Die Stiftung „I.G. Farbenindustrie“
(Ja, wenn ... dann ... I.G. Farben, die verhinderte Geschichte einer Abwicklung. Interview mit Hans Frankenthal. In: Diskus 48 (1999), H. 3, http://www.copyriot.com/diskus (Zugriff am 18.2.2008).)
Auf der Hauptversammlung der I.G. Farben in Liquidation am 18. August 1999 brachte der Vorstand der Gesellschaft den Antrag ein, „unter Wahrung aller Rechte der Gläubiger und Anteilscheininhaber“[1] eine Stiftung zur Entschädigung ehemaliger I.G.-Zwangsarbeiter zu gründen. Das Stiftungskapital in Höhe von 3 Millionen DM sollte durch den Verkauf einer Gewerbeimmobilie eingebracht werden. Aus den Zinserträgen, etwa 200.000 bis 300.000 DM jährlich, sollten ehemalige Zwangsarbeiter/innen der I.G. entschädigt werden. Der Antrag wurde von den Aktionären mit großer Mehrheit angenommen. Den Forderungen der durch den I.G. Farben-Konzern Geschädigten hat die Absichtserklärung nicht genügt. Überlebende des KZ Buna/Monowitz wie zum Beispiel Hans Frankenthal machten auf die niedrige Kapitalausstattung der geplanten Stiftung aufmerksam. Die geringe Höhe des Stiftungskapitals stelle „keine ernstzunehmende Vorstellung von Entschädigung“[2] dar.
2001 wurde die Stiftung „I.G. Farbenindustrie“ gegründet, allerdings nur mit einer Einlage von 500.000 DM resp. 255.000 Euro. Mit Verweis auf ihre eigene Stiftung verweigerte I.G. Farben i. L. eine Beteiligung an der „Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft“ zur Entschädigung von NS-Zwangsarbeiter/innen.
Im Fokus des Interesses der I.G. Farben i.L. stand seit 2001 das Vermögen der Firma Interhandel. Die Interhandel war 1928/29 von der I.G. Farben unter der Bezeichnung I.G. Chemie in Basel als Finanzholding für Auslandsbeteiligungen gegründet worden. 1940 hatte der Konzern alle offiziellen Beziehungen zu seinem Tochterunternehmen abgebrochen, um so die Beschlagnahme der von der Interhandel kontrollierten General Aniline and Film Corporation (GAF) in den USA durch den US-Treuhänder für ‚Feindvermögen‘ zu vermeiden – was jedoch misslang, die GAF wurde am 24. April 1942 beschlagnahmt. Nach Kriegsende folgte eine Auseinandersetzung zwischen der US-Regierung einerseits und der Interhandel sowie der Schweizer Regierung andererseits, bis die GAF-Anteile schließlich 1965 an der Wallstreet verkauft wurden. Den Erlös teilten sich Interhandel und US-Regierung. „Der ‚schweizerische‘ Teil floss privaten Nutznießern zu; der amerikanische dem öffentlichen War Claims Fund, aus dem kriegsgeschädigte Amerikaner kompensiert wurden.“[3] Diesen ‚schweizerischen Teil‘ wollte die I.G. Farben i.L. schon in den 1980er Jahren vor bundesdeutschen Gerichten einklagen, scheiterte jedoch letztinstanzlich vor dem Bundesgerichtshof.
In den Jahren 2004 bis 2007 unternahm die Stiftung „I.G. Farbenindustrie“ gemeinsam mit der Aktionärsvereinigung der I.G. Farben i.L. vor US-amerikanischen Gerichten einen weiteren Versuch in diese Richtung und erklärte, aus dem Erlös die Zwangsarbeiter/innen der I.G. entschädigen zu wollen. Inzwischen gehörte die Interhandel zur Union de Banques Suisses (UBS), der Wert des ‚schweizerischen Teils‘ wurde auf 3,4 Milliarden US-Dollar geschätzt. Für dieses Verfahren hatten die I.G. Farben i.L. schon seit 1999 versucht, ehemalige I.G.-Zwangsarbeiter einzubinden, die dies jedoch immer wieder ablehnten.
Währenddessen hatte die Stiftung „I.G. Farbenindustrie“ ihr Archiv von Frankfurt am Main nach Schwerin verlegt. Seit 2007 konnte ein Teil des Archivs nach Frankfurt am Main zurückkehren, wo es am Fritz Bauer Institut der wissenschaftlichen Forschung zur Verfügung gestellt wird.
(MN/PEH)