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Heinrich Bütefisch (1894–1969)

Heinrich Bütefisch. Fotoaufnahme aus der National Archives Collection of World War II War Crimes Records vom Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben'© National Archives, Washington, DC
Heinrich Bütefisch. Fotoaufnahme aus der National Archives Collection of World War II War Crimes Records vom Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben
© National Archives, Washington, DC

 a  „Bezüglich des Einsatzes arbeitsfähiger Häftlinge und der Beseitigung nicht arbeitsfähiger Häftlinge kann ich keine Angaben machen. Ich weiß nicht, wer hierzu die Befehlsgewalt hatte.

Ich weiß nichts darüber, durch wen die im Lager Monowitz durchgeführten Selektionen von nicht mehr voll arbeitsfähigen Häftlingen zur Ermordung angeordnet wurden. Ich weiß überhaupt nichts von irgendwelchen Selektionen, ob solche angeordnet sind. [...]

Mir ist eine Vereinbarung, daß die I.G. alle ihr als nicht voll arbeitsfähig angegebenen Häftlinge zurückweisen konnte, nicht in Erinnerung.

Mir ist auch nicht bekannt, dass zwischen der I.G. und der SS eine Vereinbarung bestand, dass die I.G. für kranke Häftlingsarbeiter nicht länger als 14 Tage zu zahlen brauchte.“

(Heinrich Bütefisch, Richterliche Vernehmung vom 8.4.1965, Auschwitz-Prozess, StA Frankfurt am Main, 4 Ks 2/63. Archiv des Fritz Bauer Instituts, FAP-1 HA-94, Bl. 18883.)

Heinrich Bütefisch wurde am 24. Februar 1894 in Hannover geboren, wo er zur Schule ging und 1911 an der Technischen Hochschule physikalische Chemie zu studieren begann. 1914 meldete er sich als Kriegsfreiwilliger. Nach dem Ersten Weltkrieg schloss er 1919 sein Studium ab und promovierte 1920 mit einer Arbeit über Phosgen, das als Giftgas im Ersten Weltkrieg eingesetzt worden war (Über die Photochemische Kinetik der Phosgenbildung und über eine neue durch Chlor sensibilisierte Gasreaktion). Im selben Jahr begann er als Analysechemiker bei BASF zu arbeiten und machte rasch Karriere: 1930 wurde er Direktor der chemischen Produktion in Leuna.

 

1932 sprach Bütefisch im Auftrag Boschs bei Hitler vor, um gegen die Verleumdung der I.G. Farben in der NS-Presse zu protestieren. 1936 wurde er als Produktionsbeauftragter für Öl im Rüstungsministerium und „Wehrwirtschaftsführer“ Mitarbeiter von Carl Krauch im Amt für Deutsche Roh- und Werkstoffe, dem späteren Reichsamt für Wirtschaftsausbau, das an der Verwirklichung der Rüstungsziele des Vierjahresplans arbeitete. 1937 wurde Bütefisch Heeresleutnant d.R. der Heeresnachrichtenschule, ein Jahr später Vorstandsmitglied der I.G. Farben AG. Danach arbeitete er fast ausschließlich an der Entwicklung künstlicher Treibstoffe. Im Juli 1937 stellte er einen Antrag auf NSDAP-Mitgliedschaft und wurde rückwirkend ab dem 1. Mai 1937 in die Partei aufgenommen (Mitgliedsnummer Nr. 5771136). Im April 1939 wurde er in die SS aufgenommen, obwohl ihm seine frühere Mitgliedschaft in einer Freimaurer-Loge zunächst Schwierigkeiten bereitete. Er war darüber hinaus Mitglied des „Freundeskreises Reichsführer SS“. 1941, mittlerweile im Rang eines SS-Sturmbannführers, wurde er Leiter der Benzinsynthese des aufzubauenden Werkes I.G. Auschwitz. Nach eigenen Aussagen war er nie im KZ Buna/Monowitz, die Baustelle kannte er nur von einzelnen Besuchen. Im Rang des SS-Obersturmbannführers, ausgezeichnet mit dem „Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes“, wurde er 1945 durch die U.S. Army verhaftet.

 

Als Leiter des Treibstoffsektors in I.G. Auschwitz und Vorstandsmitglied wurde Heinrich Bütefisch 1948 im Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben wegen seiner Verantwortung für die Sklavenarbeit von KZ-Häftlingen beim Werksbau der I.G. Auschwitz zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Nach seiner vorzeitigen Entlassung aus der Haft 1951 wurde Bütefisch 1952 Aufsichtsratsmitglied unter anderem bei Deutsche Gasolin AG, Feldmühle, Papier- und Zellstoffwerke AG. Er hatte außerdem einen Beratervertrag bei der Ruhrchemie AG Oberhausen, die sich im gemeinsamen Besitz von Hoechst und Mannesmann befand, und wurde 1952 in deren Aufsichtsrat berufen. 1964 wurde ihm auf Betreiben des Vorstandsmitglieds der Ruhrchemie, Hans Käding, einem ehemaligen Angestellten der I.G. Farben, das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland verliehen; nach Protesten forderte Bundespräsident Heinrich Lübke dieses zurück. Im 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess wurde Bütefisch als Zeuge vernommen und zeigte sich ahnungslos über die Vorgänge im KZ Buna/Monowitz.  a  Heinrich Bütefisch starb am 5. September 1969 in Essen.

(SP)



Quellen

Heinrich Bütefisch, Eidesstattliche Erklärung, 19.2.1947, NI-4182. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, ADB 72, Bl. 63–65.

Heinrich Bütefisch, Eidesstattliche Erklärung, 16.4.1947, NI-6235. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, ADB 9, Bl. 131–132.

Heinrich Bütefisch, Richterliche Vernehmung vom 8.4.1965, Auschwitz-Prozess, StA Frankfurt am Main, 4 Ks 2/63. Archiv des Fritz Bauer Institut, FAP-1 HA-94, Bl. 18883.

 

Literatur

Heine, Jens Ulrich: Verstand & Schicksal. Die Männer der I.G. Farbenindustrie A.G. Weinheim: VCH Verlagsgesellschaft 1990.

Lindner, Stephan H.: Hoechst. Ein I.G. Farben Werk im Dritten Reich. München: Beck 2005.

Schmaltz, Florian: Das historische Gutachten Jürgen Kuczynskis zur Rolle der I.G. Farben und des KZ Monowitz im ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess. In: Irmtrud Wojak (Hg.): ‚Gerichtstag halten über uns selbst... Geschichte und Wirkung des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses. Frankfurt am Main/New York: Campus 2001, S. 117–140.