Glossar

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Justus Marchand

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00:00:00 Herkunft

00:04:19 Deutsche Besatzungszeit/Widerstand

00:15:26 KZ Herzogenbusch

00:21:00 Alltag & Überleben im KZ Buna/Monowitz

00:31:32 Lagerbordell

00:33:06 Diebstahl unter Häftlingen

00:33:51 Todesmärsche/Befreiung

00:40:17 Nachkriegszeit

00:48:45 Nachkriegsprozesse

Justus Emmanuel Marchand wurde 1914 in Amsterdam geboren. Er wuchs in bürgerlichen Verhältnissen auf. Sein Vater, Isaac Marchand, einer der ersten Importeure von Fahrradschläuchen, war sephardischer Herkunft, seine Mutter, Rachel De Groot, aschkenasisch. Doch spielte Religion für Justus Marachand keine Rolle, bis seine Eltern ihn zur jüdischen Sonntagsschule schickten und er Bar Mitzwa wurde. Er engagierte sich in einer zionistischen Jugendgruppe, obwohl weder er noch seine Familie an eine Emigration nach Palästina dachten.

 

1932, nach der Realschule, wurde Justus Marchand zum Militärdienst einberufen, danach begann er eine Lehre als Metallurge und arbeitete in der Metall- und Stahlindustrie. Auf einer Fortbildung lernte er Hetty Monasch kennen. Die Verlobung fand im Januar 1938 statt, die Hochzeit zwei Jahre später. 1939 wurde Justus Marchand Leutnant der Infanterie in der niederländischen Armee. Als die Niederlande am 14. Mai 1940 kapitulierten, tauchten Justus und Hetty Marchand unter. Es gelang ihnen, sich Pässe von nicht-jüdischen Niederländern zu besorgen. Sie arbeiteten unter falschem Namen im Widerstand gegen die deutsche Besatzung. Justus Marchands Mutter starb 1940 bei einem Treppensturz, seinem Vater gelang es, unterzutauchen und so die Kriegsjahre zu überleben.

 

Durch Verrat wurde Justus Marchand von der Gestapo festgenommen und – noch unter falschem Namen – in das Konzentrationslager Herzogenbusch deportiert. Nachdem ein Mitgefangener ihn erkannte und als Jude zu erkennen gab, wurde er von dort über Westerbork ins KZ Buna/Monowitz deportiert. Dort wurde Justus Marchand zunächst in das Zementkommando eingeteilt. Der niederländische Oberkapo Joop sorgte dafür, dass er in das Lohnbuchhalterkommando kam. Dieses Kommando empfand er als ein „Elite-Kommando“, d.h. die Häftlinge bekamen genug zu essen, echte Kleidung und durften über die Poststelle (zensierte, auf deutsch verfasste) Briefe versenden.

 

Am 18. Januar 1945 trieb die SS die Häftlinge des KZ Buna/Monowitz auf den Todesmarsch. Für Justus Marchand endete dieser im KZ Mittelbau-Dora. Dort erkrankte er an Durchfall und Typhus und fiel in ein fiebriges Koma, so dass er seine Befreiung nicht bewusst erlebte. In einem Militärkrankenhaus der amerikanischen Armee wurde er gepflegt und kehrte im Sommer 1945 nach Amsterdam zurück. Seine Frau hatte den gesamten Krieg in der Illegalität verbracht und im Widerstand u.a. dafür gesorgt, dass (versteckte) Jüdinnen und Juden mit den Pässen anderer Menschen ausreisen konnten.

 

Justus Marchand meldete sich wieder bei der niederländischen Armee und arbeitete dort. Auf Drängen seiner Frau Hetty Marchand emigrierten sie 1947 nach Palästina, wo Justus Marchand im israelischen Unabhängigkeitskrieg kämpfte. Justus und Hetty Marchand ließen sich in einem kleinen Dorf, Hadar Am nahe Netanya, nieder, wo sie mit ihren beiden Söhnen zunächst von Hühnerzucht, einer kleinen Orangenplantage und der Schwarzarbeit von Justus Marchand im Straßenbau und in einer Schule lebten. Später arbeitete er bei einer Bank, danach in einer Arzneimittelgrundstofffabrik.

 

Inzwischen ist Justus Marchand Urgroßvater. Hetty Marchand verstarb im Frühjahr 2007.

(SD)



Quelle

Justus E. Marchand, Lebensgeschichtliches Interview [Dt.], 23./24.7.2007. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Norbert Wollheim Memorial.

 

Literatur

Marchand, Justus E.: Mijn dubbel spoor. Laren: Schoonderbeek [1999].