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Ernst Frankenthal (1924–1993)

Fototafel von Ernst und Hans Frankenthal'© Fritz Bauer Institut
Fototafel von Ernst und Hans Frankenthal
© Fritz Bauer Institut

 a  Sein Bruder Hans erzählte später: „Ernst und ich waren nach der Befreiung in den Ort unserer Kindheit, nach Schmallenberg zurückgekehrt – wir hatten das Vermächtnis meines Vaters eingehalten. Seine letzten Worte an der Rampe in Auschwitz höre ich noch heute: ‚Ich werde das nicht überleben, ich bin zu alt. Solltet ihr überleben, geht nach Schmallenberg zurück.‘ Verflucht habe ich viele, viele Jahre diesen Satz.“

(Hans Frankenthal: Verweigerte Rückkehr. Erfahrungen nach dem Judenmord. U. M. v. Andreas Plake / Babette Quinkert / Florian Schmaltz. Frankfurt am Main: Fischer 1999, S. 95.)

Ernst Frankenthal wurde am 18. Juli 1924 in Schmallenberg im Sauerland als erster Sohn von Max und Adele Frankenthal geboren. Zwei Jahre später kam sein Bruder Hans Frankenthal zur Welt. Der Vater war Viehhändler, die Mutter kümmerte sich um Haus und Kinder. Das Leben der Brüder spielte sich zwischen Schule, Hof und den ansässigen Vereinen ab, im Ort war die Familie geachtet. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten im Januar 1933 wurde ihr Leben zunehmend eingeschränkt, der Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933 traf den Viehhandel des Vaters hart. Er, ein „stolzer deutscher Jude“[1] und Weltkriegsteilnehmer, glaubte jedoch, dass ihm nichts passieren würde. Am 10. November 1938 wurde Max Frankenthal von der Gestapo verhaftet. Seine Ehefrau wurde gezwungen, den Besitz der Familie verdienten Nazis zu ‚verkaufen‘. Max Frankenthal kam als gebrochener Mann aus dem KZ zurück. Im Sommer 1939 musste die Familie Frankenthal ihr ‚arisiertes‘ Haus verlassen und in die Enge eines sogenannten „Judenhauses“ in Schmallenberg umziehen.

 

Im Sommer 1940 musste Ernst Frankenthal mit 16 Jahren die Schule verlassen. Er begann eine Schlosserausbildung in Dortmund, bis die Berufsschule geschlossen wurde. Gemeinsam mit seinem Vater und seinem Bruder Hans wurde er anschließend bei unzureichender Ernährung und schlechter Unterkunft zu Schwerstarbeit im Straßenbau gezwungen. Am 26. Februar 1943 erhielten die Brüder die Anweisung, sich bei der Gestapo in Dortmund zu melden. Tags darauf trafen Hans und Ernst Frankenthal dort ihre Eltern wieder, wurden am hellichten Tag durch Dortmund abgeführt und in Viehwaggons nach Auschwitz deportiert. Bei der Ankunft am 1. März 1943 selektierte die SS nur die Söhne zur Zwangsarbeit im KZ Buna/Monowitz, die Eltern wurden direkt nach der Ankunft in den Gaskammern von Birkenau ermordet. Die letzten Worte des Vaters waren: „Ich werde das nicht überleben, ich bin zu alt. Solltet ihr überleben, geht nach Schmallenberg zurück.“[2]

 

Aufgrund seiner Schlosserausbildung kam Ernst Frankenthal zur Arbeit in der Hochmontage von Stahlträgern. Er erkrankte im August 1943 an Gelbsucht und wurde im Häftlingskrankenbau behandelt. Sein Bruder Hans warnte ihn rechtzeitig vor einer bevorstehenden Selektion und rettete ihm so das Leben. Am 18. Januar 1945 wurde Ernst Frankenthal gemeinsam mit seinem Bruder Hans und tausenden weiteren Häftlingen auf den Todesmarsch getrieben. Im KZ Mittelbau-Dora musste er in der Waffenproduktion arbeiten. Am 3. April 1945 gelang ihm mit Hans nach einem alliierten Luftangriff die Flucht, drei Tage später wurden sie jedoch eingefangen, der Gestapo übergeben und in das Konzentrationslager der Leunawerke der I.G. Farbenindustrie eingeliefert. Von dort wurden sie Mitte April erneut deportiert. Nach einem weiteren Transport ins KZ Theresienstadt erlebte Ernst Frankenthal dort die Befreiung durch die Rote Armee.

 

Getreu dem Wunsch des Vaters kehrten die Brüder Ernst und Hans Frankenthal nach Schmallenberg zurück.  a  Die Nachkriegszeit war schwierig, auch weil die Schmallenberger nichts von der Vernichtung der europäischen Juden wissen wollten und ihnen nicht glaubten, was sie ab und zu erzählten. Ernst Frankenthal heiratete seine Jugendliebe Margot Menzel, eine Überlebende der Konzentrationslager. Mit ihr bekam er zwei Kinder. Das Paar zog 1953 nach Münster, wo er zunächst ein Feinkostgeschäft, später einen Tabakladen b etrieb. Über die Lagerhaft sprach Ernst Frankenthal nur selten. Er starb 1993.

(SP)

 

 

Fototafel von Ernst und Hans Frankenthal 



Literatur

Frankenthal, Hans: Verweigerte Rückkehr. Erfahrungen nach dem Judenmord. U. M. v. Andreas Plake / Babette Quinkert / Florian Schmaltz. Frankfurt am Main: Fischer 1999.

[1] Hans Frankenthal: Verweigerte Rückkehr. Erfahrungen nach dem Judenmord. U. M. v. Andreas Plake / Babette Quinkert / Florian Schmaltz. Frankfurt am Main: Fischer 1999, S. 17.

[2] Frankenthal: Verweigerte Rückkehr, S. 48.