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Georg von Schnitzler (1884–1962)

Georg von Schnitzler. Fotoaufnahme aus der National Archives Collection of World War II War Crimes Records vom Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben'© National Archives, Washington, DC
Georg von Schnitzler. Fotoaufnahme aus der National Archives Collection of World War II War Crimes Records vom Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben
© National Archives, Washington, DC

 a  Die Richter im Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben kamen zu folgendem Schluss:

„Von Schnitzler trägt die Hauptverantwortung für die Spoliationsakte der I.G. in Polen und Frankreich. Er war die führende Persönlichkeit und verantwortlich für die Festlegung der Geschäftspolitik der I.G., die auf die Erlangung der Führerstellung in der europäischen Farbstoff- und Chemikalien-Industrie hinzielten. Er war es, der die Ausarbeitung von Plänen für den Erwerb der Betriebe veranlaßt hat. Schon am sechsten Tage nach der Invasion Polens hat er vorgeschlagen, daß die I.G. den Betrieb der polnischen Farbstoff-Fabriken übernehmen solle, deren baldige Besetzung von den Deutschen erwartet wurde.“

(Das Urteil im I.G.-Farben-Prozess. Der vollständige Wortlaut. Offenbach am Main: Bollwerk 1948, S. 92.)

„F[rage]: Was taten Sie, als Sie erfuhren, dass die I.G.-Chemikalien verwendet wurden, um Personen in den Konzentrationslagern zu töten, zu ermorden?

A[ntwort]: Ich war entsetzt […] Ich behielt es für mich, da es zu schrecklich war. Ich hatte immer den Eindruck, als ob diese Gase nicht von uns hergestellt würden.“[1]

 

Georg von Schnitzler wurde am 29. Oktober 1884 in Köln geboren. Er studierte Rechtswissenschaft in Bonn, Leipzig und Berlin und schloss sein Studium 1907 mit einer Promotion zum Thema „Schadensersatzpflicht ohne Verschulden“ an der Universität Leipzig ab. Zuvor hatte er als Einjährig-Freiwilliger im Husaren-Regiment des Deutschen Heeres gedient. Nach einer einjährigen Weltreise arbeitete er im Kölner Bankhaus J.H. Stein. 1910 heiratete er Lily von Mallinckrodt.

 

1912 trat er bei den Farbwerken Hoechst (vorm. Meister Lucius & Bruening) ein, wo sein Vater Aufsichtsratsmitglied war. Dort arbeitete er im Farbenverkauf in einer Münchner Niederlassung. 1919 wurde er Prokurist bei Hoechst und dort ein Jahr später stellvertretendes, 1924 dann ordentliches Vorstandsmitglied. 1925 arbeitete er an den Fusionsverträgen der I.G. Farben mit, deren stellvertretendes Vorstandsmitglied er im Jahr darauf wurde. 1930 übernahm Georg von Schnitzler die Leitung der Verkaufsabteilungen der I.G. Farben. Er führte zudem die Verhandlungen mit französischen Chemiefabrikanten, die 1927 zur Bildung des deutsch-französischen Farbenkartells führten, das bis 1932 um schweizerische und britische Chemiefirmen erweitert wurde. Im Februar 1933 unterstützte von Schnitzler die Finanzierung des Wahlkampfs der NSDAP, 1934 trat er in die SA ein, wo er den Rang eines Hauptsturmführers erreichte. 1937 wurde Georg von Schnitzler Vorsitzender des Kaufmännischen Ausschusses der I.G. und trat in die NSDAP ein.

 

1942 wurde er „Wehrwirtschaftsführer“, ab 1943 war von Schnitzler Vorsitzender des Chemikalienausschusses und als solcher an der Übernahme französischer und polnischer Chemieunternehmen beteiligt.

 

Nach Kriegsende wurde er von der U.S. Army verhaftet und im Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben am 30. Juli 1948 zu 5 Jahren Haft wegen „Plünderung und Raubs“ verurteilt.  a  Ein Jahr später wurde er aus der Haft entlassen. Anschließend war er als Präsident der Deutsch-Ibero-Amerikanischen Gesellschaft tätig. Georg von Schnitzler starb am 24. Mai 1962 in Basel.

(SP)



Quellen

Hans Kugler, Eidesstattliche Erklärung, 17.1.1947, NI-5069. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, ADB 11 (d), Bl. 225–229.

Georg von Schnitzler, Eidesstattliche Erklärung, 20.3.1947, NI-5199. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, ADB 11 (d), Bl. 222–224.

Georg von Schnitzler, Eidesstattliche Erklärung, 27.3.1947, NI-5197. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, ADB 2 (d), Bl. 58–96.

 

Literatur

Deichmann, Hans / Hayes, Peter: Standort Auschwitz: Eine Kontroverse über die Entscheidungsgründe für den Bau des I.G. Farben-Werks in Auschwitz. In: 1999. Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts 11 (1998), H. 1, S. 79–101.

Heine, Jens Ulrich: Verstand & Schicksal. Die Männer der I.G. Farbenindustrie A.G. Weinheim: VCH Verlagsgesellschaft 1990.

Das Urteil im I.G.-Farben-Prozess. Der vollständige Wortlaut. Offenbach am Main: Bollwerk 1948.

[1] Georg von Schnitzler, Eidesstattliche Erklärung, 27.3.1947, NI-5197. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, ADB 2 (d), Bl. 58–96, hier Bl. 94–95.