Glossar

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Fritz Löhner-Beda (1883–1942)

Fritz Löhner-Beda (rechts), seine Ehefrau Helene und sein Schwiegervater Jakob Jellinek (links), 
'Bad Ischl, 1925
'© Jack Jellins
Fritz Löhner-Beda (rechts), seine Ehefrau Helene und sein Schwiegervater Jakob Jellinek (links),
Bad Ischl, 1925
© Jack Jellins

Buchenwaldlied

 

Wenn der Tag erwacht, eh die Sonne lacht,

die Kolonnen ziehn zu des Tages Mühn

hinein in den grauenden Morgen…

 

Und der Wald ist schwarz und der Himmel rot

und wir tragen im Brotsack ein Stückchen Brot

und im Herzen, im Herzen die Sorgen.

 

Halte Schritt, Kamerad, und verlier nicht den Mut,

denn wir tragen den Willen zum Leben im Blut

und im Herzen, im Herzen den Glauben.

 

O Buchenwald, ich kann dich nicht vergessen,

weil du mein Schicksal bist.

Wer dich verließ, der kann es erst ermessen,

wie wundervoll die Freiheit ist.

 

O Buchenwald, wir jammern nicht und klagen,

und was auch unsre Zukunft sei,

wir wollen trotzdem Ja zum Leben sagen,

denn einmal kommt der Tag, dann sind wir frei.

 

(Günther Schwarberg: Dein ist mein ganzes Herz: die Geschichte von Fritz Löhner-Beda, der die schönsten Lieder der Welt schrieb und warum Hitler ihn ermorden ließ. Göttingen: Steidl 2000, S. 146.) 

Buna-Lied

 

Steht am Himmel noch freundlich Frau Luna, 

erwacht das Lager der Buna,

steigt empor die schlesische Sonne,

marschiert die Arbeitskolonne.

Und auf Schritt und Tritt geht das Heimweh mit

und das schwere Leid dieser schweren Zeit,

doch die Arbeit winkt

und das Lied erklingt:

Nur die Arbeit macht uns frei,

an ihr geh’n die Sorgen vorbei,

nur die Arbeit lässt uns vergessen

alles das, was wir einst besessen.

Nur die Arbeit macht uns hart,

wenn uns das Schicksal genarrt,

und die Zeit vergeht und das Leid verweht,

nur das Werk unsrer Hände besteht.

 

Fritz Löhner-Beda wurde am 24. Juni 1883 in Wildenschwert/Usti nad Orlici in Böhmen als Friedrich Löwy geboren. 1888 ging die Familie nach Wien und benannte sich in Löhner um; viele seiner frühen Veröffentlichungen – Sketche, Satiren und Schlagertexte – zeichnete er mit Beda, einer Abkürzung von Bedřich (tschech. für Friedrich). Löhner-Beda hatte an der Wiener Universität Jura studiert, promoviert und dann eine Zeit in einer Anwaltskanzlei gearbeitet, aber sein eigentliches Interesse galt Musik, Dichtung und Kabarett. In den 1910er und 1920er Jahren avancierte Fritz Löhner-Beda zu einem der bekanntesten Schlagertexter (z.B. „Ich hab’ mein Herz in Heidelberg verloren“) und Operettenlibrettisten Wiens. Er arbeitete eng mit Franz Léhar zusammen, für den er u.a. das Libretto zu Land des Lächelns (1929) schrieb. 1919 wurde sein Sohn Bruno aus der Beziehung mit Anni Strassmann geboren; Bruno gelang es in den 1930er Jahren, in die USA zu immigrieren. 1925 heiratete Fritz Löhner-Beda Helene Jellinek, 1927 kam Liselotte, 1929 Evamaria zur Welt.

 

Nach dem „Anschluss“ Österreichs wurde Fritz Löhner-Beda schnell aus der österreichischen Musikszene ausgeschlossen, viele der nicht-jüdischen Freunde und Kollegen distanzierten sich. Léhar unternahm nichts, um dem bereits am 13. März 1938 in Wien verhafteten und am 1. April 1938 ins KZ Dachau deportierten Löhner-Beda zu Hilfe zu kommen, vielmehr biederte er sich in den folgenden Jahren bei den NS-Machthabern an. Am 23. September 1938 wurde Fritz Löhner-Beda von Dachau ins KZ Buchenwald deportiert, wo er zusammen mit Hermann Leopoldi das „Buchenwaldlied“ schrieb. Am 31. August 1942 wurden seine Frau Helene und die Töchter Liselotte und Evamaria, nun dreizehn und vierzehn Jahre alt, von Wien nach Minsk deportiert, wo sie in Gaswagen ermordet wurden. Am 17. Oktober 1942 wurde Fritz Löhner-Beda mit vielen anderen Häftlingen zusammen nach Auschwitz deportiert, wo er für I.G. Farben beim Aufbau ihrer Buna-Fabrik Zwangsarbeit leisten musste. Dort schrieb er das „Buna-Lied“. Doch bereits nach wenigen Wochen erschien Fritz Löhner-Beda den I.G. Farben-Direktoren nicht mehr „arbeitsfähig“. Über seinen Tod am 4. Dezember 1942 berichtete sein Mithäftling Raymond van den Straaten im Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben:

 

„Eines Tages begaben sich zwei Buna-Häftlinge, Dr. Raymond van den Straaten und Dr. Fritz Löhner-Beda an ihre Arbeit, als eine aus I.G. Farben-Größen bestehende Besuchergruppe des Wegs kam. Einer der Direktoren wies auf Dr. Löhner-Beda und sagte zu seinem SS-Begleiter: ‚Diese Judensau könnte auch rascher arbeiten.‘ Darauf bemerkte ein anderer I.G.-Direktor: ‚Wenn die nicht mehr arbeiten können, sollen sie in der Gaskammer verrecken.‘ Nachdem die Inspektion vorbei war, wurde Dr. Löhner-Beda aus dem Arbeitskommando geholt, geschlagen und mit Füßen getreten, daß er als Sterbender zu seinem Lagerfreund zurückkam und sein Leben in der I.G.-Fabrik Auschwitz beendete.“[1]

 

Schon 1945 wurden in Wien wieder Léhar-Operetten mit Fritz Löhner-Bedas Libretti aufgeführt, doch wie auch bei den Aufführungen während des Nationalsozialismus findet der Librettist in Programmheften häufig keinerlei Erwähnung, auch sein Tod nicht.

(MN)

 

 

Fototafel von Fritz Löhner-Beda



Literatur

Hilberg, Raul: Die Vernichtung der europäischen Juden. Frankfurt am Main: Fischer 1990.

Schwarberg, Günther: Dein ist mein ganzes Herz: die Geschichte von Fritz Löhner-Beda, der die schönsten Lieder der Welt schrieb und warum Hitler ihn ermorden ließ. Göttingen: Steidl 2000.

[1] Raul Hilberg: Die Vernichtung der europäischen Juden. Frankfurt am Main: Fischer 1990, S. 994.