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Otto Ambros (1901–1990)

Otto Ambros. Fotoaufnahme aus der National Archives Collection of World War II War Crimes Records vom Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben'© National Archives, Washington, DC
Otto Ambros. Fotoaufnahme aus der National Archives Collection of World War II War Crimes Records vom Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben
© National Archives, Washington, DC

 a „Wir sind allgemein der Ansicht gewesen, dass die Haeftlinge, die nach Monowitz kamen, von dem gerettet worden sind, was ihnen im Konzentrationslager Auschwitz passierte.“

(Otto Ambros, Eidesstattliche Erklärung, 29.4.1947, NI-9542. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI.)

 

 b  „Durch die Errichtung von Monowitz wollten wir die Lage der Haeftlinge verbessern: sie hatten dadurch nicht mehr den langen An- und Abmarsch bzw. den Transport von zusammen rund vierzehn Kilometer taeglich zurueckzulegen. Dadurch konnte auch die Leistungsfaehigkeit der Haeftlinge erhoeht werden. Es sollte auch eine Distanzierung von dem KZ Auschwitz erreicht werden. Ausserdem herrschte 1942 im Konzentrationslager Auschwitz Fleckfieber, und die IG wollte die Ansteckungsgefahr ausschalten. Die Einrichtung von Monowitz ist Heinrich Bütefisch und mir 1942 in Auschwitz von Walther Duerrfeld bezw. Oberingenieur Faust vorgeschlagen worden. Wir haben zugestimmt. Weitere Verhandlungen wurden von Walther Duerrfeld bezw. Oberingenieur Faust mit der Leitung des Konzentrationslagers Auschwitz gefuehrt. Monowitz war gross angelegt, geheizt und hygienisch. Es waren Krankenstationen vorhanden fuer 10% der Belegung des Lagers, ebenso ein Operationssaal. Mir wurde von Walther Duerrfeld berichtet, dass fuer die Unterbringung der Kranken ueberreichlich gesorgt sei.“

(Otto Ambros, Eidesstattliche Erklärung, 29.4.1947, NI-9542. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI.)

 

 c  „Mir war von Walther Dürrfeld und Oberingenieur Faust im Sommer 1941 mitgeteilt worden, dass die Häftlinge von den Kapos misshandelt wurden. Mir war bekannt, dass die Kapos grösstenteils Verbrecher waren[…] Nach dem ersten Jahr sind Misshandlungen der Häftlinge kaum mehr vorgekommen, was auf die IG. zurückzufuehren war.“

(Otto Ambros, Eidesstattliche Erklärung, 29.4.1947, NI-9542. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI.)

 

 d  „Die Einrichtung eines Konzentrationslagers ist etwas Furchtbares. Es ist eine Quaelerei fuer die Insassen. Man hatte immer eine gewisse Scheu davon zu sprechen. Mir und den anderen Vorstandsmitgliedern war bekannt, dass in einem Konzentrationslager neben Verbrechern, auch politisch rassisch und religioes verfolgte Menschen aus allen Gesellschaftsschichten waren. Ein frueheres Aufsichtsratmitglied der IG, Herr von Weinberg, ist in einem Konzentrationslager ums Leben gekommen – nur weil er Jude war. Mir ist bekannt, dass die Haeftlinge 1941 in keinem guten Gesundheitszustand waren. Wir haben, um ihnen zu helfen, eine Suppe eingefuehrt, (Bunasuppe) die sie mittags bekommen haben.“

(Otto Ambros, Eidesstattliche Erklärung, 29.4.1947, NI-9542. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI.)

 

 e  „Man vergesse nicht, in welcher Armut das ganze deutsche Volk in den letzten Kriegsjahren lebte. Wie sollte es denn moeglich sein, bei dem Aufbau eines neuen Werkes die Lebensbedingungen so zu gestalten, wie Angehoerige der Länder es erwarten, die nie durch eine solche Verknappung gegangen sind. Wenn es der I.G. Farbenindustrie trotzdem gelang, fuer die 30.000 Mann Gesamtbelegschaft in Auschwitz die Unterkunft und eine Verpflegung mit einem Kaloriensatz zu schaffen, der auch fuer die Haeftlinge hoeher war, als derjenige, den das deutsche Volk heute bekommt, dann glaube ich, dass man der I.G. Farbenindustrie und ihren Funktionaeren nicht einen Vorwurf, sondern eine gerechte Anerkennung aussprechen sollte.“ 

(Otto Ambros: Gedanken zu meiner Verurteilung durch das Nürnberger Gericht am 29./30. Juli 1948. Im Oktober 1948. Unveröffentlichtes Manuskript, 39 Seiten. BASF-Archiv, Nürnberg I, Privatakte Dr. Heintzeler, S. 28.)

„Ich sah keinen Anklagepunkt, der sich gegen meine Person richten konnte. Erst die Vernehmung durch die Anklagebehörde wies auf den Fall des Werkes Auschwitz der I.G. Farbenindustrie, wobei ich aber ursprünglich nicht ahnte, worin mein Vergehen liegen konnte.“[1]

 

Otto Ambros wurde am 19. Mai 1901 in Weiden in der Oberpfalz, geboren. Er trat einem Freikorps bei und diente 1919 als Zeitfreiwilliger bei der Unterdrückung der revolutionären Aufstände in München, 1920 im Ruhrgebiet, und 1921 in Oberschlesien auf Seite deutscher Nationalisten bei den ‚Kämpfen um den Annaberg‘ gegen die Angliederung des Gebietes an Polen. 1920 hatte er begonnen, Chemie und Landwirtschaft in München zu studieren, wo er 1925 bei dem Nobelpreisträger Richard Willstätter zum Dr. Phil. promoviert wurde. Ein Jahr später trat er eine Stelle im Ammoniaklabor des BASF-Werkes Oppau an. 1930 unternahm er eine einjährige Studienreise in den Fernen Osten. Innerhalb der Firma stieg er rasch auf, 1935 leitete er die Bauarbeiten des ersten Buna-Werks in Schkopau.

 

Am 1. Mai 1937 trat er in die NSDAP ein (Mitgliedsnummer 6099289). 1938 wurde er als ordentliches Mitglied in den Vorstand der I.G. Farben berufen. 1940 wurde er Berater der Abteilung Forschung und Entwicklung des Vierjahresplans unter dem I.G. Farben-Aufsichtsratsvorsitzenden Carl Krauch: Ambros, Giftgas- und Buna-Experte der I.G., war als „Wehrwirtschaftsführer“ im Bereich „Chemische Kampfstoffe“ tätig. Mitte Mai 1943 erläuterte Ambros in einem persönlichen Vortrag im Führerhauptquartier Hitler die Wirkung der neuen deutschen Nervengase Tabun und Sarin. Im folgenden Jahr wurde er Geschäftsführer (Betriebsführer) des Buna-Werkes IV und der Treibstoffproduktion in Auschwitz. Zwischen 1941 und 1944 besuchte er die Baustelle I.G. Auschwitz insgesamt achtzehn Mal. Ambros war aktiver Befürworter des Einsatzes von KZ-Häftlingen auf der Baustelle, am 12. April 1941 schrieb er an I.G.-Direktor Fritz ter Meer: „Anlässlich eines Abendessens, das uns die Leitung des Konzentrationslagers gab, haben wir weiterhin alle Maßnahmen festgelegt, welche die Einschaltung des wirklich hervorragenden Betriebs des KZ-Lagers zugunsten der Buna-Werke betreffen.“[2] Aus seiner Sicht stellte sich das KZ Buna/Monowitz als Glück für die Häftlinge dar.  a   b   c   d 

Otto Ambros war Träger des Kriegsverdienstkreuzes 1. und 2. Klasse und des „Ritterkreuzes des Kriegsverdienstkreuzes“.

 

1946 wurde er von der U.S. Army verhaftet, konnte jedoch zunächst in der französischen Zone in Ludwigshafen weiter für die BASF arbeiten. Erst kurz vor Beginn des Nürnberger Prozesses gegen I.G. Farben wurde er an die Justiz ausgeliefert. Ambros wurde 1948 wegen „Versklavung“ und „Massenmords“ für schuldig befunden und zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Die Verurteilung empfand er als ungerechtfertigt.  e 

 

1951 entlassen, hatte Ambros bereits 1954 zahlreiche Aufsichtsratsmandate inne, u.a. bei Chemie Grünenthal (wo er während des Contergan-Skandals 1961/1962 tätig war), Feldmühle und Telefunken. Er arbeitete als Wirtschaftsberater in Mannheim und beriet u.a. Bundeskanzler Adenauer und den Großindustriellen Flick. Nach seinem Tod 1990 würdigte ihn BASF in einer Todesanzeige als „[e]ine ausdrucksvolle Unternehmerpersönlichkeit von großer Ausstrahlungskraft“[3].

(SP)



Quellen

Otto Ambros, Brief an ter Meer und Struß, 12.4.1941, NI-11118. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI.

Otto Ambros, Eidesstattliche Erklärung, 29.4.1947, NI-9542. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI.

Ambros, Otto: Gedanken zu meiner Verurteilung durch das Nürnberger Gericht am 29./30. Juli 1948. Im Oktober 1948. Unveröffentlichtes Manuskript, 39 Seiten. BASF-Archiv, Nürnberg I, Privatakte Dr. Heintzeler.

 

Literatur

Dubois, Josiah E.: The Devil’s Chemists. Boston: Beacon Press 1952.

Heine, Jens Ulrich: Verstand & Schicksal. Die Männer der I.G. Farbenindustrie A.G. Weinheim: VCH Verlagsgesellschaft 1990.

Klee, Ernst: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Frankfurt am Main: Fischer 2003.

Schmaltz, Florian: Kampfstoff-Forschung im Nationalsozialismus. Zur Kooperation von Kaiser-Wilhelm-Instituten, Militär und Industrie. Göttingen: Wallstein 2005.

Weiß, Hermann (Hg.): Biographisches Lexikon zum Dritten Reich. Frankfurt am Main: Fischer 1998.

[1] Otto Ambros: Gedanken zu meiner Verurteilung durch das Nürnberger Gericht am 29./30. Juli 1948. Im Oktober 1948. Unveröffentlichtes Manuskript, 39 Seiten. BASF-Archiv, Nürnberg I, Privatakte Dr. Heintzeler, S. 2.

[2] Otto Ambros, Brief an ter Meer und Struß, 12.4.1941, NI-11118. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI.

[3] Zit. n. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Frankfurt am Main: Fischer 2003, S. 15.