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Henri Sonnenbluck (*1927)

Henri Sonnenbluck mit seinen Lebenserinnerungen, 2008
'© Jessica Schäfer
Henri Sonnenbluck mit seinen Lebenserinnerungen, 2008
© Jessica Schäfer

„Je n’oublie rien. Je ne pardonne rien.“[1]

 

Henri Sonnenbluck wurde am 20. Februar 1927 in Borgerhout, Belgien, als erster Sohn der polnischen Einwanderer Wolf Sonnenbluck und Chana Malka Insel aus Galizien geboren. Henri Sonnenbluck war eine Leseratte. In den Ferien fuhr die Familie oft in den Küstenort Middelkerke.

 

Henri Sonnenbluck besuchte die jüdische Schule in Antwerpen/Anvers, als einziger seiner Familie sprach er französisch und musste daher viele Aufgaben im Alltag übernehmen. Als die deutsche Wehrmacht am 10. Mai 1940 Belgien angriff, floh die Familie an die belgische Küste und weiter nach Nordfrankreich; von den Behörden wurden sie zur Rückreise nach Belgien gedrängt. Henri Sonnenbluck, sein Bruder Meir und seine Eltern versteckten sich in Hoboken. Am 23. September 1943 wurden sie verhaftet und in das Gefängnis von Antwerpen/Anvers gebracht, wo Henri Sonnenbluck sechs Wochen in einer Sammelzelle eingesperrt war. Seinen Vater sah er nie wieder. Sein jüngerer Bruder kam in ein Heim für jüdische Kinder und überlebte. Beim Transport nach Mechelen/Malines traf er seine Mutter wieder. In den neun Wochen Gefangenschaft dort kam Henri Sonnenbluck mit ehemaligen Kämpfern der Internationalen Brigaden in Kontakt. Als er am 15. Januar 1944 mit dem XXIII. Transport nach Auschwitz deportiert wurde, schmuggelten Wartungsarbeiter für den Widerstand einige Werkzeuge in den Waggon No. 6, damit die Deportierten während des Transports ein Loch in den Waggon sägen und fliehen konnten. Mitreisende verhinderten den Versuch aus Angst vor schlimmen Strafen.

 

In Auschwitz, bei der Selektion am Bahnhof, gab Henri Sonnenbluck sein Alter mit 16 Jahren an und kam ins KZ Buna/Monowitz, wo ihm die Häftlingsnummer 172.401 tätowiert wurde. Seine Mutter wurde direkt nach der Ankunft vergast. Er überlebte „aus purem Zufall“, wie er selbst sagt – weil er einem Bauingenieur namens Tietze oder Dietze oder von Tietzen zugeteilt wurde, der ihm heimlich Essen gab und ihn keine schweren Arbeiten verrichten ließ.

 

Als die SS die Häftlinge am 18. Januar 1945 auf den Todesmarsch trieb, gelangte Henri Sonnenbluck ins KZ Mauthausen. In den letzen Kriegstagen im Mai 1945 wurde das Lager in den Wald „evakuiert“. Am 5. Mai 1945 flohen die SS-Offiziere und ließen die Häftlinge zurück. Amerikanische Soldaten fanden die Gruppe und brachten sie ins Lazarett. Doch Henri Sonnenbluck wollte trotz seines schlechten gesundheitlichen Zustandes sofort nach Belgien zurückkehren und organisierte sich einen Flug nach Laon in Frankreich. Von dort gelangte er nach Charleville ins Zentrum für Repatriierung, wo er langsam gesund wurde. Nach nur drei Wochen nahm er den Zug nach Brüssel und lief am Bahnhof seiner Tante in die Arme, die dort täglich auf die Rückkehr von Familienmitgliedern hoffte.

 

Nach dem Krieg studierte Henri Sonnenbluck Typografie. Er arbeitete als Aushilfe bei einem Rechtsanwalt und begann gleichzeitig, das „Cercle d'education populaire“ in Brüssel – ein Weiterbildungszentrum – aufzubauen. Da dies erfolgreich war, gab er seine Stellung in der Anwaltskanzlei auf.

 

Heute lebt Henri Sonnenbluck mit seiner Frau Sarah (geb. Arbuz) in Brüssel und spricht als Zeitzeuge auf öffentlichen Veranstaltungen über die Verbrechen in Auschwitz. 1990 veröffentlichte er seine Erinnerungen unter dem Titel „J’avais 16 ans à Auschwitz“. Die Initiative „Compagnons pour la mémoire“ führte 2005 ein siebenstündiges lebensgeschichtliches Interview mit Henri Sonnenbluck, das im Arbeits- und Archivraum des Wollheim-Memorials und im Dokumentationszentrum des Jüdischen Deportations- und Widerstandsmuseums in Mechelen/Malines einsehbar ist.

(SD)



Quellen

Henri Sonnenbluck, Lebensgeschichtliches Interview [Frz.], 28.10.1998. USC Shoah Foundation Institute, Survivors of the Shoah Visual History Archive, Code 49157.

Henri Sonnenbluck, Lebensgeschichtliches Interview [Frz.], 2005. „Compagnons pour la mémoire“, Dokumentationszentrum des Jüdischen Deportations- und Widerstandsmuseums Mechelen/Malines.

 

Literatur

Sonnenbluck, Henri: J’avais 16 ans à Auschwitz. Bruxelles: Cercle d’education populaire 1990.

[1] Henri Sonnenbluck: J’avais 16 ans à Auschwitz. Bruxelles: Cercle d’education populaire 1990, S. 1.