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Die Gründung der I.G. Farbenindustrie AG

Am 2. Dezember 1925 unterzeichneten BASF, Bayer, Hoechst, Agfa, Weiler-ter-Meer und Griesheim-Elektron einen Fusionsvertrag zur Gründung der „Interessengemeinschaft Farbenindustrie Aktiengesellschaft“ (kurz: I.G. Farben). Die Aktien der Cassella und die der Kalle AG waren weitgehend schon vorher im Besitz der Partnerunternehmen, so dass diese nicht als direkte Vertragspartner auftraten. Es wurde festgelegt, dass die BASF ihr Kapital auf die Höhe des Kapitals der fusionierten Firmen aufstocken sollte. Der Hauptsitz des Unternehmens, in dem sich die „Oberrhein-Gruppe“, also die Unternehmen der BASF, nun offensichtlich in einer Führungsposition befand, wurde nach Frankfurt am Main verlegt und der neu entstehende Trust am 9. Dezember 1925 in „I.G. Farbenindustrie A.G.“ umbenannt. Das Grundkapital der zusammengeschlossenen Firmen betrug 641,6 Millionen Reichsmark Stammkapital und 4,4 Millionen Reichsmark Vorzugsaktien. Nach dem Zusammenschluss war die I.G. der größte Konzern in Europa und eines der größten Chemieunternehmen weltweit.

 

Im Zuge des Zusammenschlusses erfolgte eine Neustrukturierung des Farbensektors. Die Anzahl der Produktionsstätten wurde reduziert, was eine Konzentration und Kostenersparnis bei der Produktion zur Folge hatte. Wichtigere Produkte sollten nur an zwei Orten entwickelt und hergestellt werden, laut Duisberg das Prinzip der idealen Konkurrenz innerhalb des Unternehmens. Diese Vorhaben liefen nicht ohne Konflikte zwischen den Partnern ab. Darüber, welches Unternehmen welche Bereiche weiterführen oder aufgeben sollte, wurde heftig diskutiert. Die Rationalisierungsprozesse führten auch zu Personaleinsparungen. Strukturänderung und Neuorganisation zeigten bald erste wirtschaftliche Erfolge, durch die sinkenden Produktionskosten schien der erfolgreiche Wiedereinstieg in den internationalen Wettbewerb erneut möglich zu sein.

 

Der Zusammenschluss zur I.G. sollte auch dazu dienen, wieder eine größere Kontrolle über die internationalen Märkte zu erlangen; weltweit wurden Niederlassungen und Tochterunternehmen gegründet, zudem hielt der Konzern Beteiligungen an ca. 500 ausländischen Unternehmen. Bereits kurz nach dem Ersten Weltkrieg hatte die deutsche Farbenindustrie versucht, ihre Position auf dem internationalen Markt zu sichern: Anfang der 20er Jahre wurde über kartellmäßige Absprachen mit Chemieunternehmen in Frankreich und England bezüglich der Absatzmärkte für Farbstoffe verhandelt. 1929 beherrschte das „Dreierkartell“, das durch Absprachen von Unternehmen aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz entstanden war, 61% der Weltproduktion von Farbstoffen. Nach der Erweiterung um das britische Unternehmen I.C.I. machte die Gesamtquote des Kartells 65,61% aus. Dies zeigt zwar einerseits die wirtschaftliche Bedeutung der I.G., macht jedoch andererseits deutlich, dass die Quasi-Monopolstellung aus der Vorkriegszeit nicht wieder hergestellt werden konnte.

 

Die Bedeutung der I.G. hatte sich in den Jahren nach ihrer Gründung verstärkt, sie schien ab 1928 die ökonomisch bedeutendste Gruppe der deutschen Industrie zu werden. Ihr Aktienkapital hatte 1928 einen Börsenwert von 3 Milliarden RM und machte 2% des deutschen Volksvermögens von 150 Milliarden RM aus. Im Juni 1929, vor der Weltwirtschaftskrise, waren 65.592 Arbeiter/innen und 19.801 Angestellte bei der I.G. beschäftigt.

(DOP; erstellt auf der Grundlage von Karl Heinz Roth: Die Geschichte der I.G. Farbenindustrie AG von der Gründung bis zum Ende der Weimarer Republik)



Download

[pdf] Karl Heinz Roth_Die Geschichte der IG Farbenindustrie AG von der Gründung bis zum Ende der Weimarer Republik

 

Literatur

Borkin, Joseph: Die unheilige Allianz der I.G. Farben. Eine Interessengemeinschaft im Dritten Reich. Frankfurt am Main/New York: Campus 1990.

Drummer, Heike / Zwilling, Jutta: Von der Grüneburg zum Campus Westend. Die Geschichte des IG Farben-Hauses. Begleitbuch zur Dauerausstellung. Frankfurt am Main: Goethe-Universität 2007.

Hayes, Peter: Industry and Ideology: IG Farben in the Nazi Era. Cambridge/New York: Cambridge UP 1987.

Lindner, Stephan H.: Hoechst. Ein I.G. Farben Werk im Dritten Reich. München: Beck 2005.

Plumpe, Gottfried:Die I.G. Farbenindustrie AG. Wirtschaft, Technik und Politik 1904–1945. Berlin: Duncker & Humblot 1990.

Tammen, Helmuth: Die I.G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft (1925–1933). Ein Chemiekonzern in der Weimarer Republik. Dissertation, Freie Universität Berlin 1978.