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Max Kimmelstiel (1920–1944)

Familie Kimmelstiel: Fritz, Max, Karolina und Albert am Esstisch, Nürnberg, 1941
'© Albert Kimmelstiel
Familie Kimmelstiel: Fritz, Max, Karolina und Albert am Esstisch, Nürnberg, 1941
© Albert Kimmelstiel

Max Kimmelstiel wurde 1920 geboren, er kam gehörlos zur Welt. Er lebte zusammen mit seinen Eltern, Karoline (geb. Reinhold) und Fritz Kimmelstiel, und seinen beiden Brüdern Justin und Albert Kimmelstiel in Forth in Franken, wie die Familie seit vielen Generationen. Die Mutter betreute ein Haushaltswarengeschäft, der Vater arbeitete als Viehhändler. Von 1926 bis 1936 besuchte Max Kimmelstiel die Israelitische Taubstummenanstalt in Berlin. Mit Hitlers Machtergreifung wurde die Situation finanziell schwieriger, und nachdem 1935 Julius Streicher im Ort eine antisemitische Hetzrede gehalten hatte, sprach niemand mehr mit der Familie. Nur ihre Haushaltshilfe bot der Familie Essen und ihre ganzen Ersparnisse an. 1936 gelang es dem ältesten Bruder Justin, nach Argentinien auszuwandern. Der Rest der Familie konnte ihm nicht nachfolgen, da der gehörlose Max nicht aufgenommen worden wäre. Max Kimmelstiel begann, nachdem er aus Berlin zu seiner Familie zurückgekehrt war, eine Schneiderlehre. 1938 musste die Familie ihr Haus in Forth verkaufen und nach Nürnberg ziehen, wo Albert schon zuvor die Schule besucht hatte. Max Kimmelstiel war immer gern ins Kino gegangen, zu den Stummfilmen, und verstand nicht, warum er das auf einmal nicht mehr durfte.

 

Am 29. November 1941 wurde Familie Kimmelstiel deportiert, über das Sammellager Langwasser kamen sie im Dezember 1941 ins KZ Jungfernhof bei Riga. Am 26. März 1942 wurden die Eltern weggebracht, die letzten Worte der Mutter an Albert waren: „Pass auf Max auf!“ Fritz und Karoline Kimmelstiel wurden in einem Wald in der Nähe von Jungfernhof von der SS erschossen. Max und Albert mussten Zwangsarbeit in der Landwirtschaft leisten, bis sie im September 1943 ins Ghetto Riga kamen. Von dort wurden die Brüder im November 1943 von der SS in Viehwaggons nach Auschwitz deportiert. Für die dreitägige Fahrt erhielt jeder ein Brot und etwas Wasser. Nach vier Wochen Quarantäne in Auschwitz-Birkenau kamen Max und Albert ins KZ Buna/Monowitz. Albert Kimmelstiel arbeitete im Schlosserkommando und lernte Norbert Wollheim kennen. Wollheim half ihm, seinen Bruder Max aus einem Außenkommando herauszuholen: Max Kimmelstiel konnte die Marschmusik nicht hören und erhielt dauernd Schläge, weil er in der Marschkolonne zur Arbeit aus dem Takt geriet. Von da an arbeitete er in der Lagerküche. Am 21. März 1944 selektierte die SS alle Gehörlosen im KZ Buna/Monowitz, unter ihnen Max Kimmelstiel, und ermordete sie in den Gaskammern von Birkenau. Albert Kimmelstiel überlebte Buna/Monowitz und wanderte 1947 in die USA aus.

(MN)

 

 

Fototafel von Max und Albert Kimmelstiel



Quellen

Albert Kimmelstiel, Lebensgeschichtliches Interview [Eng.], 13.11.1995. USC Shoah Foundation Institute, Survivors of the Shoah Visual History Archive, Code 8744.

Albert Kimmelstiel, Lebensgeschichtliches Interview [Eng.], 25.6.2007. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Norbert Wollheim Memorial.