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Ankunft im KZ Buna/Monowitz

Benjamin Grünfeld: Selektion bei der Ankunft in Birkenau, o.J.'© Benjamin Grünfeld
Benjamin Grünfeld: Selektion bei der Ankunft in Birkenau, o.J.
© Benjamin Grünfeld

Die Deportationszüge mit Juden und Jüdinnen aus ganz Europa kamen von Frühjahr 1942 bis Mai 1944 an der ‚Alten Rampe‘ am Güterbahnhof von Auschwitz, danach an der Rampe in Birkenau an, zum Teil auch im freien Gelände. Bei ihrer Ankunft wurden die Deportierten oft mit Schreien und Schlägen von der SS aus den Waggons getrieben. Dabei mussten auch Häftlinge des „Kanada-Kommandos“ helfen, die später das zurückgelassene Gepäck der Angekommenen einzusammeln hatten. (Nur bei wenigen Transporten wurden die zur Zwangsarbeit Selektierten mit ihrem Gepäck ins KZ Buna/Monowitz gebracht.) Direkt neben dem Zug fand die erste Selektion durch SS-Offiziere, ab März 1943 ausschließlich durch SS-Ärzte statt, nur die „Arbeitsfähigen“ wurden zur Zwangsarbeit in Auschwitz und seinen zahlreichen Nebenlagern, darunter das KZ Buna/Monowitz, aussortiert. Kinder unter 16 Jahren, Frauen mit Kindern und Alte wurden sofort zur Ermordung in die Gaskammern geschickt. Oft wurden sie mit Lkws weggebracht. Da es hieß, diese Lkws brächten die Schwachen zur Erholung fort, stiegen manchmal auch andere auf die Lkws, die sich nach der Deportation im Viehwaggon geschwächt fühlten. Etwa 70–80% der Ankommenden wurden direkt ins Gas geschickt.

 

Die Übriggebliebenen wurden zu Fuß oder auf Lkws in die Quarantäneblöcke des Stammlagers und Birkenaus bzw. direkt in die Quarantäneblöcke des KZ Buna/Monowitz gebracht. Dort mussten sie sämtliche Wertsachen und ihre Kleidung abgeben, kamen zur „Entlausung“ und wurden in kalte Duschen geführt. Häftlinge hatten sie am Kopf und am ganzen Körper zu rasieren. Diese Prozedur dauerte manchmal Stunden. Die Neuankömmlinge erfuhren häufig bereits zu diesem Zeitpunkt von den Häftlingen, dass ihre Angehörigen, von denen sie so plötzlich getrennt worden waren, in Birkenau ermordet wurden.

 

Nach der Rasur wurden die Neuankömmlinge nackt zur Kleiderausgabestelle getrieben, wo sie einen Satz Häftlingskleidung erhielten: Hose und Jacke aus blau-weiß gestreiftem Baumwoll-Drillich, ein Hemd, eine Unterhose, eine Mütze und in der Regel Holzschuhe. Dann wurden sie von Häftlingen unter Aufsicht der SS registriert und den „nichtarischen“ Häftlingen die Häftlingsnummer in den linken Unterarm tätowiert. Im KZ Buna/Monowitz erhielt jeder Häftling zwei Stoffstreifen mit Nummer und Winkel, die er auf der Jacke in Brusthöhe und auf der Hose am rechten Oberschenkel annähen musste. Ihrer Individualität beraubt fanden sich die Neuankömmlinge in einer ihnen unverständlichen Umgebung wieder. Die Ankunft und die plötzliche Trennung von den Angehörigen müssen wie ein Schock gewesen sein. Der Anblick der ausgemergelten Häftlinge auf den Lagerstraßen dürfte ihnen zudem schnell klar gemacht haben, welches Schicksal auch ihnen zugedacht war.

 

Während der zahlreichen Fleckfieberepidemien in Auschwitz wurden die neu angekommenen Häftlinge nicht sofort in das KZ Buna/Monowitz gebracht. Als Quarantänemaßnahme kamen sie erst nach einigen Tagen aus dem Stammlager oder Birkenau ins KZ Buna/Monowitz, wo sie erneut „entlaust“ und registriert wurden. Am nächsten Tag wurden sie zur Arbeit auf der Baustelle der I.G. Farben eingeteilt. Wurden Häftlinge direkt in das KZ Buna/Monowitz „überstellt“, isolierte die SS sie für mehrere Wochen beim Arbeitseinsatz auf der Baustelle. Diese Quarantänemaßnahme konnte ab Winter 1942/43 bis zu sechs Wochen dauern. Doch wurden die Häftlinge aus manchen Transporten auch direkt am Tag nach ihrer Ankunft bereits auf der Baustelle eingesetzt. Wegen des großen Arbeitskräftebedarfs der I.G. Auschwitz wurden aus einem großen Transport häufig alle „arbeitsfähigen“ Männer von der SS geschlossen zur Zwangsarbeit ins KZ Buna/Monowitz geschickt.

 

Gerade in der Anfangszeit, im Oktober und November 1942, wurden zum Aufbau des Lagers auch Gruppen „arbeitsfähiger“ Männer aus anderen KZ, vor allem aus Buchenwald, Sachsenhausen und Dachau, geschlossen ins KZ Buna/Monowitz „überstellt“. Im Laufe des Jahres 1944 wurden neben den Transporten aus ganz Europa Gruppen jüdischer Zwangsarbeiter aus anderen Zwangsarbeitslagern in Polen nach Auschwitz gebracht. Diese Männer hatten teils schon jahrelang Zwangsarbeit in Lagern leisten müssen, wie z.B. in Ostrowiec oder in Szebnie, bevor sie nun auf Grund der heranrückenden Roten Armee zu weiterer Zwangsarbeit ins westlicher gelegene Auschwitz „evakuiert“ wurden. Sie kamen direkt zur Registrierung ins KZ Buna/Monowitz, von ihren Angehörigen waren sie schon viel früher getrennt worden.

(MN)



Literatur 

Wagner, Bernd C.: IG Auschwitz. Zwangsarbeit und Vernichtung von Häftlingen des Lagers Monowitz 1941–1945. München: Saur 2000.

White, Joseph Robert: IG Auschwitz: The Primacy of Racial Politics. Dissertation, University of Nebraska at Lincoln, NE, 2000.