Glossar

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Tibor Wohl (1923–2014)

„Wir dachten und fühlten zwar nicht mehr wach, aber in uns glomm ein Funke weiter, das ‚Ich‘.“[1]

  

Tibor Wohl wurde am 28. Juni 1923 in Rarbok in der ČSR (heute Rohožník) geboren und verbrachte dort seine Kindheit. Er wuchs in einer bürgerlichen Familie auf, sein Vater handelte mit Immobilien, die Mutter war Hausfrau. 1931 wurde der Bruder Paul geboren, 1936 zog die Familie nach Prag, da der Antisemitismus im slowakischen Teil der ČSR immer mehr zunahm.

 

Tibor Wohls Vater bezahlte 1939 Geld, um seine Familie nach Ecuador schleusen zu lassen, wurde aber betrogen, und sie mussten in Prag bleiben. Nachdem die deutsche Wehrmacht Tschechien am 15. März 1939 besetzt hatte, musste die Familie Wohl in eine kleinere Wohnung ziehen, Tibor die Schule abbrechen und sein Vater in einem Sägewerk arbeiten. Am 10. Dezember 1941 wurde die Familie von der Gestapo verhaftet, ihrer Besitztümer beraubt und nach Theresienstadt deportiert. Dort mussten sie Zwangsarbeit leisten, bis sie am 26. Oktober 1942 ins KZ Auschwitz deportiert wurden. In dem Chaos bei ihrer Ankunft verlor Tibor seine Familie; er konnte sich nicht von ihr verabschieden und sah sie nie wieder.

 

Tibor Wohl wurde nach sechs Tagen im Stammlager Auschwitz I ins KZ Buna/Monowitz geschickt und kam ins Kommando 21, das schwere Transport- und Erdarbeiten verrichten musste. Als er versuchte, in ein leichteres Kommando zu gelangen, wurde er dem Kabelkommando zugeteilt und zog sich bei der Arbeit eine schwere Fußverletzung zu. Er musste in den Krankenbau und gehörte zu Häftlingen, an denen u.a. der SS-Arzt Horst Fischer Experimente mit Elektroschocks durchführte. Als er im Frühjahr 1944 nach einem kurzen Aufenthalt im Krankenbau in den dortigen Schonungsblock verlegt wurde, lernte er den Tschechen Arnost Tauber kennen. Dieser erzählte ihm von der Widerstandsarbeit im Lager, der sich Tibor Wohl daraufhin anschloss. Durch die Mitarbeit im Widerstand wurde er dem Kommando der Desinfektionsstation zugeteilt, in dem er bis zur Auflösung des Lagers arbeitete.

 

Am 18. Januar 1945 wurde Tibor Wohl auf den Todesmarsch nach Gleiwitz getrieben. Während eines Angriffs von Partisanen gelang es ihm, mit zwei Kameraden zu fliehen und in einem Bauernhaus bei einem deutschen Deserteur unterzukommen, bis die Gegend am 27. Januar von der Roten Armee befreit wurde.

 

Nach seiner Befreiung ging Tibor Wohl nach Prag zurück, wo er feststellen musste, dass seine gesamte Familie ermordet worden war. 1947 heiratete er seine Frau Libuse, das Paar bekam zwei Kinder. In den 1960er Jahren sagte Tibor Wohl in der BRD im 2. Frankfurter Auschwitz-Prozess gegen Gerhard Neubert und in der DDR 1966 im Fischer-Prozess aus. 1969 floh er mit seiner Familie aus Prag nach Österreich und arbeitete als Montageabteilungsleiter. 1990 veröffentlichte er einen Bericht über seine Zeit im KZ Buna/Monowitz unter dem Titel Arbeit macht tot. Eine Jugend in Auschwitz. Zuletzt lebt Tibor Wohl in Frankfurt am Main, wo er im Januar 2014 gestorben ist.

(LG)



Quelle

Tibor Wohl, Lebensgeschichtliches Interview [Dt.], 17.3.1998. USC Shoah Foundation Institute, Survivors of the Shoah Visual History Archive, Code 42198.

 

Literatur

Wohl, Tibor: Arbeit macht tot. Eine Jugend in Auschwitz. Mit einem Vorwort von Hermann Langbein. Frankfurt am Main: Fischer 1990.

[1] Tibor Wohl: Arbeit macht tot. Eine Jugend in Auschwitz. Mit einem Vorwort von Hermann Langbein. Frankfurt am Main: Fischer 1990, S. 121.