Glossar

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Zwangsarbeit in der deutschen Industrie während des NS

Die Zwangsarbeiter/innen, die seit Kriegsbeginn im September 1939 nach Deutschland gebracht wurden, waren anfangs hauptsächlich für die Landwirtschaft bestimmt. Ab 1940 setzten die deutschen Behörden Zwangsarbeiter/innen und KZ-Häftlinge vermehrt zu schweren Arbeiten, etwa im Bergbau oder bei der Errichtung von Fabrikanlagen, ein. Nach der NS-Rassenideologie als minderwertig angesehene Menschen, vor allem Juden und Jüdinnen, wurden so bis zu ihrem Tod durch Erschöpfung als Arbeitskräfte ausgebeutet.

 

Für Unternehmen machte sich die Beschäftigung von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter/innen aus Osteuropa bezahlt, da diese deutlich geringere Löhne bekamen als deutsche Arbeiter/innen und für sie keinerlei Sozialabgaben bezahlt werden mussten. Viele Großunternehmen profitierten in der NS-Zeit von Rüstungsaufträgen. Sie konnten dadurch Rationalisierungs- und Erweiterungsinvestitionen vornehmen und sich eine gute wirtschaftliche Position für die Zeit nach dem Krieg erarbeiten. Kleineren Betrieben und solchen, die keine rüstungswirtschaftlich bedeutsamen Produkte herstellten, entzogen die Behörden ihre Arbeitskräfte. „Insofern erwies sich der massive Einsatz von Zwangsarbeitern aus Sicht der Unternehmen als klare Konsequenz einer übergeordneten Wachstums- und Überlebensstrategie.“[1]

 

Der systematische Einsatz von KZ-Häftlingen sollte insbesondere den SS-eigenen Wirtschaftsbetrieben (hauptsächlich Erd- und Steinbetriebe) zum Aufschwung verhelfen. In den KZ Buchenwald und Neuengamme wurde versucht, den Plan einer eigenen SS-Rüstungsindustrie umzusetzen. Dies scheiterte jedoch an der organisatorischen Überforderung der SS. Ab Sommer 1942 wurden KZ-Häftlinge vermehrt in der Rüstungsindustrie eingesetzt. Betriebe konnten gegen eine geringe Gebühr bei der SS Häftlinge zur Arbeit ‚leihen‘. Etliche Betriebe machten von KZ-Häftlingen ‚Gebrauch‘, darunter Daimler-Benz AG, Ernst Heinkel Flugzeugwerke AG, Züblin AG, Siemens AG, Philipp Holtzmann AG oder die Adler-Werke AG in Frankfurt am Main. Bereits im März 1941 hatten die I.G. Farben und die Steyr-Daimler-Puch AG mit dem massenhaften Einsatz von KZ-Häftlingen begonnen. Dieser Einsatz von Häftlingen diente vielen Unternehmen als Vorbild. Das privatwirtschaftliche Unternehmen, das die meisten Häftlinge einsetzte, war neben der I.G. Farben die Hugo Schneider AG (HASAG). Dort wurden die Häftlinge zu Tausenden in der Rüstungsproduktion zugrundegerichtet. Doch kam es vereinzelt auch vor, dass Unternehmer, wie Oskar Schindler oder Berthold Beitz, ‚ihre‘ jüdischen Häftlinge als unabkömmlich für ihre kriegswichtigen Betriebe deklarierten, um sie so vor der Deportation in eines der Vernichtungslager zu bewahren.

 

Ohne den Einsatz von ausländischen Arbeiter/innen wäre dem Deutschen Reich seit 1942 ein Fortführen des Krieges nicht möglich gewesen, da die Produktion in der Landwirtschaft und der Industrie ohne diese Arbeitskräfte nicht hätte aufrechterhalten werden können. Im September 1944 waren rund 3,5 Millionen ausländische Arbeiter/innen und Kriegsgefangene in der deutschen Industrie beschäftigt.

(BG/SP)



Literatur

Eichholtz, Dietrich: Zwangsarbeit in der deutschen Kriegswirtschaft (unter besonderer Berücksichtigung der Rüstungsindustrie). In: Ulrike Winkler (Hg.): Stiften gehen. NS-Zwangsarbeit und Entschädigungsdebatte. Köln: PapyRossa 2000, S. 10–40.

Herbert, Ulrich: Fremdarbeiter. Politik und Praxis des „Ausländer-Einsatzes“ in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches. Berlin/Bonn: Dietz 1985.

Spoerer, Mark: Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz. Stuttgart/München: DVA 2001.

[1] Mark Spoerer: Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz. Stuttgart/München: DVA 2001, S. 189.