Glossar

Fahren Sie mit der Maus über ein rotes Wort im Haupttext, um den Glossareintrag für dieses Wort zu sehen.

Entwicklung und Produktion von synthetischem Kautschuk

Die Manager der I.G. Farben waren gegenüber den Planungs- und Beschaffungsstäben in der Phase der Rüstungskonjunktur immer an erster Stelle auf die Interessen ihrer Produktionssparten bedacht. Das zeigte sich exemplarisch in jenen beiden Bereichen, in denen die I.G. am intensivsten engagiert war. Bei den Auseinandersetzungen um die Kautschuksynthese wahrte sie ihre Interessen eines Angebotsmonopolisten. Während die Reichsbehörden sie seit 1933/34 zunehmend unter Druck setzten, zögerte sie den Baubeginn der ersten großtechnischen Buna-Anlage in Schkopau bis April 1936 hinaus, weil sie zusammen mit ihren US-amerikanischen Entwicklungspartnern eine Produktqualität anstrebte, die Buna gegenüber Naturkautschuk konkurrenzfähig machen sollte. Die Qualität des angewandten Vierstufen-Verfahrens der Misch-Polymerisation von Butadien und Styrol war auf dem Weltmarkt jedoch nicht konkurrenzfähig. Nur unter der Voraussetzung, dass die Betriebskosten sowie die Amortisation und Verzinsung der Anlage durch das Reich garantiert würden, gab die Konzernleitung dem zuständigen Spartenleiter Fritz ter Meer schließlich grünes Licht für den Bau einer Großversuchsanlage.

 

Im März 1937 lief in der Versuchsanlage Schkopau die Produktion reibungslos an. Im September 1937 wurde der erste „Buna-Vertrag“ zwischen I.G. Farben und dem Deutschen Reich unterzeichnet. Gegen eine staatliche Abnahme- und Preisgarantie sowie ein Investitionsdarlehen in Höhe von 90 Millionen RM erklärte sich die I.G. Farben bereit, die Anlage in Schkopau bis zu einer Jahreskapazität von 30.000 Tonnen auszubauen. Bereits im Frühjahr 1939 erwirtschaftete das Werk Profite.

 

Der Bau der Anlage „Buna II“ mit einer Jahreskapazität von 15.000 Tonnen wurde Ende April 1938 beschlossen. Die Fabrik nahm erst fast ein Jahr nach Kriegsbeginn im August 1940 die Produktion auf. Eine dritte Produktionsstätte wurde in Ludwigshafen am Standort der BASF errichtet, die ab 1942 produzierte. Im Lauf des Krieges stieg der Anteil von synthetischem Kautschuk am Gesamtkautschukverbrauch des Deutschen Reichs stetig an. 1944 wurden nur noch zwei Prozent Naturkautschuk verwandt.

 

Der Standort für die vierte Buna-Produktionsanlage war zwischen I.G. und Reichsregierung lange umstritten. Ziel dieser neuen Fabrik sollte die Zusammenfassung und Weiterentwicklung aller bisherigen Linien der katalytischen Hochdruckchemie sein. Als Standort des neuen Werkes zur Vollendung ihrer produktionstechnischen Visionen wählte die Konzernspitze Auschwitz in Schlesien. Wie Otto Ambros auf der sechsten Sitzung der Kautschuk-Kommission erläuterte, folgte sie damit den Bestrebungen der „Reichsplanung“, die „eine stärkere industrielle Aufschließung des Ostens“ anstrebe. Technisch legte die noch weiter gewachsene Abhängigkeit der großtechnischen Synthesen von der Kohle es nahe, sich in unmittelbare Nachbarschaft des oberschlesischen Bergbaus zu begeben. Auch weitere Ressourcen waren im Südwesten der annektierten polnischen Gebiete reichlich vorhanden: Wasser, Kalkgruben, elektrische Energie – und das Zwangsarbeiterreservoir des benachbarten Konzentrationslagers Auschwitz.

(GK; erstellt auf der Grundlage von Karl Heinz Roth: Die I.G. Farbenindustrie AG im Zweiten Weltkrieg)



Download

[pdf] Karl_Heinz_Roth_Die_IG_Farben_Industrie_AG_im_Zweiten_Weltkrieg

  

Quellen

Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, ADB 28.

Auszug aus dem Protokoll der 6. Sitzung der Kommission K vom 23.10.1941 in Hüls über die Entwicklung von Buna IV, NI-7288. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, ADB 29 (d), Bl. 104–113.

 

Literatur

Plumpe, Gottfried: Die I.G. Farbenindustrie AG. Wirtschaft, Technik und Politik 1904–1945. Berlin: Duncker & Humblot 1990.