Glossar

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Gary Bason (Gerhard Basowitz, 1924–2017)

Gary Bason wurde am 2. Mai 1924 in Berlin als Gerhard Basowitz geboren. Sein Vater Samuel Basowitz, ein polnischer Staatsbürger, importierte Lebensmittel aus Dänemark, den Niederlanden und Polen und besaß mehrere Geschäfte in Berlin, seine Mutter Chana (geb. Rubin) kümmerte sich um Gerhard und seine zwei jüngeren Geschwister Paula und Norbert. Die Familie lebte koscher.

 

Mitte Oktober 1938 wurde der Vater gemeinsam mit tausenden weiterer polnischer Juden verhaftet und nach Polen deportiert, wo er im Mai 1940 in seiner Heimatstadt Rudnck von SS-Kommandos erschossen wurde. Am 13. September 1939 wurde auch Gerhard, zu diesem Zeitpunkt fünfzehneinhalb Jahre alt, von der Polizei verhaftet und am folgenden Tag ins KZ Sachsenhausen gebracht. Dort erhielt er eine gestreifte Uniform und musste in den folgenden drei Jahren unter schwersten Bedingungen in einer Tongrube arbeiten: Bei schwerer körperlicher Arbeit erhielten die Häftlinge nur eine Schale Suppe und ein kleines Stück Brot am Tag zu essen und wurden von der SS misshandelt. Gerhard hatte Glück: Altere Häftlinge aus dem lagerinternen Widerstand halfen ihm und verschafften ihm leichtere Arbeit an einer Maschine. Nach etwa zehn Monaten wurde er in die Tongrube versetzt, wo er den Löffelbagger warten musste. Nachdem zwei Häftlingen die Flucht gelungen war, wurde das ganze Arbeitskommando verhört und gefoltert. Gerhard Basowitz konnte daraufhin wochenlang seine Arme nicht bewegen, trotzdem überstand er die Arbeitstage.

 

Am 28. Oktober 1942 wurde Gerhard Basowitz gemeinsam mit allen übrigen jüdischen Häftlingen von Sachsenhausen nach Auschwitz deportiert. Bei der Ankunft erhielt er die Nummer 69895 in seinen Arm tätowiert und wurde von der SS zur Zwangsarbeit selektiert. Er kam nach Budy, ein Nebenlager des KZ Auschwitz, wo die Neuankömmlinge für Bodenarbeiten herangezogen wurden; sie blieben jedoch vor Misshandlungen der übrigen Häftlinge verschont, da diese ebenfalls alte Sachsenhausener waren. Nach etwa zwei Monaten wurde Gerhard versetzt: Nun mussten sie Sümpfe trockenlegen, schwere körperliche Arbeit bei ständiger Nässe. 1943 erkrankte er an Malaria oder einer Art Sumpffieber, das er nur überlebte, weil der Häftlingsarzt Dr. Loebner für ihn aus der SS-Krankenstube Chinintabletten stahl.

 

Ende 1943 wurde er ins Hauptlager gebracht, um dort Zwangsarbeit für den Rüstungskonzern Krupp zu leisten. Er musste Messteile zu verschiedenen Arbeitsstellen transportieren; dabei kam er auch in der Frauenabteilung vorbei, wo ihm eine Freundin seiner Schwester von der Deportation seiner Familie im März 1942 berichtete.

 

Im Januar 1945 trieb die SS die Häftlinge auf den Todesmarsch: Gerhard Basowitz gehörte einer Gruppe an, die zu Fuß durch Polen und die Tschechoslowakei bis Bratislava laufen musste, von wo sie dann in offenen Güterwaggons nach Mauthausen gefahren wurden. Zwei Drittel der Häftlinge überlebten den Marsch nicht. Im Februar 1945 erreichten die Waggons Mauthausen. Gerhard Basowitz kam in das Nebenlager Gusen zur Zwangsarbeit im Bergbau. Die Häftlinge sollten mit ihren Händen unterirdische Tunnel für den deutschen Flugzeugbauer Messerschmitt graben.

 

Endlich, am 2. Mai 1945, seinem 21. Geburtstag, wurde Gerhard von amerikanischen Truppen befreit. Er wog noch 40 Kilo. Durch die Hilfe eines Freundes gelangte er nach Lille, wo er in einem katholischen Krankenhaus versorgt und aufgepäppelt wurde. Nach sechs Wochen ging er nach Brüssel, wo er in den folgenden achtzehn Monaten seine unterbrochene schulische Ausbildung fortsetzen und anschließend eine Diamantschneiderausbildung beginnen konnte.

 

Die zwei Schwestern seines Vaters lebten in den USA und fanden heraus, wo er sich befand; am 2. Dezember 1947 emigrierte Gerhard Basowitz in die USA, wo er seinen Namen in Gary Bason änderte.

 

2008 erhielt er über das Rote Kreuz die Deportationslisten der Gestapo, die ihm das Schicksal seiner Familie mitteilten: Seine Mutter Chana und seine Geschwister Paula und Norbert waren im März 1942 nach Auschwitz deportiert und gleich in die Gaskammern geschickt worden.

 

Bis zu seinem Tod im Jahr 2017 erzählte Gary Bason seine Überlebensgeschichte Jugendlichen: Es war ihm wichtig, sie „zukünftigen Generationen als lebendes Zeugnis“ zu erzählen.

(Gary Bason / SP)