Glossar

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David Rosenbaum (heute Walter Rawa, *1926)

„Vorkriegsfoto meines Vaters, David Rosenbaum, seines älteren Bruders Tuli und seiner Mutter Dori Rosenbaum vor ihrem Haus. Wir wissen nicht aus welchem Jahr, aber ich vermute, unser Vater war zwischen 7 und 10 Jahre alt.“ (Dori Ekstein)
'© Walter Rawa
„Vorkriegsfoto meines Vaters, David Rosenbaum, seines älteren Bruders Tuli und seiner Mutter Dori Rosenbaum vor ihrem Haus. Wir wissen nicht aus welchem Jahr, aber ich vermute, unser Vater war zwischen 7 und 10 Jahre alt.“ (Dori Ekstein)
© Walter Rawa

Unser Vater, David Rosenbaum, wurde am 10. August 1926 in Lukov in der Slowakei geboren. Er wuchs in einem orthodoxen jüdischen Elternhaus auf, zusammen mit seinen Eltern, Dori und Leon, und seinen vier Brüdern. Er hatte zwei ältere Brüder, Tuli und Moshe. Tuli, der Älteste, wurde 1922, Moshe 1924 geboren. Die beiden jüngeren Brüder hießen Abraham, geboren 1935, und Shaul, geboren 1938. Die Familie war sehr arm, aber sie hatten einen sehr liebevollen und engen Umgang und waren mit ihrem Leben zufrieden. Im Jahr 1932 zog die Familie in eine größere Stadt, nach Starulobovnya.

 

In der ersten Nacht des Pessachfestes 1942, wenn jüdische Familien zur traditionellen gemeinsamen Mahlzeit zusammenkommen, war die ganze Familie unseres Vaters zum letzten Mal zusammen. Am nächsten Morgen befahlen die Nazis allen jüdischen Männern, die älter als 17 Jahre waren, sich an einer örtlichen Synagoge einzufinden, um nach dem Osten umgesiedelt zu werden. Davids Vater und seine zwei älteren Brüder wurden an diesem Tag nach Auschwitz geschickt, wo sie als Sklaven arbeiteten, bis sie durch Hunger, Krankheit und Schläge entkräftet waren. Dann wurden sie in den Gaskammern ermordet. Alle drei wurden innerhalb von vier Monaten nach ihrer Ankunft in Auschwitz ermordet.

 

Im Juni 1942 wurde der Rest der jüdischen Bevölkerung von Starulobovnya in die Konzentrationslager deportiert. David war zusammen mit seiner Mutter und seinen beiden jüngeren Brüdern im Zug, als ihm befohlen wurde, schnell auszusteigen, zusammen mit allen anderen Kindern, die älter als 16 Jahre waren. Im Zug herrschte ein solches Chaos, dass es ihm nicht einmal mehr gelang, sich von seiner Mutter und seinen Brüdern zu verabschieden. Damals sah er sie zum letzten Mal. Er war nun im Konzentrationslager Majdanek.

 

Der Zug fuhr mit dem Rest seiner Familie weiter nach Auschwitz, wo sie unmittelbar nach der Ankunft in den Gaskammern ermordet wurden. In Majdanek litt David entsetzlich. Das Lager war extrem primitiv, und er wurde geschlagen, ausgehungert und beinahe zu Tode gearbeitet. Nach einem Monat wurde David nach Auschwitz transportiert, wo er den besten Freund seines Bruders Moshe, Marcel Keller, traf, der ihm berichtete, dass er Zeuge des Todes seiner älteren Brüder und seines Vaters geworden war.

 

Zu diesem Zeitpunkt war David am Boden zerstört, aber er ließ nicht zu, dass die Nazis seinen Willen brechen würden. Er war entschlossen, zu überleben! Durch unzählige Glücksfälle und einen starken Willen überlebte er zweieinhalb Jahre harte Arbeit, Krankheit, Folter und erlitt viele weitere unaussprechliche Mühen. Als die SS Auschwitz evakuierte, versteckte er sich unter den Stufen einer Baracke zusammen mit fünf anderen Männern und konnte so dem Todesmarsch entgehen. Die Russen befreiten ihn am 27. Januar 1945.

 

Nach dem Krieg blieb er in Polen, er studierte an der Universität Kraków und machte dort seinen Abschluss in Maschinenbau. Auf Grund des virulenten Antisemitismus, der nach dem Krieg weiter existierte, beschloss er, seinen Namen in Wladyslaw Rawa zu ändern.

 

Im Jahr 1956 konnte er in Israel einwandern. Dort kannte er niemanden und erlebte eine sehr harte Zeit mit der Sprache und der extremen Hitze. Er träumte davon, nach Kanada zu gehen, wo sein einziger lebender Verwandter wohnte. Der Bruder seiner Mutter, Peter Bornfreund, war vor dem Krieg mit falschen Papieren als Christ geflohen und nach Kanada eingewandert.

 

David erhielt die notwendigen Dokumente und war bereit, nach Kanada zu gehen. Aber es gab ein kleines Problem. Er hatte eine schöne junge Frau getroffen, Mina, die er heiraten wollte, und sie liebte Israel. Dies schreckte David nicht ab, der Mina erzählte, sie solle mit ihm nach Kanada gehen, in ein großes Land mit großen Möglichkeiten. Er heiratete die Liebe seines Lebens am 18. Dezember 1962 und wanderte im Oktober 1963 in Kanada ein.

 

In seinen Jahren in Kanada baute er langsam ein bescheidenes Leben für seine vierköpfige Familie auf. Er bekam zwei Kinder, die beide in Kanada geboren wurden. Seine Tochter Dori kam am 4. Mai 1966 und sein Sohn Leon am 28. Juli 1967 zur Welt. Beide erhielten ihre Namen in Erinnerung an seine geliebten Eltern. Er hat jetzt sechs Enkelkinder und lebt in Toronto, Kanada, zusammen mit seiner Frau Mina.

(Dori Ekstein / Leon Rawa, Walter Rawas Kinder; Übers. MN)



Im Arbeitsraum des Wollheim Memorials ist das Interview des Visual History Archive mit David Rosenbaum (Walter Rawa) einsehbar:

Walter Rawa, Lebensgeschichtliches Interview [Eng.], 7.4.1995. USC Shoah Foundation Institute, Survivors of the Shoah Visual History Archive, Code 1852.