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Carl Krauch (1887–1968)

Carl Krauch. Fotoaufnahme aus der National Archives Collection of World War II War Crimes Records vom Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben'© National Archives, Washington, DC
Carl Krauch. Fotoaufnahme aus der National Archives Collection of World War II War Crimes Records vom Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben
© National Archives, Washington, DC

 a  „Bezüglich der chemischen Waffe ist Lage für Deutschland-Italien günstiger aus folgenden Gründen:

a) Breite, praktisch unbegrenzte Rohstofflage für alle K’stoffe […]

b) Im Vergleich zu Sprengstoff und Pulver raschere Steigerung der K’stoff-Kapazität möglich […]

c) […] K’stoffbombenherstellung rasch, einfach, billig[…]

f) Es gibt bisher kein Mittel, um gegenüber fortgesetztem K’stoff-Einsatz den Fortgang des normalen Lebens zu sichern. Daher starker Produktionsrückgang bei angegriffener Industrie und Demoralisation bei angegriffener Bevölkerung zu erwarten.“

(Langfristiges Kampfstoff-Großprogramm der Reichsstelle für Wirtschaftsausbau vom August 1939. Zit. n. Hans Günter Brauch / Rolf-Dieter Müller (Hg.): Chemische Kriegführung – Chemische Abrüstung. Dokumente und Kommentare. Berlin: Berlin-Verlag Spitz 1985, S. 165–166.)

 

 b  Das Gericht im Nürnberger I.G. Farbenprozess urteilte über den Hauptangeklagten Krauch: „Krauch bestreitet energisch, daß er sich an der Beschaffung von Sklavenarbeitern beteiligt habe […] Er hat jedoch, und zwar nach unserer Überzeugung wissentlich, am Einsatz von Zwangsarbeitern in Auschwitz und an anderen Orten teilgenommen, wo derartige Arbeiter in chemischen Betrieben beschäftigt wurden […] Nach alledem kommen wir zu der Entscheidung, daß Krauch wegen seiner Tätigkeit bei dem Einsatz von Konzentrationslagerhäftlingen und ausländischen Fremdarbeitern sich im Sinne des Anklagepunktes drei schuldig gemacht hat.“

(Das Urteil im I.G.-Farben-Prozess. Der vollständige Wortlaut. Offenbach am Main: Bollwerk 1948, S. 131–133.)

„Die IG Farben konnten zur Errichtung einer Buna-Fabrik an sich nicht gezwungen werden. Das Reichswirtschaftsministerium trat an sie mit dem diesbezüglichen Antrag heran. Der Vorstand von IG Farben, bestehend aus den Herren Schmitz, als Vorsitzender, Ilgner, von Schnitzler, von Knieriem, Christian Schneider, ter Meer, Ambros, Bütefisch etc. – konnte den Bau beschliessen oder ablehnen.“[1]

 

Carl Krauch wurde am 7. April 1887 als Sohn des Chemikers und Apothekers Carl Krauch und seiner Frau Martha (geb. Schwaderer) in Darmstadt geboren. Nach dem Schulabschluss studierte er ab 1906 Chemie und Botanik in Gießen und Heidelberg und schloss 1911 mit dem Doktorexamen ab. Nach einem Jahr als Assistent an der Universität Heidelberg trat Carl Krauch 1912 bei der Badischen Anilin- und Sodafabrik (BASF) ein. 1914 wurde er zum Kriegsdienst eingezogen, bereits ein Jahr später jedoch von seinem Arbeitgeber als unabkömmlich zurückgefordert. Er durchlief die BASF-Werke in Oppau und Leuna. In ersterem war er nach der Explosion 1921 zunächst für den Wiederaufbau zuständig, anschließend als stellvertretender Werksleiter tätig. 1919 war er Prokurist geworden, 1926 wurde er zum stellvertretenden, 1934 zum ordentlichen Vorstandsmitglied der I.G. Farben ernannt. Carl Krauch war mit Marie Elisabeth Lüders verheiratet, aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor. Sein Sohn Carl Heinrich wurde später ebenfalls Chemiker bei BASF.

 

1929 war Carl Krauch die Leitung der neu geschaffenen Sparte I (Stickstoff, Öle, Gruben) übertragen worden. In dieser Eigenschaft führte er im Auftrag Carl Boschs Verhandlungen mit der Standard Oil, die 1930 in die Gründung der Joint American Study Company (Jasco) mündeten. Ab 1935 steuerte er als Leiter der „Vermittlungsstelle W[ehrmacht]“ die Zusammenarbeit zwischen dem Konzern und den Reichsbehörden, ein Jahr später beauftragte ihn Göring mit der Leitung der „Abteilung für Forschung und Entwicklung im Amt für Deutsche Roh- und Werkstoffe“. Krauch behielt neben dieser Tätigkeit alle seine I.G.-Ämter inne. 1937 trat Carl Krauch der NSDAP bei und wurde Senator der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. 1938 wurde er zum „Wehrwirtschaftsführer“ und „Generalbevollmächtigten für Sonderfragen der chemischen Erzeugung beim Beauftragten des Führers für den Vierjahresplan“ (GBChem) ernannt. Krauch wurde so zu einer „Schlüsselfigur der Verflechtung von NS-Staat und IG Farben“[2] und machte in Industrie und Politik parallel Karriere: Im Mai 1940 wurde er als Nachfolger Carl Boschs zum Aufsichtsratsvorsitzenden der I.G. Farben ernannt, zwei Jahre später zum kommissarischen Leiter des Reichsamtes für Wirtschaftsausbau. Hauptsächlich setzte sich Krauch im Bereich der Aufrüstung ein, er plädierte vehement für die Konzentration auf chemische Kampfstoffe  a  und sorgte für die Belieferung der Wehrmacht mit Buna, Giftgas und Sprengstoffen – den Produkten der I.G. Farben.

 

Für „Siege auf dem Schlachtfeld der deutschen Industrie“ verlieh ihm Adolf Hitler 1939 das Eiserne Kreuz. In seiner Eigenschaft als „GBChem“ nutzte er seine politischen Beziehungen, um im Februar 1941 von Heinrich Himmler eine Zusage jeder möglichen Hilfe für den Bau des neuen Buna-Werkes der I.G. in Auschwitz zu erhalten. Krauch erhielt die Ehrendoktorwürde der Universität Heidelberg und eine Ehrenprofessur der Universität Berlin verliehen.

 

Nach Kriegsende wurde Krauch von der US-amerikanischen Besatzungsmacht unter Hausarrest gestellt und im Nürnberger Prozess „Gegen Carl Krauch u.a.“ am 30. Juli 1948 wegen „Versklavung“, des menschenverachtenden Einsatzes von Konzentrationslagerhäftlingen auf der Baustelle der I.G. Auschwitz, zu sechs Jahren Haft verurteilt.  b  Im Sommer 1950 wurde er wegen guter Führung aus dem Gefängnis entlassen.

 

Anschließend wurde er Aufsichtsratsmitglied der Bunawerke Hüls. Im 1. Frankfurter Auschwitz Prozess stritt er in seiner Zeugenvernehmung am 19. Februar 1965 ab, von den Vorgängen in Monowitz gewusst zu haben. Carl Krauch starb am 3. Februar 1968.

(SP)



Quellen

Carl Krauch, Eidesstattliche Erklärung, 13.2.1947, NI-4033. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, ADB 72 (d), Bl. 105–106.

Carl Krauch, Eidesstattliche Erklärung, 22.4.1947, NI-6525. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, ADB 11 (d), Bl. 133–135.

Carl Krauch, Positionen nach Anhang A, 20.8.1947, NI-9826. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, ADB 11 (d), Bl. 130–132.

Carl Krauch, Zeugenvernehmung vom 19.2.1965, Auschwitz-Prozess, StA Frankfurt am Main, 4 Ks 2/63. In: Der Auschwitz-Prozess. Tonbandmitschnitte, Protokolle und Dokumente. DVD-ROM. 2., durchgesehene und verbesserte Auflage. Hg. v. Fritz Bauer Institut und dem Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau. Berlin: Directmedia 2005.

 

Literatur

Der Auschwitz-Prozess. Tonbandmitschnitte, Protokolle und Dokumente. DVD-ROM. 2., durchgesehene und verbesserte Auflage. Hg. v. Fritz Bauer Institut und dem Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau. Berlin: Directmedia 2005.

Brauch, Hans Günter / Müller, Rolf-Dieter (Hg.): Chemische Kriegführung – Chemische Abrüstung. Dokumente und Kommentare. Berlin: Berlin-Verlag Spitz 1985.

Hachtmann, Rüdiger: Wissenschaftsmanagement im ‚Dritten Reich‘. Geschichte der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Göttingen: Wallstein 2007.

Hayes, Peter: Carl Bosch and Carl Krauch: Chemistry and the Political Economy of Germany, 1925–1945. In: Journal of Economic History 47 (1987), H. 2, S. 353–363.

Heine, Jens Ulrich: Verstand & Schicksal. Die Männer der I.G. Farbenindustrie A.G. Weinheim: VCH Verlagsgesellschaft 1990.

Krauch, Karl: Über Hydrazinabkömmlinge des Hydrazidicarbonesters. Heidelberg: Hellmuth 1912.

Krauch, Carl: Über den Einsatz der Forschung im Rahmen des Vierjahresplans (Vortrag anläßlich der Eröffnung des Hauses der Deutschen Wissenschaft in Berlin am 30. Oktober 1940). In: Der deutsche Chemiker. Mitteilungen aus Stand/Beruf und Wissenschaft. Beilage zur Zeitschrift des Vereins Deutscher Chemiker 7 (1941), H. 1/2, S. 1–2.

Das Urteil im I.G.-Farben-Prozess. Der vollständige Wortlaut. Offenbach am Main: Bollwerk 1948.

Weiß, Hermann (Hg.): Biographisches Lexikon zum Dritten Reich. Frankfurt am Main: Fischer 1998.

[1] Carl Krauch, Eidesstattliche Erklärung, 13.2.1947, NI-4033. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, ADB 72 (d), Bl. 105–106, hier Bl. 105.

[2] Peter Widmann: Karl Krauch. In: Hermann Weiß (Hg.): Biographisches Lexikon zum Dritten Reich. Frankfurt am Main: Fischer 1998, S. 277–278.