Polnische Arbeiter bei I.G. Auschwitz
(Piotr Setkiewicz: Ausgewählte Probleme aus der Geschichte des IG Werkes Auschwitz. In: Hefte von Auschwitz 22 (2002), S. 7–147, hier S. 115.)
(Paul Steinberg: Chronik aus einer dunklen Welt. Ein Bericht. Aus dem Französischen von Moshe Kahn. München: Hanser 1998, S. 72.)
Polen bildeten die größte Gruppe ‚ausländischer‘ Arbeiter auf der Baustelle der I.G. Farben, im März 1944 waren 7.700 von ihnen bei der I.G. Auschwitz beschäftigt. Zum größeren Teil waren sie als zivile Arbeitskräfte gekommen und in Barackenlagern in Fabriknähe untergebracht. Ein Teil war jedoch als Zwangsarbeiter bei Razzien verschleppt worden und im sogenannten „Zwangsarbeiterlager III-Teichgrund“ (Zwangsarbeiterlager Nummer 50 für Polen) untergebracht. Hier lebten sie bis zur Auflösung des Lagers am 10. März 1944 unter schweren Bedingungen (geringe Essensrationen, Enge, schlechte sanitäre Ausstattung). Danach erhielten die polnischen Inhaftierten „Arbeiterausweise der I.G., das Recht auf Belohnung und das Verlassen der Baracken in der arbeitsfreien Zeit“[1], waren also den polnischen Zivilarbeitern gleichgestellt.
Die Zivilarbeiter stammten aus ganz Polen: Eine große Zahl kam zur Arbeit aus Auschwitz oder den benachbarten Dörfern, andere stammten von weiter her und kamen in bereitgestellten Barackenlagern unter. Die meisten waren von den Arbeitsämtern zugewiesen worden und hatten gehofft, auf diese Weise der Verschleppung zur Zwangsarbeit nach Deutschland entgehen zu können.
Polnische Arbeiter wurden als ‚Arbeiter zweiter Kategorie‘ behandelt: Die deutsche Belegschaft wurde auf Betriebsversammlungen instruiert, gegenüber Polen und anderen Ausländern Distanz zu wahren. Die polnischen Arbeiter erhielten niedrigere Löhne, geringere Lebensmittelrationen in schlechterer Qualität, weniger Kleidung und hatten höhere Abgaben zu zahlen. Sozialleistungen oder gar kulturelle Angebote erhielten Polen nicht Die I.G. Auschwitz finanzierte ihnen „im Rahmen ihrer sozialen Tätigkeiten nur den Bau eines Bordells“[2]. Im Krankheitsfall wurden sie seltener behandelt, die deutschen Ärzte sahen sie oftmals als Simulanten an und weigerten sich, polnische Arbeiter krank zu schreiben. Zusätzliche von der Gestapo in Kattowitz im April 1943 angeordnete Repressalien und Überwachungsmaßnahmen verhinderten, dass polnische Arbeiter zu ihren Familien reisen konnten.
Die schwer erträglichen Arbeits- und Lebensbedingungen in Verbindung mit der grundsätzlich feindlichen Einstellung der meisten polnischen Arbeiter gegenüber der deutschen Besatzung führten zu zahlreichen Fluchten von der Baustelle: Eine I.G.-interne Statistik vom 30. September 1942 nennt 121 geflüchtete von 369 polnischen Arbeitern, von denen nur ein verschwindend geringer Prozentsatz „rückgeführt“ werden konnte.
Zahlreiche bei der I.G. beschäftigte polnische Arbeiter leisteten Widerstand, versuchten im Rahmen ihrer Möglichkeiten, Sabotage zu betreiben, und halfen oftmals auch den KZ-Häftlingen. In vielen Fällen galt ihre Hilfe verhafteten „Landsleuten“, also polnischen KZ-Häftlingen, denen in einzelnen Fällen auch die Flucht ermöglicht wurde. Einige Häftlinge schlossen aus dem Fehlen jeglicher Hilfeleistung
Im Januar 1945, noch vor dem Eintreffen der Roten Armee, entkamen viele polnische Arbeiter einzeln oder in Gruppen aus ihren Barackenlagern und machten sich auf den Weg nach Hause.
(SP)