Glossar

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Die Bilder des Thomas Geve (Pseud.)

„In 1946, when a flood of literature came out about events in war-time Europe, I looked at a stack of drawings of mine which portrayed the life of youth in German concentration camps. A year earlier they had been published by a journal in Switzerland, and now I wanted to put them to words.“[1]

 

Geboren im Herbst 1929 an der Ostsee, zog Thomas Geve (Pseud.) 1939 mit seiner Familie nach Berlin. Hier konnte er nur bis 1942, als die jüdische Schule schließen musste, am Unterricht teilnehmen. Anschließend musste er auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee Zwangsarbeit leisten, bis er gemeinsam mit seiner Mutter im Juni 1943 nach Auschwitz deportiert wurde. Sein Vater war 1939 nach England emigriert und versuchte verzweifelt und vergebens, seine Familie nachzuholen. Bei der Ankunft von seiner Mutter getrennt, sollte er in der Maurerschule im Stammlager das Maurerhandwerk lernen, um später auf der Baustelle der I.G. Farben in Monowitz eingesetzt werden zu können. Dazu kam es nicht mehr: Mit dem Nahen der Roten Armee räumte die SS Mitte Januar 1945 das Lager; beim Todesmarsch gelangte Thomas Geve schließlich ins KZ Buchenwald, wo er am 11. April 1945 von der U.S. Army befreit wurde.

 

Zwischen April und Juni 1945 zeichnete er, noch in Buchenwald, seine Erlebnisse in 79 Zeichnungen mit bunten Farbstiften und Wasserfarben auf der Rückseite von Formularen der Lagerverwaltung auf. Dabei halfen ihm die Informationen von Kameraden, die ihm beispielsweise berichteten, wie das KZ Buna/Monowitz, in dem Thomas Geve nie gewesen war, ausgesehen hatte. Er kam dann zunächst in ein Kinderheim in der Schweiz und fand seinen Vater wieder, der als Chirurg in London lebte. Seine Mutter hatte das Lager nicht überlebt. Thomas Geve zog nach London, setzte die Schule fort und studierte Bauingenieurswesen. Als ihn die Britische Armee einziehen wollte, emigrierte er, zwanzigjährig, nach Israel. Dort nahm er am Sinai-Feldzug 1956, am Sechstagekrieg 1967 und am Yom-Kippur-Krieg 1973 teil, heiratete und bekam Kinder.

 

Seine Bilder übergab Thomas Geve 1985 der Gedenkstätte Yad Vashem, wo sie restauriert wurden. Das erste Mal der Öffentlichkeit zugänglich waren sie im Rahmen einer Ausstellung 1995 in der Gedenkstätte Buchenwald, schließlich wurden sie 1997 veröffentlicht. Die Zeichnungen registrieren in dokumentierender Art und Weise Alltag und Vorschriften vor allem im Konzentrationslager Auschwitz. Ohne moralischen Appell und ohne personalisierte Erzählerposition zeigen sie als „illustrierte Erzählungen“[2] Abläufe der Entwürdigung und Bestrafung, die das Leben im KZ prägten. Drei der Bilder zeigen Ansichten aus dem KZ Buna/Monowitz.

 

Thomas Geve hat seitdem nicht wieder gezeichnet.

(SP)



Literatur

Geve, Thomas: Youth in Chains. Jerusalem: Rubin Mass 1958.

Geve, Thomas: Es gibt hier keine Kinder. Auschwitz, Groß-Rosen, Buchenwald. Zeichnungen eines kindlichen Historikers. Göttingen: Wallstein 1997.

Salmon, Irit: Thomas Geve – ein Kind-Historiker. In: Thomas Geve: Es gibt hier keine Kinder. Auschwitz, Groß-Rosen, Buchenwald. Zeichnungen eines kindlichen Historikers. Göttingen: Wallstein 1997, S. 19–23.

[1] Thomas Geve: Youth in Chains. Jerusalem: Rubin Mass 1958, S. VII.

[2] Irit Salmon: Thomas Geve – ein Kind-Historiker. In: Thomas Geve: Es gibt hier keine Kinder. Auschwitz, Groß-Rosen, Buchenwald. Zeichnungen eines kindlichen Historikers. Göttingen: Wallstein 1997, S. 19–23, hier S. 21.