Kleidung
(Primo Levi: Ist das ein Mensch? Erinnerungen an Auschwitz. Frankfurt am Main: Fischer 1961, S. 34.)
(Jean Améry: Jenseits von Schuld und Sühne. Bewältigungsversuche eines Überwältigten. Stuttgart: Klett-Cotta 1997, S. 30–31.)
Die bei ihrer Ankunft in Auschwitz zur Zwangsarbeit für I.G. Farben selektierten Männer erhielten die einheitliche Häftlingskleidung des KZ Auschwitz: eine Hose und Jacke in blauweiß-gestreiftem Baumwolldrillich, Hemd und Unterhose, eine gestreifte Mütze, Schuhe. Auf Hose und Jacke waren Stoffstreifen mit Winkel und Häftlingsnummer anzubringen. Die Schuhe
Jeder Häftling erhielt nur eine Garnitur Wäsche. Der Verlust von Kleidungsstücken, vor allem der Mütze wurde bestraft. Die Kleidung konnte nur alle 6–8 Wochen gewechselt werden. Die verdreckte Kleidung kam in die Desinfektionskammer, wo sie ab 1944 nicht mehr gewaschen, sondern nur noch mit Dampf desinfiziert und erneut ausgegeben wurde. Die Häftlinge hatten keine Seife und selten die Kraft, ihre Kleidung in der wenigen freien Zeit zu waschen. Die einzige Ausnahme bestand darin, dass die Kleidung von Häftlingen, die in I.G.-Büros arbeiteten, häufiger gewaschen wurde. Im Allgemeinen trug die dreckige und häufig schadhafte Kleidung jedoch zum elenden Erscheinungsbild der Häftlinge bei. Es wurde aber verlangt, dass die Kleidung ordentlich aussehen sollte, z.B. immer alle Jackenknöpfe ordentlich angenäht zu sein hatten
Im Winter erhielten die Häftlinge einen Häftlingsanzug aus etwas stärkerem Material und mit großem Glück auch einen Mantel oder Pullover. Im Laufe des Jahres 1944 gingen die gestreiften Anzüge aus, so dass an die Häftlinge auch Zivilkleidung aus der Effektenkammer ausgegeben wurde, die mit einem roten Strich oder Stoffstreifen gekennzeichnet war. Auch berichten manche überlebende Häftlinge des KZ Buna/Monowitz, dass sie ihre Schuhe bei der Ankunft behalten durften, so Miroslav Ribner, der im Sommer 1944 dorthin kam.
Bereits vorher war es Funktionshäftlingen möglich, durch die Untergrundökonomie von Auschwitz Zivilkleidung, Wollpullover, Lederjacken und Schuhe aus „Kanada“ zu erhalten. Kleidung und Schuhe wurden im Lager oder auch an Zivilarbeiter auf der Baustelle gegen Lebensmittel getauscht. Manche Häftlinge wurden von britischen Kriegsgefangenen mit Kleidungsgeschenken unterstützt. Durch das Flicken, Waschen oder Bügeln der Kleidung von Funktionshäftlingen oder auch durch das Organisieren von Kleidung ließ sich zusätzliches Essen verdienen, ebenso durch den Handeln mit auf der Baustelle gestohlenem Öl oder Fett. Dieses wurde von den Blockältesten benötigt, um der Lageranordnung nachkommen zu können, dass die Häftlinge ihre Holzschuhe zu polieren hatten.
Die Holzschuhe führten zu Blasen, offenen Stellen und einem ungewöhnlich starken Auftreten von Phlegmonen. Manche Häftlinge versuchten, Stofflappen einzutauschen, um diese um die Füße zu wickeln. Doch fand die Arbeit auf der Baustelle häufig im aufgeweichten Erdboden statt, so dass Dreck und Feuchtigkeit die Infektionsgefahr erhöhten. Die dünne Häftlingskleidung schützte nur unzureichend gegen die Kälte. Im Winter kam kaum ein Kommando ohne Erfrierungen von der Arbeit zurück, manchmal gab es 30 Tote am Tag. Da die I.G. nur in seltenen Fällen Schutzkleidung wie Handschuhe oder Brillen an die Häftlinge ausgab, kam es beim Ausladen von Ziegeln oder Eisen mit bloßen Händen oft zu Verletzungen, im Winter zu schlimmen Erfrierungen bei Häftlingen, die in Eisen- oder Kabelkommandos arbeiteten, da die Haut manchmal am Metall festfror. Weniger als 10% der Häftlinge stellte die Werksleitung Fausthandschuhe zur Verfügung, machte damit aber deutlich, dass ihr deren Notwendigkeit eigentlich bekannt war. Einzelne Meister konnten versuchen, bessere Kleidung für ihr Kommando zu bekommen.
Obwohl dies verboten war, versuchten Häftlinge, ihre dünne Häftlingskleidung mit Zementsäcken, Papier oder Stroh gegen die Kälte zu füttern. Besonders, als die SS am 18. Januar 1945 das KZ Buna/Monowitz räumte, versuchten Häftlinge, ihre Kleidung vor dem Marsch durch Schnee und Kälte so zu verstärken. Viele der Häftlinge, die in Holzschuhen und nur mit Jacke und Hose bekleidet, durch den Schnee marschieren mussten, überlebten den Todesmarsch nicht.
(MN)