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Peter Gingold (1916–2006)

Peter Gingold, o.J.'© Fritz Bauer Institut (Gingold-Nachlass)
Peter Gingold, o.J.
© Fritz Bauer Institut (Gingold-Nachlass)
Proteste gegen I.G. Farben vor dem 'Steigenberger Hotel, Frankfurt am Main, o.J.'© Fritz Bauer Institut (Gingold-Nachlass)
Proteste gegen I.G. Farben vor dem
Steigenberger Hotel, Frankfurt am Main, o.J.
© Fritz Bauer Institut (Gingold-Nachlass)
Peter Gingold bei Protesten gegen I.G. Farben, Frankfurt am Main, o.J.'© Fritz Bauer Institut (Gingold-Nachlass)
Peter Gingold bei Protesten gegen I.G. Farben, Frankfurt am Main, o.J.
© Fritz Bauer Institut (Gingold-Nachlass)

Peter Gingold wurde 1916 als Sohn eines Konfektionsschneiders in Aschaffenburg geboren. Er besuchte die Jüdische Volksschule und begann 1930 eine kaufmännische Lehre. Im selben Jahr trat er in die Gewerkschaft Zentralverband Deutscher Angestellter ein und ein Jahr später in den Kommunistischen Jugendverband Deutschlands. Die gesamte Familie war politisch aktiv. Ab 1933 musste Peter Gingold seine antifaschistische Widerstandsarbeit in der Illegalität weiterführen; seine Eltern und Geschwister emigrierten nach Frankreich. Er selbst folgt wenige Monate später, nachdem er bei einer Razzia der SA verhaftet und des Landes verwiesen worden war.

 

In Frankreich arbeitete er bei der deutschsprachigen antifaschistischen Tageszeitung Pariser Tageblatt. 1936 gründete er in Paris mit anderen jungen deutschen Antifaschisten die Freie Deutsche Jugend und lernte dort Ettie Stein-Haller, seine spätere Frau, kennen. Im Januar 1940 heirateten sie, im Juni 1940 wurde ihre erste Tochter, Alice Gingold, geboren.

 

Nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht 1941 musste Peter Gingold seine Tätigkeiten in Paris aufgeben, da die Gestapo nach ihm fahndete. Er ging nach Dijon und wurde in einer Gruppe in der Résistance tätig, die antifaschistische Flugblätter unter den deutschen Soldaten verbreitete, um diese zum Überlaufen zu bewegen. 1942 wurden zwei seiner Geschwister in Paris verhaftet und in das KZ Auschwitz deportiert. Sie überlebten nicht. Ein Jahr später 1943 verhaftete die Gestapo auch Peter Gingold, verhörte und folterte ihn und überführte ihn nach Paris, wo ihm die Flucht aus der Gefangenschaft gelang. Im August 1944 beteiligte er sich am Aufstand zur Befreiung von Paris und ging nach Lothringen, um dort am Befreiungskampf teilzunehmen. Ende April 1945 kämpfte er bei den Partisan/innen in Norditalien und erlebte dort die Befreiung.

 

Peter Gingold kehrte im August 1945 nach Frankfurt am Main zurück und nahm zusammen mit seiner Frau Ettie das Engagement in der KPD wieder auf. 1946 wurde ihre zweite Tochter, Sylvia Gingold, geboren.

 

Als Teilnehmer der Résistance wurde er in Frankreich und Italien staatlich geehrt, in der Bundesrepublik wegen seiner Parteizugehörigkeit wiederholt diffamiert und musste sogar um die Wiederzuerkennung der deutschen Staatbürgerschaft kämpfen.

 

Seit der Gründung der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) 1968 war Peter Gingold dort Mitglied und bekleidete verschiedene Ämter. Er war unter anderem politisch aktiv in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes  Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), im Verband Deutscher in der Résistance und im Auschwitzkomitee, dem Aktionsbündnis gegen I.G. Farben sowie in Friedensinitiativen.

 

Bis zu seinem Tod 2006 kämpfte Peter Gingold „gegen alte und neue Nazis“, nahm an Demonstrationen gegen Nazi-Aufmärsche teil und besuchte außerdem unzählige Schulklassen und Jugendgruppen, denen er von den Erfahrungen im Faschismus und Krieg und von der Arbeit im Widerstand berichtete.

 

1991 wurden Peter und Ettie Gingold mit der Johanna-Kirchner-Medaille der Stadt Frankfurt am Main für ihren Widerstand gegen die NS-Diktatur ausgezeichnet. Am 12. Dezember 2004 wurde ihm in Berlin von der Internationalen Liga für Menschenrechte die Carl-von-Ossietzky-Medaille verliehen. 2006 verstarb er in Frankfurt am Main. Er wurde in Paris beigesetzt.

(SD)



Literatur

Gingold, Peter: Paris - Boulevard St. Martin No. 11. Ein jüdischer Antifaschist und Kommunist in der Résistance und der Bundesrepublik. Hg. v. Ulrich Schneider. Köln: PapyRossa 2009.

Jahnke, Karl Heinz: Sie haben nie aufgegeben. Ettie und Peter Gingold − Widerstand in Frankreich und Deutschland. Bonn: Pahl-Rugenstein 1998.