Glossar

Fahren Sie mit der Maus über ein rotes Wort im Haupttext, um den Glossareintrag für dieses Wort zu sehen.

Häftlingsnummer

Stoffstreifen mit der Häftlingsnummer Norbert Wollheims'© United States Holocaust Memorial Museum (Wollheim-Nachlass)
Stoffstreifen mit der Häftlingsnummer Norbert Wollheims
© United States Holocaust Memorial Museum (Wollheim-Nachlass)

Nur diejenigen Deportierten, die bei der Ankunft in Auschwitz nicht zur direkten Ermordung in den Gaskammern selektiert wurden, erfasste die SS mit Nummern. Jeder Häftling erhielt eine fortlaufende Nummer, unter der er/sie anstatt mit seinem/ihrem Namen fortan im Lager verwaltet und angesprochen wurde. Es gab getrennte Nummernserien für Männer und Frauen; später auch noch Serien für besondere Kategorien von Häftlingen, wie die „Z“-Nummern für ab 26. Februar 1943 in das sog. „Zigeuner-Lager“ von Birkenau eingelieferte Häftlinge oder „R“-Nummern bis 11.957, wie sie russische Kriegsgefangene ab 7. Oktober 1941 erhielten.

 

Für Männer gab es in Auschwitz drei Serien: mit der allgemeinen Nummernserie von 1 – 202499 wurden von Mai 1940 bis zum 18. Januar 1945 Häftlinge erfasst; die „A“-Serie erfasste von Mai bis August 1944 20.000 Häftlinge, die „B“-Serie vom 31. Juli bis Anfang November 1944 14.479 Häftlinge. „A“- und „B“-Serie wurden ab Mai 1944 für sog. „Transportjuden“ eingeführt, die das Reichssicherheitshauptamt nach Auschwitz bringen ließ. Seit der Anfangszeit des KZ Auschwitz wurden die Häftlinge durch Nummern auf der Kleidung gekennzeichnet. Ab Mitte 1942 wurde jüdischen Häftlingen die Häftlingsnummer auf den linken Unterarm tätowiert. Ab 1943 wurden alle Häftlinge, die keine „Reichsdeutschen“ waren, tätowiert. Nur in Auschwitz wurde den Häftlingen die Nummer tätowiert, in anderen KZ hatten sie ihre Häftlingsnummer nur auf der Kleidung zu tragen.

 

Neben der Tätowierung erfolgte die Kennzeichnung auf der Kleidung im KZ Buna/Monowitz durch zwei ca. 4 cm breite und ca. 12 cm lange Stoffstreifen, die der Häftling auf der linken Brustseite der Jacke und am rechten Hosenbein auf Höhe der Hosentasche anzubringen hatte. Die Stoffstreifen zeigten neben der Nummer einen Winkel, der den „Haftgrund“ des Häftlings angab. Die Kombination aus Winkel und Häftlingsnummer ermöglichte der SS und auch erfahrenen Häftlingen die schnelle Einschätzung der Position eines Häftlings und damit häufig auch seiner Überlebenschancen.

 

Die Höhe der Nummer ließ erkennen, wie lange ein Häftling schon im Lager war, und unter Umständen, wo er herkam. Die Häftlinge des Buna-Außenkommandos, unter ihnen David Rosenbaum (Nummer 44124), der im Juni 1942 nach Auschwitz deportiert wurde, hatten noch ‚niedrige‘ Nummern. Im KZ Buna/Monowitz erhielten die ersten Häftlinge, die aus Buchenwald, Sachsenhausen und anderen Lagern des „Altreichs“ im Oktober 1942 dorthin kamen, 67- und 68-Tausender-Nummern, so z.B. Fritz Löhner-Beda die Nummer 68561. Als im März 1943 die norwegischen Juden, unter ihnen Julius Paltiel (105362), und die letzten Berliner Juden nach Auschwitz deportiert wurden, unter ihnen Norbert Wollheim (107984), lagen die Nummern schon zwischen 104530 und 112107. Im April 1943 deportierte die SS die große jüdische Gemeinde Salonikis, Griechenland, nach Auschwitz, darunter Ya’acov Handeli (115003) mit seinen Eltern und Geschwistern. Im September 1943 wurden viele französische Juden, unter ihnen Victor „Young“ Perez (157178) aus Drancy, ins KZ Buna/Monowitz deportiert. Zur selben Zeit begann die SS, die Ghettos in Polen, so Tarnów, von wo Herbert Kalter (161306) im November 1943 nach Buna/Monowitz deportiert wurde, und im Baltikum aufzulösen. So wurden, ebenfalls im November 1943, die Brüder Albert (160761) und Max Kimmelstiel (160762) aus Riga, wohin die SS sie im Dezember 1941 mit ihren Eltern deportiert hatte, nach Auschwitz gebracht. Im Sommer 1944 deportierte die SS innerhalb weniger Wochen 500.000 Juden und Jüdinnen aus Ungarn und ungarisch besetzten Gebieten nach Auschwitz. Unter ihnen kamen im Mai 1944 Aleksandar Ribner (186967) aus der ungarisch besetzten Vojvodina und Benjamin Grünfeld (A-8979) aus dem ungarisch besetzten Teil Rumäniens ins KZ Buna/Monowitz. Vor der vorrückenden Roten Armee löste die SS im Spätsommer 1944 die verbliebenen Ghettos auf, darunter Kielce, aus dem Alexander Feingold (B-3005) im August 1944 deportiert wurde. Auch die Häftlinge der Zwangsarbeitslager im östlichen Teil Polens wurden nach Auschwitz verschleppt, unter ihnen Marcel Ginzig (B-4961) aus Ostrowiec bei Kielce ins KZ Buna/Monowitz.

(MN)



Quellen

Alexander Feingold, Lebensgeschichtliches Interview [Eng.], 26.7.1995. USC Shoah Foundation Institute, Survivors of the Shoah Visual History Archive, Code 4383.

Marcel Ginzig, Lebensgeschichtliches Interview [Hebr.], 25./26.7.2007. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Norbert Wollheim Memorial.

Benjamin Grünfeld, Lebensgeschichtliches Interview [Schw.], 12.1.2008. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Norbert Wollheim Memorial.

Ya’acov (Jack) Handeli, Lebensgeschichtliches Interview [Eng.], 1.8.2007. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Norbert Wollheim Memorial.

Herbert Kalter, Lebensgeschichtliches Interview [Eng.], 17.5.1995. USC Shoah Foundation Institute, Survivors of the Shoah Visual History Archive, Code 2698.

Albert Kimmelstiel, Lebensgeschichtliches Interview [Eng.], 25.6.2007. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Norbert Wollheim Memorial.

Julius Paltiel, Lebensgeschichtliches Interview [Norw.], 7./8.6.2007. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Norbert Wollheim Memorial.

[Posener, Curt]: Zur Geschichte des Lagers Auschwitz-Monowitz (BUNA). Unveröffentlichtes Manuskript, undatiert, 53 Seiten. Archiv des Fritz Bauer Instituts.

Walter Rawa, Lebensgeschichtliches Interview [Eng.], 7.4.1995. USC Shoah Foundation Institute, Survivors of the Shoah Visual History Archive, Code 1852.

Miroslav Ribner, Lebensgeschichtliches Interview [Serbokroat.], 8.12.2007. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Norbert Wollheim Memorial.

Norbert Wollheim, First Interview [Eng.], 10.5.1991. United States Holocaust Memorial Museum, Transcript.

Norbert Wollheim, Second Interview [Eng.], 17.5.1991. United States Holocaust Memorial Museum, Transcript.

 

Literatur

Schwarberg, Günther: Dein ist mein ganzes Herz: die Geschichte von Fritz Löhner-Beda, der die schönsten Lieder der Welt schrieb und warum Hitler ihn ermorden ließ. Göttingen: Steidl 2000.

Smolén, Kazimierz: Sowjetische Kriegsgefangene im KL Auschwitz. In: Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau (Hg.): Sterbebücher von Auschwitz. Bd. 1 Berichte. München u.a.: Saur 1995, S. 127–147.

Steinberg, Paul: Chronik aus einer dunklen Welt. Ein Bericht. Aus dem Französischen von Moshe Kahn. München: Hanser 1998.

Wagner, Bernd C.: IG Auschwitz. Zwangsarbeit und Vernichtung von Häftlingen des Lagers Monowitz 1941–1945. München: Saur 2000.