Britische Kriegsgefangene als Zeugen im I.G. Farben-Prozess

© National Archives, Washington, DC
Im Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben (Case VI) stützten die Ermittler ihre Anklageerhebung unter anderem auf die eidesstattlichen Erklärungen von 19 ehemaligen britischen Kriegsgefangenen des Kriegsgefangenenlagers E715 in Auschwitz und eines ehemaligen Kriegsgefangenen des Lagers in Heydebreck, William Allen. Die eidesstattlichen Erklärungen wurden im Juli 1947 zumeist in Großbritannien abgegeben, wohin die ehemaligen Kriegsgefangenen zurückgekehrt waren. Nur Eric James Doyle und Reginald Austin Hartland gaben ihre Erklärungen erst im November 1947 in Nürnberg ab. Allens eidesstattliche Erklärung wurde am 27. Januar 1948 als Beweisdokument der Anklage wieder zurückgezogen, da diese die von ihr bis zu diesem Zeitpunkt vorgelegten Materialien, darunter viele eidesstattliche Erklärungen von Zeugen, die im Gegensatz zu Allen auch vor Gericht hatten vernommen werden können, als genügend empfand.
Sieben der ehemaligen britischen Kriegsgefangenen traten Mitte November 1947 als Zeugen der Anklage in Nürnberg auf, unter ihnen Charles Joseph Coward und Robert William Ferris, die beide später auch im Wollheim-Prozess als Zeugen aussagten.
Im Zentrum der eidesstattlichen Erklärungen stehen die Häftlinge des KZ Buna/Monowitz, denen die britischen Kriegsgefangenen auf der Baustelle der I.G. Auschwitz begegneten. Berichtet wird von Misshandlungen und Ermordungen der Häftlinge durch Meister, Kapos und SS, vom schlechten Häftlingsessen und der dünnen Kleidung. Manche der Zeugen berichten, dass sie Häftlingen mit Essen halfen. Alle weisen daraufhin, dass sie von den Gaskammern in Birkenau wussten, und berichten teilweise davon, wie I.G. Farben-Angestellte die Vergasung von Juden guthießen.
Die sieben Zeugenvernehmungen sind vor allem durch die Strategie der Verteidigung geprägt, die im Kreuzverhör oder durch detailliertes Nachfragen anhand einer Karte des Fabrik- und Lagerkomplexes der I.G. Farben in Auschwitz versuchte, die Aussagen der Zeugen unglaubwürdig erscheinen zu lassen. Zumeist befördert dieses Verhör kaum zusätzliche Informationen neben dem in den eidesstattlichen Erklärungen bereits Ausgesagten zutage. An manchen Stellen geben die Vernehmungen, vor allem von Robert William Ferris und Reginald Austin Hartland, jedoch darüber hinausgehend detailliertere Einblicke in die Verhältnisse auf der I.G. Farben-Baustelle, die Arbeit sowohl der britischen Kriegsgefangenen als auch der KZ-Häftlinge, ihre Kontakte zueinander und den Umgang von deutschen Meistern und SS mit den Häftlingen.
(MN)