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Rudy Kennedy (geb. Karmeinsky, 1927–2008)

Rudy Kennedy (links) und Freddie Knoller verlesen eine Resolution zur Verteilung des Restgeldes der I.G. Farben i.L. an die ehemaligen Zwangsarbeiter, Frankfurt am Main, 2004
'© Eva & Artur Holling
Rudy Kennedy (links) und Freddie Knoller verlesen eine Resolution zur Verteilung des Restgeldes der I.G. Farben i.L. an die ehemaligen Zwangsarbeiter, Frankfurt am Main, 2004
© Eva & Artur Holling

„In unserem Kampf ging es nie nur um Geld es war vor allem ein Kampf für die Erinnerung. Unser Ziel war es, die Wahrheit aufzudecken und zu verbreiten. Die Nazis waren nicht nur diejenigen, die die schwarzen Uniformen der Gestapo trugen, sondern auch die Männer in grauen Anzügen der deutschen Aufsichtsräte. Deutsche Firmen, darunter solche, ohne welche die heutige deutsche Wirtschaft undenkbar wäre, waren Teil der mörderischen Nazimaschinerie.“[1]

 

Rudy Kennedy wurde 1927 in Rosenberg nahe Breslau (heute Wrocław, Polen) als Rudy Karmeinsky geboren. Seine Eltern waren Ewald und Adele (geb. Angress) Karmeinsky. Drei Jahre später kam seine Schwester Käte zur Welt. Die Eltern erzogen ihre Kinder jüdisch-orthodox. Sein Vater wollte ein Jurastudium aufnehmen, konnte es sich aber nicht leisten, so dass er als Berater für Maschinenbau-Investoren arbeitete. 1939 zog die Familie nach Breslau um. Als einziges jüdisches Schulkind seiner Klasse wurde Rudy Kennedy von den Mitschüler/innen gehänselt und angegriffen. Er musste deshalb zur jüdischen Schule wechseln, bis diese 1941 geschlossen wurde. Ab dann arbeitete er mit seinem Vater als Elektriker.

 

Die Familie entschied sich zur Emigration, sie scheiterten jedoch zwei Mal an den Hürden zur Erlangung eines Visums für Südamerika bzw. die USA. 1943 wurden sie mit den restlichen Jüdinnen und Juden Breslaus nach Auschwitz deportiert. Rudys Mutter und Schwester wurden bei Ankunft selektiert und vergast, sein Vater und er kamen ins KZ Buna/Monowitz. Beide mussten zunächst Schwerstarbeit bei Erdarbeiten leisten, bis es ihnen gelang, im Elektrikerkommando unterzukommen. Sein Vater wurde acht Wochen später wegen seines erschöpften Zustandes von der SS selektiert und ebenfalls vergast.

 

Nach zwei Jahren im KZ wurde Rudy Kennedy bei der „Evakuierung“ des Lagers im Januar 1945 gemeinsam mit tausenden weiteren Häftlingen ins KZ Mittelbau-Dora gebracht. Er überstand den Transport in offenen Viehwaggons, weil er sich mit den Leichen der erfrorenen Mithäftlinge zudeckte und deshalb nicht selbst erfror. Im April 1945 endete der Todesmarsch für Rudy Kennedy im KZ Bergen-Belsen, wo er von den Britischen Streitkräften befreit wurde.

 

Rudy Kennedy machte sich mit einem Bekannten auf den Weg nach Frankfurt am Main und kam dort ins DP-Camp Salzheim, wo er auf die Einreisegenehmigung nach Großbritannien wartete. 1946 emigrierte er schließlich nach London, wo er seinen deutsch klingenden Nachnamen änderte und seine Frau Margit heiratete.

 

Rudy Kennedy war Mitbegründer der „Association of Claims for Jewish Slave Labour Compensation“. Er tritt dafür ein, die Mitschuld der Deutschen Industrie am NS-Programm „Vernichtung durch Arbeit“ zu enthüllen sowie auf die in seinen Augen skandalöse Entschädigungspraxis des deutschen Staates aufmerksam zu machen. Über seine Aktivitäten für die Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter/innen drehte der britische Regisseur Luke Holland 1998 den Film I was a Slave Labourer. Rudy Kennedy starb am 10. November 2008 in London.

(SD)



Quellen

Imperial War Museum London: http://london.iwm.org.uk/server/show/ConWebDoc.4800

Rudy Kennedy, Lebensgeschichtliches Interview [Eng.], 18.11.1997. USC Shoah Foundation Institute, Survivors of the Shoah Visual History Archive, Code 35935.

 

Literatur

gruppe offene rechnungen (Hg.): THE FINAL INSULT. Das Diktat gegen die Überlebenden. Deutsche Erinnerungsabwehr und Nichtentschädigung der NS-Sklavenarbeit. Berlin: Unrast 2003.

 

Film

I was a Slave Labourer (GB 1998, R: Luke Holland)

[1] Rudy Kennedy über den Film I was a Slave Labourer im Programmflyer zur Filmvorführung in Frankfurt am Main, März 2002.