum heutigen Tag die Koffer der Deportierten repariert, die er versprach zurückzugeben. Krzemiński ist von der Hilfe zunächst nicht begeistert; er behandelt den Zivi harsch und schikaniert ihn. Nur allmählich gewinnt Sven sein Vertrauen. Über die Polin Ania Lanuszewska, die als Guide in der Gedenkstätte arbeitet, bekommt Sven eine Perspektive aufs heutige Oświęcim, die Gedenkstätte, die Touristen und die wirtschaftlichen Probleme der Einwohner/innen und ihre Hoffnungen im vereinten Europa. Auf einer Fahrradtour durch den Ort zeigt Ania u.a. das Gelände des KZ Buna/Monowitz, die Lagerstraße und das heutige Dorf Monowice. Bei einer Gedenkveranstaltung von deutschen Auszubildenden der Chemieindustrie spricht „Svens Überlebender“ Krzemiński am Denkmal in Monowitz. Sven nimmt energisch Partei für ihn, als die Gruppenleiterin die Rede unterbrechen will. Während Svens Begegnung mit Ania und seine Auseinandersetzung über die sich anbahnende Beziehung mit ihr als authentisch gezeigt wird, werden die pädagogische Arbeit in der Gedenkstätte und die engagierten Lehrer/innen mit ihren Schulklassen reichlich lächerlich gemacht, in dem sie jedes Klischee der ‚Müsli-Pädagogen‘ erfüllen.

 

In der gesamten Filmerzählung ist kein einziges Mal von Jüdinnen und Juden die Rede, auch der Holocaust wird nicht direkt angesprochen, sondern immer umgangen. Insofern ist dieser Film eher eine Coming-of-Age-Geschichte als ein Film, der aus der heutigen Zeit eine Annäherung an die Verbrechen versucht, die in Auschwitz stattgefunden haben. Die Begegnungsstätte wird zum „Versöhnungssimulator“[1] zwischen (nicht-jüdischen) polnischen und deutschen Jugendlichen, die die Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden schlichtweg außen vor lassen.

 

„Aber was für Verträge gilt, kann auch für Versöhnungen zwischen zwei Parteien gelten, dass sie nämlich als sittenwidrig anzusehen sind, so sie zum Nachteil von Dritten verabredet werden. Auschwitz-Birkenau als Schauplatz ausschließlich eines deutsch-polnischen Konflikts von einst und heute als Ort gelingender Versöhnung zu inszenieren, und das auch noch am authentischen Ort, ohne ebenda der Vernichtung der europäischen Juden Aufmerksamkeit zu schenken, ist entweder borniert oder schlicht eine Gefälligkeit gegenüber deutsch-polnischen Versöhnungsdidaktikern. Daran ändern freilich die abgefilmten Namen von Juden auf einigen Koffern im Museum Auschwitz nichts, haben diese ihren sichtbaren Stellenwert im Film allein in der Beschreibung von Krzemiński fortwährender Fixierung auf Auschwitz-Birkenau. Thalheim hätte sich und uns einige Simplifizierungen ersparen und Auschwitz-Birkenau als einen Ort vorstellen können, an dem vieles möglich ist, nur nicht Versöhnung. Ein Film, der im heutigen Auschwitz/Oświęcim spielt und in dem der Holocaust nicht vorkommt, allenfalls als Leerstelle, ist deutsch-polnischer Versöhnungskitsch.“[2]

(SD)



Filmographie

Titel: Am Ende kommen Touristen

Land: Deutschland

Jahr: 2007

Regie: Robert Thalheim

Darsteller/innen: Alexander Fehling (Sven Lehnert), Ryszard Ronczewski (Stanisław Krzemiński), Barbara Wysocka (Ania Lanuszewska)

Produktion: 23ǀ5 Filmproduktion

Länge: 85 min

 

Literatur

Loewy, Ronny: Deutsch-polnischer Versöhnungskitsch. In: Newsletter zur Geschichte und Wirkung des Holocaust. Informationen des Fritz Bauer Instituts 31 (2007), S. 21–22.

[1] Ronny Loewy: Deutsch-polnischer Versöhnungskitsch. In: Newsletter zur Geschichte und Wirkung des Holocaust. Informationen des Fritz Bauer Instituts 31 (2007), S. 21–22, hier S. 22.

[2] Loewy: Deutsch-polnischer Versöhnungskitsch, S. 22.