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Das I.G. Farben-Haus in Frankfurt am Main

Das I.G. Farben-Haus in der Nachkriegszeit'© Foto: Herbert Edgerton
Das I.G. Farben-Haus in der Nachkriegszeit
© Foto: Herbert Edgerton

Kurz nach Gründung der I.G. Farbenindustrie AG erwarb diese 1927 für ihren Firmenhauptsitz in Frankfurt am Main ein Gelände am Grüneburgweg. In der Nähe befand sich das Grüneburg-Schlösschen der Familie Rothschild. Auf dem Gelände stand seit 1864 die städtische psychiatrische Klinik unter Leitung Heinrich Hoffmanns. Nach ihrem Abriss wurde hier nach Entwürfen des Architekten Hans Poelzig, der 1928 einen entsprechenden Wettbewerb gewonnen hatte, die Verwaltungszentrale des neuen Konzerns gebaut. Das Gebäude entstand als Stahlskelettbau, was eine Fertigstellung in weniger als zwei Jahren ermöglichte – wie ein Vertrag mit der Stadt Frankfurt vorschrieb. Das Haus, bestehend aus neun Stockwerken und einer zur Stadt hin gewölbten Querachse, die von sechs Querriegeln unterbrochen wird, erhielt daneben einen flachen Anbau, der als Labor genutzt werden sollte. Darüber hinaus gestaltete der Frankfurter Gartenbaudirektor Max Bromme die Grünanlagen.

 

2.000 Angestellte der I.G. Farben bezogen das Haus, in dem sie fortan Farbenverkauf, Zentralbuchhaltung, Fremdmusterfärberei und Propaganda des Konzerns verwalteten. Bereits die Raumverteilungskarte liest sich wie eine Weltkarte: Abteilungen u.a. für „Orient“, China, Japan, Südamerika, „Donauländer“ und „Nordische Länder“ der Sparte Farben waren untergebracht. Im I.G. Farben-Haus fanden auch die regelmäßigen Sitzungen des Verwaltungsrates statt, wesentliche Entscheidungen (etwa auch über den Bau der Fabrik I.G. Auschwitz und den Einsatz von KZ-Häftlingen) wurden hier getroffen. Den Zweiten Weltkrieg, in dessen Folge der I.G. Farben-Konzern entflochten werden sollte, überstand das I.G. Farben-Haus nahezu unversehrt.

 

Am 27. März 1945 übernahm die U.S. Army das Gebäude und richtete in den folgenden Jahren hier ihre Zentrale für Europa ein, das „Supreme Headquarter, Allied Expeditionary Forces“. Am 19. September 1945 unterzeichnete Dwight D. Eisenhower hier die Proklamation Nr. 2, die ‚Gründungsurkunde‘ der Bundesländer Hessen, Württemberg-Baden und Bayern. Sein Nachfolger Lucius D. Clay billigte hier 1948 die „Frankfurter Dokumente“, die die politische Zukunft Westdeutschlands skizzierten, und erteilte den westdeutschen Ministerpräsidenten den Auftrag, eine verfassungsgebende Versammlung einzuberufen. Auf dem Gelände entstanden in den folgenden 50 Jahren nicht nur Truppenunterkünfte, Sportflächen und eine High School, sondern auch der in der Stadt beliebte Jazzclub „Terrace Club“. Nach zwei von der RAF verübten Attentaten 1972 und 1976 mit mehreren Toten und Verletzten wurde das Gelände eingezäunt und der Zugang strikt reglementiert.

 

1995, nach dem Abzug der amerikanischen Truppen, übernahm die Johann Wolfgang Goethe-Universität Haus und Gelände. Es wurde für die Nutzung durch die Universität denkmalgerecht umgebaut. Die Auseinandersetzung mit der Geschichte des I.G. Farben-Konzerns und seiner Rolle im Nationalsozialismus wurde seither in der Universität und in der Stadt Frankfurt am Main immer wieder debattiert. Die Planung des Norbert Wollheim Memorial ist das Ergebnis dieses Diskussionsprozesses.

(SP)



Literatur

Drummer, Heike / Zwilling, Jutta: Von der Grüneburg zum Campus Westend. Die Geschichte des IG Farben-Hauses. Begleitbuch zur Dauerausstellung. Frankfurt am Main: Goethe-Universität 2007.

Loewy, Hanno / Loewy, Peter: Das IG-Farben-Haus. München: Kehayoff 2001.

Meißner, Werner / Rebentisch, Dieter / Wang, Wilfried (Hg.): Der Poelzig-Bau. Vom I.G. Farben-Haus zur Goethe-Universität. Frankfurt am Main: Fischer 1999.