Prozesse wegen der Lieferung von Zyklon B an die SS (1946–1955)

© National Archives, Washington, DC
Nach Kriegsende wurden einige Mitarbeiter der Firmen, die Zyklon B an die SS in den Konzentrations- und Vernichtungslagern geliefert hatten, in mehreren Strafprozessen vor Gericht gestellt. Der erste Prozess gegen Mitarbeiter der Hamburger Vertriebsgesellschaft Tesch & Stabenow (TESTA) fand vom 1. bis 8. März 1946 in Hamburg vor einem Britischen Militärgericht statt. Dem Firmeninhaber Bruno Tesch und seinen Mitarbeitern Joachim Hans Drosihn und Karl Weinbacher wurde zur Last gelegt, wissentlich das zur Ermordung alliierter Staatsangehöriger in den deutschen Konzentrationslagern verwendete Zyklon B geliefert zu haben. In dem Verfahren wurde der Angeklagte Joachim Hans Drosihn freigesprochen, weil er keinen Einblick in die Geschäftspolitik gehabt habe. Weinbacher und Tesch hingegen wurden der wissentlichen Lieferung von Zyklon B zur Ermordung von Menschen für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Das Todesurteil wurde am 16. Mai 1946 im Zuchthaus Hameln vollstreckt.
Im Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben 1947/48 wurden die dem Verwaltungsrat der Degesch angehörenden Vorstandsmitglieder der I.G. Farben Heinrich Hörlein, Carl Wurster und Wilhelm Rudolf Mann wegen der Lieferungen von Zyklon B durch die Degesch an die Konzentrations- und Vernichtungslager zur Massenvernichtung in den Gaskammern angeklagt. Die Richter kamen in ihrem Urteil jedoch zu dem Schluss, dass die Angeklagten in diesem Punkt freizusprechen seien. Ihrer Ansicht nach hatte die Beweisaufnahme keine eindeutigen Nachweise erbracht, dass die Angeklagten „einen bestimmenden Einfluß auf die Geschäftspolitik der DEGESCH oder strafrechtlich erhebliche Kenntnis von dem Verwendungszweck ihrer Erzeugnisse hatten“[1].
Das Schwurgericht in Frankfurt am Main verurteilte den ehemaligen Geschäftsführer der Degesch, Gerhard Peters, 1948 wegen Beihilfe zum Totschlag zu einer Strafe von fünf Jahren Zuchthaus. Nachdem der Bundesgerichtshof das Urteil aufgehoben hatte, wurde Peters zunächst von dem Schwurgericht in Wiesbaden am 7. August 1953 wegen Beihilfe zum Mord zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Bei einer Wiederaufnahme des Verfahrens wurde Peters schließlich im Mai 1955 freigesprochen. Das Frankfurter Schwurgericht ging davon aus, dass die von Peters zu verantwortenden Lieferungen von Zyklon B nicht für den Massenmord in den Gaskammern verwendet wurden. Eine Zeugenaussage, die das Gegenteil belegte, wurde nicht berücksichtigt.
(FS)