Glossar

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Freddie Knoller (*1921)

Freddie Knoller, Videostill aus dem Interview für das Wollheim Memorial, 2007
'© Fritz Bauer Institut
Freddie Knoller, Videostill aus dem Interview für das Wollheim Memorial, 2007
© Fritz Bauer Institut
Familie Knoller
'© Freddie Knoller
Familie Knoller
© Freddie Knoller
 a  Perhaps it is only the first that I remember, perhaps they have all merged into one, a repeating nightmare which changes only in minor details. But with each the insignificance of my existence or non-existence in the eyes of the Germans was confirmed anew, and I therefore clung to life with opposing stubbornness.

(Freddie Knoller (with John Landaw): Desperate Journey. Vienna – Paris – Auschwitz. London: Metro 2002, S. 189.)

 

 b  Über die unmittelbare Nachkriegszeit schreibt Freddie Knoller:

They [the French authorities] offered us food when we arrived, but we refused: Suddenly there was too much food! Ever since liberation everyone had been feeding us. They wanted us to be normal again. Like them, but we were not like them.

(Freddie Knoller (with John Landaw): Desperate Journey. Vienna – Paris – Auschwitz. London: Metro 2002, S. 213.)

 

 c  I collected the suit, went to my room and immediately changed into it, but in the mirror I saw a stranger. The person I knew was the one in camp stripes. It was in those that I looked normal. This suit swamped me. ‘You scarecrow,’ my reflected image seemed to mock, ‘take that suit off! No suit will make you look fat again. Suits are not meant for you, as you can clearly see!’ Later I had my stripes cleaned, as a memento of that life which had once been normal. It was only when I went to America in 1947 that I could bring myself to cut them up, save for a piece of my jacket with my number and the red triangle of the nameless dead French political prisoner, both of which I have to this day.

(Freddie Knoller (with John Landaw): Desperate Journey. Vienna – Paris – Auschwitz. London: Metro 2002, S. 214.)

Every event in my story leads up to Auschwitz and no subsequent thought or action in my life is untouched by the memory of Auschwitz.[1]

 

Freddie Knoller, als jüngster von drei Söhnen einer jüdischen Familie 1921 in Wien geboren, verbrachte eine behütete Kindheit als Pfadfinder, Briefmarkensammler und Cellist im „Trio der Gebrüder Knoller“. Nach dem „Anschluss“ 1938 brachte der Vater, ein Buchhalter, seine Söhne außer Landes: über private Kontakte erhielt Eric, der Mittlere, ein Affidavit für die USA, der Älteste, Otto, gelangte illegal nach England, und Freddie wurde 17-jährig zu Fuß über die Grenze nach Belgien geschleust. Seine Eltern sah er nie wieder, nach dem Krieg erfuhr er, dass sie wahrscheinlich im Oktober 1944 in Auschwitz ermordet wurden. Nach der deutschen Invasion floh Freddie Knoller im Mai 1941 über die Grenze nach Frankreich, wurde verhaftet und in das Auffanglager St. Cyprien gebracht. Als dort die Cholera ausbrach, floh Freddie weiter nach Paris, wo er sich mit falschen Papieren als Fremdenführer für deutsche Soldaten auf dem Montmartre durchschlug, während seine Glaubensgenoss/innen den Judenstern tragen mussten und die Gestapo mit Verhaftungen und Deportationen begann (grandes rafles). Vor diesen flüchtete Freddie im Juli 1943 nach Südfrankreich und arbeitete für die Résistance. Er wurde jedoch verraten und ins Lager Drancy gebracht, von wo ihn die SS am 7. Oktober 1943 ins KZ Auschwitz deportierte.

 

Kurz darauf kam Freddie Knoller ins KZ Buna/Monowitz. Dort musste er zuerst im „Zementkommando“, dann im „Schlosserkommando“ bei miserabler Versorgung Schwerstarbeit leisten. Dank zusätzlicher Nahrung von Dr. Robert Waitz, Häftlingsarzt im Krankenbau, überstand er die Strapazen und die regelmäßigen Selektionen bis zum 18. Januar 1945.  a  Auf dem Todesmarsch wurde Freddie Knoller bis ins KZ Mittelbau-Dora getrieben, wo er für die deutsche Rüstungsindustrie arbeiten musste, und dann weiter ins Lager Bergen-Belsen. Als er von den Briten im April 1945 befreit wurde, wog er noch 41 kg.  b   c  

 

Etwas erholt gelangte Freddie Knoller nach Frankreich und fand seinen Bruder Eric, Soldat bei der U.S. Army, wieder. 1947 emigrierte er nach Amerika, wo er 1950 Freda, eine Britin, heiratete. Zwei Jahre später zog das Paar nach England, wo Freddie Knoller in der Textilbranche arbeitete. Erst nach 30 Jahren konnte er über seine Lagerzeit sprechen. 2002 erschien seine Autobiografie Desperate Journey. Vienna – Paris – Auschwitz. Seine beinahe unglaubliche Fluchtgeschichte durch Westeuropa und die schlimmen Bedingungen seiner Haft im Konzentrationslager schildert Freddie Knoller anschaulich und eindringlich: der Text erzählt das Erleben des abenteuerlustigen Jungen, der er zur Zeit der Besetzung Europas war, genau beobachtend und durchdrungen vom Willen, zu leben.

(SP)

 

 

Freddie Knoller, lebensgeschichtliches Interview

(Englisch)

 

 


Quelle

Freddie Knoller, Lebensgeschichtliches Interview [Eng.], 13.6.2007. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Norbert Wollheim Memorial.

 

Literatur

Knoller, Freddie (with John Landaw): Desperate Journey. Vienna – Paris – Auschwitz. London: Metro 2002.

[1] Freddie Knoller (with John Landaw): Desperate Journey. Vienna – Paris – Auschwitz. London: Metro 2002, S. 159.