Albert Kimmelstiel
00:00:00 Herkunft
00:02:26 Antijüdische NS-Politik
00:07:13 Deportation/Selektion
00:20:47 Alltag & Überleben im KZ Buna/Monowitz
00:37:10 Todesmärsche/Befreiung
00:48:20 Nachkriegszeit
„Hunger does terrible things to human beings.“[1]
Albert Kimmelstiel wurde 1923 geboren, seine Eltern, Karoline (geb. Reinhold) und Fritz Kimmelstiel, und seine beiden älteren Brüder, Justin und der gehörlose Max Kimmelstiel, lebten, wie die Familie seit Generationen, in Forth in Franken. Die Mutter betreute ein Haushaltswarengeschäft, der Vater arbeitete als Viehhändler. Mit Hitlers Machtergreifung wurde die Situation finanziell schwieriger, und nachdem 1935 Julius Streicher im Ort eine antisemitische Hetzrede gehalten hatte, sprach niemand mehr mit ihnen. Nur ihre Haushaltshilfe bot der Familie Essen und ihr ganzes Geld an. Seit 1936 besuchten die Brüder die jüdische Volksschule in Nürnberg. Justin, der älteste, konnte im selben Jahr nach Argentinien auswandern. Albert spielte außerdem im jüdischen Fußballverein. Die Mannschaft hatte sich für ein Turnier in Augsburg im November 1938 qualifiziert. Wegen der „Reichskristallnacht“ wurde das Turnier abgesagt. 1938 hatte die Familie bereits ihr Haus in Forth verkaufen müssen und war nach Nürnberg umgezogen.
Am 29. November 1941 wurde die Familie abtransportiert, über das Sammellager Langwasser kamen sie im Dezember 1941 ins KZ Jungfernhof bei Riga. Am 26. März 1942 wurden die Eltern deportiert, die letzten Worte der Mutter waren: „Pass auf Max auf!“ Später erfuhr Albert Kimmelstiel, dass seine Eltern in einem nahen Wald erschossen worden waren. Im November 1943 wurden die Brüder Albert und Max von der SS in Viehwaggons verladen, erhielten ein Brot und etwas Wasser und kamen nach drei Tagen Zugfahrt im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau an. Nach vier Wochen Quarantäne kamen die beiden ins KZ Buna/Monowitz. Albert arbeitete im Schlosserkommando und lernte Norbert Wollheim kennen. Wollheim half ihm, seinen Bruder aus dem Außenkommando herauszuholen: Max konnte die Marschmusik nicht hören und erhielt dauernd Schläge, weil er aus dem Takt war. Ab dann arbeitete er in der Lagerküche, bis er am 21. März 1944 verschwunden war: An diesem Tag hatte die SS alle Gehörlosen in die Gaskammer geschickt. Albert war alleine.
Am 18. Januar 1945 trieb die SS die Häftlinge des KZ Buna/Monowitz auf den Todesmarsch, Albert Kimmelstiel musste zu Fuß durch den eiskalten Winter. Über Gleiwitz, Mauthausen, Prag und Sachsenhausen kam er Anfang Mai in die Umgebung von Schwerin, wo die SS-Bewacher in Zivilkleidung flohen. Albert Kimmelstiel war frei und wusste: „I wanted to get out of Germany as fast as I can. I didn’t want to stay there.” Bereits im November 1945 zeichnete er seine Erinnerungen an die Lagerzeit auf, diese finden sich heute in der Wiener Library, London. 1947 wanderte er in die USA aus, wo er sich in New York niederließ. Auf der Abendschule lernte er Jacqueline Hirsch kennen, die den Krieg im Versteck in Frankreich überlebt hatte und ebenfalls in die USA emigriert war. Sie heirateten und bekamen zwei Söhne. Albert Kimmelstiel arbeitete als Tapezierer. In den 1950er Jahren war er in der Compensation Treuhand daran beteiligt, ehemaligen Häftlingen des KZ Buna/Monowitz die von Norbert Wollheim erstrittene Entschädigung zukommen zu lassen. Mit Norbert Wollheim verband ihn eine lebenslange Freundschaft.
(SP)