Glossar

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Lebensbedingungen von ausländischen Zivilarbeiterinnen

Die Beschäftigung von Ausländerinnen zur Zwangsarbeit stand in Konflikt zum nationalsozialistischen Frauenbild, das der Frau den Platz der Hüterin des Heimes vorbehielt. Ideologisch musste ihr Einsatz daher noch stärker als bei männlichen Zwangsarbeitern mit ihrer angeblichen „rassischen Minderwertigkeit“ gerechtfertigt werden. Dies führte häufig zu einer erschwerten Lage gerade der ausländischen Frauen, die einer doppelten Diskriminierung unterlagen: nicht nur rassistischer, sondern auch sexistischer Art. Daneben wurden von ihnen dieselben Arbeitsleistungen erwartet wie von ihren männlichen Kameraden. Die Behandlung der weiblichen Zwangsarbeiterinnen unterschied sich – wie die der Männer – je nach Einsatzort, auch ihnen ging es auf dem Land etwas besser. Am schwierigsten erwiesen sich vor allem für die Zwangsarbeiterinnen aus dem Osten die Bedingungen in großen Industriebetrieben. Sie waren zumeist in schlecht ausgestatteten Barackenlagern untergebracht und wurden unzureichend verpflegt, während von ihnen zugleich Schwerstarbeit erwartet wurde, für die sie zudem nicht ausgebildet waren. Dies betraf etwa die Ostarbeiterinnen“ auf der Baustelle der I.G. Farben in Auschwitz.

 

Daneben schenkten Behörden und Bevölkerung den „G[eschlechts]V[erkehr]-Verbrechen“ besondere Aufmerksamkeit. Auch der sexuelle Kontakt zwischen Deutschen und Ausländer/innen war generell verboten. Hier war die nationalsozialistische Rassenhierarchie ausschlaggebend für die Bestrafung. Für deutsche Männer, die Geschlechtsverkehr mit Ausländerinnen hatten, waren Strafen von der Verwarnung bis zur Einweisung ins KZ möglich. Ihre Partnerinnen wurden bis Dezember 1942 in ein KZ geschickt oder zur Zwangsarbeit in Bordellen verpflichtet. Danach wurden die Regelungen etwas gelockert.

 

Wurden ausländische Zwangsarbeiterinnen schwanger, wurden sie anfangs noch in ihre Heimatländer abgeschoben. Viele versuchten daraufhin, schwanger zu werden, um nach Hause gehen zu können. Der „Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz“, Fritz Sauckel, ordnete daher im Dezember 1942 an, schwangere Ausländerinnen nicht mehr abzuschieben, sondern für diesen Zweck Entbindungs- und Kinderanstalten einzurichten. Schwangere „Westarbeiterinnen“ sollten sechs Wochen vor und zwölf Wochen nach der Geburt bezahlten Urlaub erhalten; für Polinnen und „Ostarbeiterinnen“ waren nur zwei Wochen vor und sechs Wochen nach der Geburt vorgesehen; darüber hinaus konnten sie in dieser Zeit mit „zumutbaren“[1] Arbeiten betraut werden. Die Kinder wurden nach der Geburt ebenfalls ‚rassenhierarchisch‘ eingestuft. So entschied die NS-Bürokratie über ihre Zukunft: „Gutrassige“ Kinder (Vater germanischer Abstammung) wurden der Mutter weggenommen und sollten in Pflegeheimen als deutsche Kinder großgezogen werden. „Schlechtrassige“ Kinder wurden in „Ausländerkinder-Pflegestätten“ gebracht, die treffender als „Säuglings-Sterbelager“[2] bezeichnet sind. Die Sterblichkeit in diesen ‚Pflegestätten‘ lag bei über 50% und war auf die mangelnde Ernährung und Hygiene zurückzuführen. Die Mütter mussten die Entbindungsstation nach einer Woche verlassen und durften ihre Neugeborenen nur nach der Arbeit besuchen. Ihnen wurden monatlich etwa 25 RM für den Unterhalt ihrer Kinder und 15 RM für deren Beerdigung in Rechnung gestellt. Um diese Beträge aufbringen zu können, mussten die Mütter häufig zusätzliche Schichten arbeiten, um ihre geringen Löhne aufzubessern. Abtreibungen wurden bei Polinnen und „Ostarbeiterinnen“ seit Januar 1941 nicht mehr strafrechtlich verfolgt, in vielen Fällen sogar erzwungen: Entsprechende Anträge konnten von der Schwangeren, jedoch auch von den Betrieben, Arbeitsämtern und der Polizei gestellt werden. Die erhöhten Schwierigkeiten weiblicher Zwangsarbeiter hatten mit der Befreiung 1945 häufig noch kein Ende. Oft wurde in ihrer Heimat bereits die Tatsache, dass sie unbeaufsichtigt in Baracken gewohnt hatten, als verwerflich angesehen; häufig wurde ihnen darüber hinaus Feindbegünstigung vorgeworfen.

(SP/BG)



Literatur

Herbert, Ulrich: Fremdarbeiter. Politik und Praxis des „Ausländer-Einsatzes“ in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches. Berlin/Bonn: Dietz 1985.

Hoffmann, Katharina: Zwangsarbeit in der Landwirtschaft. In: Ulrike Winkler (Hg.): Stiften gehen. NS-Zwangsarbeit und Entschädigungsdebatte. Köln: PapyRossa 2000, S. 130–147.

Spoerer, Mark: Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz. Stuttgart/München: DVA 2001.

[1] Mark Spoerer: Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz. Stuttgart/München: DVA 2001, S. 150.

[2] Spoerer: Zwangsarbeit, S. 207.