Fototafeln im Park des I.G. Farben-Hauses
Am Ort sichtbarer Bestandteil des Norbert Wollheim Memorials ist eine Fotoinstallation im Park des I.G. Farben-Gebäudes. Fotografien von Menschen, die in den 1940er Jahren aus ganz Europa nach Auschwitz deportiert wurden und im KZ Buna/Monowitz für die I.G. Farben Zwangsarbeit leisten mussten, wurden in etwa 1qm große Metallplatten gefräst. Diese sind teils mit schwarzer Farbe überzogen, so dass die Kontraste der Schwarzweißfotografien aufgenommen werden.
Auf den Bildtafeln sind in roter Farbe die späteren Häftlingsnummern, die die Abgebildeten im KZ Buna/Monowitz erhielten, eingetragen, so dass visuell ein Bruch in der fotografierten Alltagsszene, im abgebildeten Leben der Vorkriegszeit angezeigt wird. Jede der Tafeln erhielt einen Platz in einer der vorhandenen Baumgruppen im Park.
Die ausgewählten Bilder sollen in der Verschiedenartigkeit ihrer Motive und ihrer Entstehungsorte die Vielfalt der durch die nationalsozialistische Judenverfolgung zerstörten Lebenswelten in Europa aufscheinen lassen, ohne dass sie je im Stande sein könnten, die Ermordeten und ihren Alltag auch nur annähernd zu repräsentieren. Vielmehr wird durch die Fotografien im Park eine visuelle Identifikation angeregt, eine emotionale Annäherung durch die gleichzeitige Vertrautheit und Fremdheit der abgebildeten Szenen angeboten. Die Aussagelosigkeit der Fotografien für diejenigen, die die Abgebildeten nicht kennen und nichts über sie wissen, behauptet zugleich einen allgemeinen Anspruch der ausgewählten Fotografien auf ein unbewusstes Wiedererkennen dieser alltäglichen Szenen und damit eine Gegenwärtigkeit des Abgebildeten, auf assoziative Bezüge zum alltäglichen Leben der Betrachtenden: eine Familie am Küchentisch; zwei kleine Jungen mit ihrem Spielzeug; ein Mann in Boxerhaltung; zwei junge Männer auf Skiern vor einer Hütte; zwei junge Männer mit einer Schubkarre im Schnee; ein älteres Paar auf einer Parkbank, der Mann hält eine Zeitung; ein Junge mit einer jungen Frau im Gewächshaus.
Und doch weisen die Gedrängtheit in der Küche, die Hosenträger des Jungen, die Art des Spielzeugs oder die Form der Skier darauf hin, dass die Szenen dieser Fotografien Geschichte sind. Durch die unkommentierte Eintragung der späteren Häftlingsnummern in rot werden Fragen nach dem Leben der Abgebildeten aufgeworfen, sowohl derjenigen, denen diese Nummern auf den Bildtafeln zugeordnet sind, als auch der anderen, die meist Angehörige, Eltern, Geschwister sind. Aus einem Moment der Verunsicherung über den Grund der Bildtafeln können Neugier und Interesse an der Geschichte der Abgebildeten entstehen – auch an den Geschichten derer, von denen keine Bilder mehr existieren. Diese Lebensgeschichten der Ermordeten und der Überlebenden von Buna/Monowitz stehen im Zentrum des „Ortes der Information“, wo sie durch Interviews mit Überlebenden und durch eine bilinguale Website zugänglich gemacht werden.
(SD/MN/SP)
Biografien der Abgebildeten: