Glossar

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Werksleitung der I.G. Auschwitz

„Unser Betrieb ist ein Bollwerk des Deutschtums, ein Teil der Wirtschaft unseres Reiches und eine besonders wichtige Zelle für den Volksaufbau im wiedergewonnen Osten.“[1]

 

Mit der Entscheidung, das vierte Buna-Werk der I.G. Farben am Standort Auschwitz zu errichten, wurden innerhalb der I.G. auch die personellen Entscheidungen für das neue Werk getroffen. Die Mitglieder des Vorstands Otto Ambros und Heinrich Bütefisch waren für das Bauprojekt, das mit 400 Millionen Reichsmark ausgestattet worden war, verantwortlich. Dadurch war der Vorstand stets über Entscheidungen informiert.

 

„Die Gesamtplanung des Werkes Auschwitz als Kombinationsanlage wurde zunächst an [Walther] Dürrfeld, [Camill] Santo (Bauabteilung) und [Erich] Mach (Konstruktionsbüro) nach Ludwigshafen vergeben.“[2] Es fanden regelmäßige, ganztägige Baubesprechungen zwischen den leitenden Angestellten zunächst vierzehntägig in Ludwigshafen, später zweimonatlich in Auschwitz statt. Zu den regelmäßigen Teilnehmern gehörten auch Karl Braus als Leiter des Synthese-Teils und Kurt Eisfeld (Fabrikationsabteilung Buna). Otto Ambros, als offizieller Betriebsführer, ernannte Oberingenieur Max Faust bei Baubeginn zu seinem Stellvertreter; Walther Dürrfeld, als Ingenieur zuständig für den Buna-Teil des neuen Werks, entwickelte sich jedoch „im Laufe der Jahre 1942–1943 […] praktisch […zum…] Betriebsführer der IG Auschwitz“[3] und wurde 1942 auch offiziell zum stellvertretenden Betriebsführer ernannt. Insbesondere bezüglich des Häftlingseinsatzes herrschte zwischen den beiden Männern Zwist: Während Faust (wenn auch aus rein ökonomischen Gründen) die Beschäftigung der Häftlinge ablehnte, war Dürrfeld davon nicht abzubringen. Zwischen den Schwierigkeiten der Kriegswirtschaft (Arbeitskräftemangel, Materialmangel, Transportprobleme), den unterschiedlichen Interessen mehrerer staatlicher Stellen (etwa Görings Vierjahresplanbehörde, das WVHA, die SS) und den örtlichen Gegebenheiten (etwa erwies sich der lehmige Boden als instabil, die Bauten mussten auf Pfähle gesetzt werden) musste die Betriebsleitung die Bauarbeiten möglichst plangemäß vorantreiben. Hier kam der Betriebsleitung der gute Kontakt zu Carl Krauch, dem Generalbevollmächtigt en für Sonderfragen der chemischen Industrie und Vorsitzenden des Aufsichtsrates der I.G. Farben, sowie der SS vor Ort zustatten.

 

Mit der Betriebsordnung der I.G. Auschwitz trat zum 1. Januar 1942 in deutlicher Formulierung eine exemplarische Realisierung der NS-Ideologie in Kraft: Neben der Umsetzung des „Führerprinzips“ (dem „Betriebsführer“ standen Vertrauensmänner beratend zur Seite, parallel vertrat der „Betriebsobmann“ Parteiinteressen der NSDAP) wurden „Werksangehörige“ und „Gefolgsmänner“ nach „rassischen“ Kriterien definiert: sie sollten „unbescholten, arischer Abstammung, Mitglied der Deutschen Arbeitsfront und nach fabrikärztlichem Gutachten gesundheitlich geeignet sein“[4]. Betriebsangehörige und auch ‚Fremdarbeiter/innen‘ hatten mit Bestrafungen durch den I.G.-eigenen Werkschutz oder die Gestapostelle auf dem Werksgelände zu rechnen; Häftlinge wurden der SS übergeben, auch als sie seit Herbst 1942 im firmeneigenen KZ Buna/Monowitz unter schlimmen Bedingungen untergebracht waren. Erst Ende 1944 lockerte der Arbeitskräftemangel die ideologischen und sicherheitspolitischen Vorbehalte der Betriebsleitung, Häftlinge wurden nun auch in der Verwaltung eingesetzt.

 

Selbst als die Rote Armee unaufhaltsam näherrückte, war die Betriebsleitung erst in letzter Minute bereit, das Werk zu räumen: In Dürrfelds Kopf „hatte sich die NS-Ideologie vom totalen Krieg so tief eingebrannt, daß [er] unbeirrt bis zum Letzten ausharren wollte[…].“[5] Am 23. Januar 1945 verließen auch Dürrfeld und Ambros Auschwitz gen Westen.

(SP)



Quellen

Karl Braus, Eidesstattliche Erklärung, 23.8.1947, NI-10929. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, Prosecution Exhibits, reel 033, Bl. 365–374.

Walther Dürrfeld, Eidesstattliche Erklärung, 18.2.1947, NI-4184. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, ADB 72 (d), Bl. 115–119.

Max Faust, Zeugenvernehmung, 4.12.1952. HHStAW, Abt. 460, Nr. 1424 (Wollheim gegen IG Farben), Bd. I, Bl. 164R–172R.

Isaac Spetter, Eidesstattliche Erklärung, 13.11.1947, NI-12383. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess, Fall VI, ADB 75 N (d), Bl. 1–8.

Betriebsordnung I.G. Farbenindustrie AG Werk Auschwitz OS, 1.1.1942, NI-14488. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, Prosecution Exhibits, reel 032, Bl. 1021–1032.

 

Literatur

Wagner, Bernd C.: IG Auschwitz. Zwangsarbeit und Vernichtung von Häftlingen des Lagers Monowitz 1941–1945. München: Saur 2000.

[1] Betriebsordnung I.G. Farbenindustrie AG Werk Auschwitz OS, 1.1.1942, NI-14488. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, Prosecution Exhibits, reel 032, Bl. 1021–1032, hier Bl. 1025.

[2] Bernd C. Wagner: IG Auschwitz. Zwangsarbeit und Vernichtung von Häftlingen des Lagers Monowitz 1941–1945. München: Saur 2000, S. 61.

[3] Karl Braus, Eidesstattliche Erklärung, 23.8.1947, NI-10929. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, Prosecution Exhibits, reel 033, Bl. 365–374, hier Bl. 367.

[4] Betriebsordnung I.G. Farbenindustrie AG Werk Auschwitz OS, Bl. 1026.

[5] Wagner: IG Auschwitz, S. 274.