Jiří Pavel (*1926)
Jiří Pavel wurde am 24. März 1926 als zweiter der drei Söhne des Ehepaars Leo und Hermína Popper (der Familienname wurde 1952 in Pavel geändert) in Pilsen geboren. Mit seinem älteren Bruder Hugo (geboren 1924 in Mariánské Lázně) wurde er 1943 deportiert. Sein jüngerer Bruder Ota (geboren 1930 in Praha, gestorben 1973 ebenda) wurde ein berühmter tschechischer Schriftsteller, dessen Bücher in mehrere Weltsprachen übersetzt worden sind.
Jiří Pavels jüdischer Vater heiratete das ‚arische‘ Dienstmädchen vom Bauernhof seiner Großeltern. Die Familie lebte im christlichen Milieu. Der Vater war als Staubsaugerhändler bei der Firma Electrolux erfolgreich. Nach der deutschen Okkupation 1939 siedelte die Familie wegen der nationalsozialistischen Rassenpolitik zu den jüdischen Großeltern nach Buštěhrad um. Dort besuchte Jiří Pavel weiter die Schule. Wegen der antisemitischen deutschen Politik konnte er kein Abitur mehr machen. Erst durch die deutsche Besatzung erfuhren die Jungen von ihrer jüdischen Abstammung. Jiří und Hugo waren nach der Geburt durch die Eltern auf dem Rabbinat als jüdische Gläubige eingetragen worden. Nach den Nürnberger Gesetzen waren sie Mischlinge zweiten Grades und wurden deswegen am 6. März 1943 mit dem letzten Transport nach Terezín (Theresienstadt) deportiert. Die zwei vorausgehenden Wochen hatten sie in einem Sammellager in Prag verbracht. Der jüngste Bruder, Ota Pavel, durfte als ein Mischling dritten Grades zu Hause bleiben, da er nicht nach der Geburt als jüdischer Gläubiger eingetragen worden war. Der Vater war durch seine ‚arische‘ Ehefrau ebenfalls vor der Deportation geschützt.
Um Jiří vor dem KZ Auschwitz zu schützen, meldete sich Hugo zu einer Brigade, die in Deutschland in der Rüstungsindustrie arbeitete. Trotzdem wurde Jiří Pavel am 28. Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert. Die Wege der Geschwister wurden getrennt, sie trafen sich erst nach dem Kriegsende zu Hause wieder. Nach einigen Wochen in Auschwitz schickte die SS Mitte November 1944 Jiří mit einer Gruppe von Drehern ins KZ Buna/Monowitz, wo er bis Ende des Jahres Zwangsarbeit verrichten musste. Als die Rote Armee näherrückte, wurde Jiří Pavel mit anderen Häftlingen ins Nebenlager Sosnowiec (Sosnowitz) transportiert. Dort wurde er, in Vorbereitung auf den Todesmarsch, eine Woche festgehalten. Von deutschen Soldaten – nicht von SS – bewacht, gingen die Häftlinge auf den Todesmarsch nach Opava (Troppau), in dessen Verlauf die Hälfte der Häftlinge verstarb oder ermordet wurde. Von Opava wurden die überlebenden Häftlinge in halboffenen Zügen nach Mauthausen gebracht. Vom Bahnhof Mauthausen mussten sie einen langen Weg über Serpentinen ins KZ Mauthausen zurücklegen. Dort fand Jiří Pavel gute Freunde, die ihn gerettet haben. Nach der Befreiung durch die U.S. Army am 5. Mai 1945 verließ Jiří Pavel mit einem Freund das Lager, um in den umliegenden Bauernhöfen um Essen zu bitten. Nach einiger Zeit wurden sie mit LKWs zurück nach Prag gebracht.
Jiří Pavel kehrte nach Hause zurück, wo er auf seine ganze Familie traf. Nach Kriegsende zog die Familie zurück nach Prag. Es folgten Monate, in denen das Leben genossen wurde, Jiří Pavel feierte und reiste herum, realisierte jedoch auch, was er erlebt hatte und dass er, im Gegensatz zu vielen anderen, lebte.
Jiří Pavel holte sein Abitur nach, 1970 schloss er das Studium der Journalistik an der Karlsuniversität in Prag ab. Er konnte sich jedoch für diese Tätigkeit nicht begeistern und handelte seitdem mit Antiquitäten. Heute lebt er mit seiner Tochter in Prag.
(KH)
Jiří Pavel, lebensgeschichtliches Interview
(Tschechisch, mdU)