Glossar

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Angestellte der I.G. Farbenindustrie in I.G. Auschwitz

Auf der Baustelle der I.G. Farben (I.G. Auschwitz) arbeiteten 1944 bis zu 30.000 Menschen. Neben den bis zu 10.000 KZ-Häftlingen und den sog. „Fremdarbeitern“ waren dies Angestellte der I.G. Farben und von ihr beauftragter deutscher und ausländischer Subunternehmen.

 

Zu Beginn der Bauarbeiten, ab April 1941, waren vor allem Ingenieure der I.G. und externe Baufirmen tätig, die das Gelände planieren und Gebäude und Hallen errichten sollten. Bereits zu diesem Zeitpunkt waren Häftlinge aus Auschwitz I, das sog. Buna-Außenkommando, zur Zwangsarbeit eingesetzt. Bauleiter Max Faust kam im Juni 1941 und beaufsichtigte die Hoch- und Tiefbauarbeiten. Darüber hinaus führte er die Verhandlungen mit dem Kommandanten des KZ Auschwitz, Rudolf Höß, über den Einsatz von KZ-Häftlingen auf der Baustelle. Im Oktober desselben Jahres waren insgesamt 2.700 Arbeiter/innen beschäftigt, die Hälfte von ihnen, also 1.350, waren Häftlinge des KZ Auschwitz. Nur 10% der Arbeiter waren Deutsche, die übrigen Arbeiter/innen waren „Freiwillige“ aus Süd-, Ost- und Westeuropa.

 

Bis Sommer 1942 war die Belegschaft auf 13.359 Menschen angewachsen. Von diesen waren ca. 8.000 bei den Bauarbeiten beschäftigt, 500 waren Ingenieure, Angestellte und Bauführer der beauftragten Subunternehmer. Neben Erdarbeiten und der Errichtung von Kraftwerken und chemischen Anlagen wurde der Bau ziviler Einrichtungen, wie Unterkünfte, Büros und Lagerräumlichkeiten, vorangetrieben. Die I.G. Farben selbst hatten zu diesem Zeitpunkt genau 594 Ingenieure und Angestellte sowie 72 Meister nach I.G. Auschwitz entsandt. Diese erhielten für die Versetzung Gehaltszulagen, etwa in Form von „Trennungsentschädigungen“. Die Werksleitung versuchte darüber hinaus, durch besondere Sozialleistungen für die Beschäftigten – neben Grünanlagen, der Verschönerung der Wohnungen und mustergültiger medizinischer Versorgung, auch Konzerte, Kino- und Theatervorstellungen – einen Ausgleich zur Arbeit und den „Verzicht auf die aus der Heimat gewohnte Zivilisation, Lebenskultur“[1] zu schaffen.

 

In der Stadt Auschwitz wurden im April 1941 im Zuge der Verhaftung und Deportation der dort lebenden Jüdinnen und Juden in die Ghettos von Bendsburg (Bedzin) und Sosnowitz (Sosnowiec) deren Wohnhäuser beschlagnahmt und für leitende Angestellte der I.G. Auschwitz bereitgestellt. Für die übrigen Beschäftigten ließ die Werksleitung Wohnsiedlungen aus Baracken errichten. Die Belegschaft der I.G. Auschwitz wurde entsprechend der NS-Rassenhierarchie kategorisiert und in insgesamt 12 Barackenlagern  getrennt nach Herkunft und Status untergebracht. Es gab neben einem Lager für die deutschen Arbeiter weitere für Lehrlinge und Angestellte, für angeworbene Arbeiter aus Frankreich und Polen, Ostarbeiterinnen, Ostarbeiter, englische Kriegsgefangene und das KZ Buna/Monowitz.

 

Die Baubelegschaft hatte die frühere Einwohnerzahl der Stadt Auschwitz bereits übertroffen: In der Kleinstadt Auschwitz wohnten vor dem Krieg und der Vertreibung bzw. Deportation aller jüdischen und auch polnischer Einwohner/innen etwa 14.000 Menschen, auf der Baustelle I.G. Auschwitz arbeiteten im September 1943 bereits 26.000 Menschen, davon aber lediglich 10% deutsche Arbeiter/innen und Angestellte. Im Rahmen der ‚Verschönerungspläne‘ für die Stadt Auschwitz von einer angeblich hässlichen ostischen Stadt zu einem deutschen „Muster der Ostsiedlung“[2] beteiligte sich die I.G. mit Investitionen an der Modernisierung der Infrastruktur und nahm Einfluss auf Gestaltungsfragen: Schon im Juni 1941 hatte die Werksleitung gegenüber dem Regierungspräsidenten von Oberschlesien betont, dass der Ausbau der Stadt Auschwitz als Grundbedingung für die Ansiedlung von Arbeiter/innen betrachtet wurde.

 

Ab Ende Oktober 1944 wurden deutsche Frauen und Kinder vor den zunehmenden Fliegerangriffen aus Auschwitz evakuiert. Werksleiter Walther Dürrfeld wollte jedoch ausharren und verbot das Verlassen der Baustelle. Die Belegschaft erhielt erst am 21. Januar 1945 die Erlaubnis zum Verlassen von I.G. Auschwitz. Sonderzüge für Angestellte und Arbeiter/innen wurden bereitgestellt; wer darin keinen Platz fand, schloss sich den Fußtrecks nach Westen an. Am 23. Januar verließen Dürrfeld und Faust als letzte I.G. Farben-Angestellte das Werksgelände.

(SP)



Quellen

Walther Dürrfeld, Bericht über die Kriegsereignisse in und um Werk Auschwitz vom 13. Januar bis 24. Januar 1945, Pirna, den 7.2.1945, NI-11956. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, Prosecution Exhibit 1527, reel 029, Bl. 1259–1267.

Max Faust, Zeugenvernehmung, 4.12.1952. HHStAW, Abt. 460, Nr. 1424 (Wollheim gegen IG Farben), Bd. I, Bl. 164R–172R.

 

Literatur

Steinbacher, Sybille: Auschwitz. Geschichte und Nachgeschichte. München: Beck 2004.

Wagner, Bernd C.: IG Auschwitz. Zwangsarbeit und Vernichtung von Häftlingen des Lagers Monowitz 1941–1945. München: Saur 2000.

[1] Bernd C. Wagner: IG Auschwitz. Zwangsarbeit und Vernichtung von Häftlingen des Lagers Monowitz 1941–1945. München: Saur 2000, S. 86.

[2] Sybille Steinbacher: Auschwitz. Geschichte und Nachgeschichte. München: Beck 2004, S. 51.