Glossar

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Kriegsgefangene im ‚Arbeitseinsatz‘ des Dritten Reichs

Mit den Erfolgen der Wehrmacht bis 1941 stand dem Deutschen Reich eine große Zahl von Kriegsgefangenen zur Verfügung; gemäß der Haager Landkriegsordnung konnten kriegsgefangene Mannschaftsgrade bei gesundheitlicher Eignung zur zivilen Arbeit eingesetzt werden. Dies geschah zunächst in der Landwirtschaft; später mussten Kriegsgefangene jedoch vermehrt im Bergbau, in der Bauwirtschaft und in der Industrie, darunter auch in Rüstungsbetrieben, arbeiten. Bis Ende April 1941 waren rund 1,3 Millionen Kriegsgefangene „zur Arbeit kommandiert.“[1] Obwohl offiziell gleichberechtigt und unter dem Schutz der Genfer Konvention oder zumindest, im Fall sowjetischer Gefangener, der Haager Landkriegsordnung stehend, sahen sich Gefangene der deutschen Wehrmacht mit völkerrechtswidrigen Vorschriften und der nationalsozialistischen Rassenhierarchie konfrontiert: Während westalliierte Gefangene in der Regel ordentlich behandelt wurden und etwa saubere Unterkünfte und Hilfspakete des Internationalen Roten Kreuzes erhielten, ging es besonders den sowjetischen Gefangenen deutlich schlechter, sie mussten schwere Arbeiten unter lebensgefährlichen Bedingungen und bei miserabler Versorgung erledigen, viele von ihnen wurden vorsätzlich ermordet. Auch von Löhnen und Leistungszulagen, die andere Kriegsgefangene erhalten konnten, waren sie ausgenommen.

Im Einzelnen sah der ‚Arbeitseinsatz‘ gefangener Soldaten folgendermaßen aus:

 

Polen:

Nach dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 gerieten ca. 420.000 polnische Soldaten in deutsche Kriegsgefangenschaft. Die meisten von ihnen entließ die Wehrmacht aus der Kriegsgefangenschaft, wodurch sie den Schutz durch die Bestimmungen der Genfer Konvention verloren. Solchermaßen in den Zivilstatus überführt, wurden 300.000 von ihnen in Arbeitsverhältnisse gezwungen und vornehmlich in der deutschen Landwirtschaft beschäftigt.

 

Frankreich und Benelux-Länder:

Anfang 1940 wurden belgische und französische Kriegsgefangene zur Arbeit eingesetzt. Insbesondere aus Frankreich wurden bis September 1944 rund 1,6 Millionen Kriegsgefangene zur Arbeit nach Deutschland verschleppt; weitere 90.000 dunkelhäutige Gefangene wurden in Frankreich zur Arbeit etwa in der Automobilindustrie gezwungen. Ihre Behandlung wich in einigen Punkten (beispielsweise im Verbot des Einsatzes in der Rüstungsindustrie) von den Vorschriften der Genfer Konvention ab, da die Vichy-Regierung auf eine Betreuung der Kriegsgefangenen durch ihre Schutzmacht verzichtete.

 

Sowjetunion:

Nach dem Überfall auf die Sowjetunion gelangten im Herbst 1941 diejenigen Kriegsgefangenen in deutsche Betriebe, die noch nicht in Gefangenenlagern der Wehrmacht ums Leben gekommen waren: bis Februar 1942 waren 2 Millionen der bis dato 3,35 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen in deutschen Kriegsgefangenenlagern an Unterernährung, Seuchen, den miserablen Lebensbedingungen und Mord umgekommen. Eine Million Kriegsgefangener wurde zunächst entlassen, allerdings unmittelbar darauf zur Zwangsarbeit verpflichtet. Von insgesamt 7,5 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen kamen 3,3 Millionen in deutschem Gewahrsam um. Bei ihrer Behandlung wurden nicht nur alle internationalen Vereinbarungen zur Behandlung feindlicher Gefangener, sondern auch grundsätzliche Menschenrechte missachtet.

 

Italien:

Nach dem Seitenwechsel Italiens wurden auch die sogenannten Italienischen Militärinternierten ihres Status als Kriegsgefangene beraubt und als „Verräter“[2] unter meist sehr schlechten Bedingungen zur Zwangsarbeit eingesetzt.

 

Großbritannien:

Britische Kriegsgefangene wurden ebenfalls zur Arbeit eingesetzt, in der Regel fand in ihrer Behandlung jedoch die Genfer Konvention Anwendung; ein Teil von ihnen war auch auf der Baustelle der I.G. Farben in Auschwitz eingesetzt, in völkerrechtswidriger Arbeit für die Rüstungsindustrie.

(SP)



Literatur

Eichholtz, Dietrich: Zwangsarbeit in der deutschen Kriegswirtschaft (unter besonderer Berücksichtigung der Rüstungsindustrie). In: Ulrike Winkler (Hg.): Stiften gehen. NS-Zwangsarbeit und Entschädigungsdebatte. Köln: PapyRossa 2000, S. 10–40.

Maier, Dieter G.: Arbeitsverwaltung und NS-Zwangsarbeit. In: Ulrike Winkler (Hg.): Stiften gehen. NS-Zwangsarbeit und Entschädigungsdebatte. Köln: PapyRossa 2000, S. 67–84.

Spoerer, Mark: Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz. Stuttgart/München: DVA 2001.

[1] Dieter G. Maier: Arbeitsverwaltung und NS-Zwangsarbeit. In: Ulrike Winkler (Hg.): Stiften gehen. NS-Zwangsarbeit und Entschädigungsdebatte. Köln: PapyRossa 2000, S. 67–84, hier S. 78.

[2] Maier: Arbeitsverwaltung, S. 79.