Friedrich (Fritz) Gajewski (1885–1965)
F: Dann zeige ich Ihnen Dokument NI-13522. Dies bieten wir Ihnen an als Anklage-Exhibit Nr. 1957. Ich frage nunmehr, ob dies vielleicht Ihrem Gedächtnis nachhilft, dass Sie am gleichen Tage, als Dr. Ollendorf Ihnen mitteilte, dass er aus Deutschland auswandern wolle, der Gestapo schrieben sie solle den Mann verhaften und eine Haussuchung veranstalten.
A.: Das ist nicht der Fall. Ich habe schon vorher gesagt, dass wir das so gehandhabt haben […] Dr. Ollendorf ist dann auch durch meine Bemühungen herausgekommen, weil sich herausstellte, dass Ollendorf keine Unterlagen hatte.“
(Fritz Gajewski, Befragung durch Ankläger Amchan, 3.3.1947. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, Prot (d), reel 053, Bd. 23a, Bl. 8385–8410, hier Bl. 8409–8410.)
„Was seine Loyalität und seine persönliche Integrität angeht, so werden alle diejenigen, die Dr. Gajewski in Deutschland und im Ausland gekannt haben, der Anklagebehörde sagen, dass sie unrecht hat, und soweit Dr. Gajewskis Gefühle gegenüber Deutschland in Frage stehen, so liebte er sein Vaterland und diente ihm ebenso, wie ich annehme seine Kollegen in Amerika das ihre liebten und ihm dienten.“[1]
Friedrich (genannt Fritz) Gajewski wurde am 13. Oktober 1885 in Pillau, Preußen, als Sohn des Lehrers Wilhelm Gajewski geboren. Den Schulbesuch in Pillau und Königsberg musste er mit der Mittleren Reife beenden, weil sich sein Vater das Gymnasium nur für wenige seiner zwölf Kinder leisten konnte. Fritz Gajewski absolvierte eine Apothekerlehre. Nach dem Gehilfenjahr begann er 1905, Chemie und Pharmazie in Leipzig zu studieren, wo er 1910 mit der Promotion zum Dr. phil. abschloss. Anschließend leistete er seinen einjährigen Militärdienst. 1912 trat er in das Hauptlabor und die Färberei der BASF ein. Seine lebenslange Tätigkeit in der Chemieindustrie unterbrach er 1914–1917 für die Teilnahme am Ersten Weltkrieg. 1917 forderte ihn die BASF als Betriebsleiter der Gasfabrik Oppau zurück. Fritz Gajewski heiratete im selben Jahr Elisabeth Seckler. Das Paar bekam zwei Töchter.
1922 wurde er zum Prokuristen befördert, 1925 wurde er Assistent von Carl Bosch und Direktor der I.G. Farben. Fortan arbeitete er verstärkt im Bereich fotografischer Produkte: 1928 wurde er technischer Leiter der Agfa, ab 1930 übernahm er die Leitung der „Sparte III“ bei I.G. Farben (Fotografika, Kunstseide, Zellstoffprodukte). Als solcher war er zugleich Verbindungsmann zu Dynamit Nobel, deren Aufsichtsratsmitglied er zwischen 1936 und 1945 war. 1931 wurde er als stellvertretendes Mitglied in den Vorstand der I.G. Farben berufen, 1932–1945 war er ordentliches Vorstandsmitglied. 1933 trat Fritz Gajewski der NSDAP bei. Ab 1940 war er Mitglied des Südosteuropa-Ausschusses der I.G. In dieser Eigenschaft unternahm er zahlreiche Reisen zu den Produktionsstandorten der I.G. Farben, u.a. nach Tschechien, Ungarn und Rumänien. 1942 wurde er „Wehrwirtschaftsführer“.
Am 5. Oktober 1945 verhaftete ihn die U.S. Army. Im Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben wurde Fritz Gajewski angeklagt und in allen Punkten freigesprochen, obgleich der Prozess
die Denunziation von jüdischen Vorstandskollegen zutage förderte.
(SP)