Glossar

Fahren Sie mit der Maus über ein rotes Wort im Haupttext, um den Glossareintrag für dieses Wort zu sehen.

Heinrich Gattineau (1905–1985)

Heinrich Gattineau. Fotoaufnahme aus der National Archives Collection of World War II War Crimes Records vom Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben'© National Archives, Washington, DC
Heinrich Gattineau. Fotoaufnahme aus der National Archives Collection of World War II War Crimes Records vom Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben
© National Archives, Washington, DC

 a  „Hitler sagte zu, dass er unserer Benzinproduktion den nötigen Schutz gewähren würde.“

(Heinrich Gattineau, Eidesstattliche Erklärung, 13.3.1947, NI-4833. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, reel 016, Bl. 227–232, hier Bl. 231.)

 

 b  „Unter anderem war es Aufgabe der WIPO, Verbindung zu den immer zahlreicher werdenden Regierungs- und halboffiziellen Stellen zu halten. Unter anderem war es Aufgabe der WIPO, Verbindungen mit der Auslandsorganisation der NSDAP aufrecht zu erhalten. Wir verschafften die politischen Unbedenklichkeitserklärungen der A.O., die für die Ausreise der Angestellten der I.G.Farben erforderlich waren.“

(Heinrich Gattineau, Eidesstattliche Erklärung, 13.3.1947, NI-4833. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, reel 016, Bl. 227–232, hier Bl. 230.)

Heinrich Gattineau kam am 6. Januar 1905 in Bukarest zur Welt, wo sein Vater Julius Gattineau als Zahnarzt niedergelassen war. Nach dem Schulbesuch in der Schweiz wechselte er aufs Realgymnasium nach München. Heinrich Gattineau war Leichtathlet und trat 1923 der Freikorps-Gruppierung „Bund Oberland“, einem bayerischen Vorläufer der SA, bei. Aus dieser Zeit rühren Bekanntschaften mit späteren NS-Würdenträgern, die er zu Gunsten der I.G. Farben einsetzen konnte. Er studierte Volkswirtschaft und schloss 1925 mit der Diplomprüfung ab. 1927 wurde er mit dem Thema „Der Urbanisierungsprozess in Australien in seiner Bedeutung für die Zukunft der weißen Rasse“ promoviert. 1929 heiratete er Dr. Wera Fritzsche, das Paar bekam fünf Kinder.

 

Ab Januar 1928 war Heinrich Gattineau bei I.G. Farben angestellt, zunächst als Assistent Carl Duisbergs, ab 1931 als Leiter des handelspolitischen Referats und der Pressestelle der I.G. 1932 arrangierte Heinrich Gattineau ein Zu sammentreffen von I.G.-Vertretern mit Adolf Hitler, um ihm gegenüber die Bedeutung der Produktion synthetischen Benzins herauszustellen und eine Unterstützungszusage für die I.G. zu erhalten.  a  1933 trat er der SA bei und fungierte als wirtschaftlicher Berater von SA-Stabschef Ernst Röhm. Im Zuge der Niederschlagung des „Röhm-Putschs“ 1934 wurde Heinrich Gattineau verhaftet und kündigte nach seiner Haftentlassung seine Mitgliedschaft in der SA. Stattdessen trat er ein Jahr später, 1935, der NSDAP bei.

 

Von 1933 bis Januar 1938 war Gattineau Leiter der Wirtschaftspolitischen Abteilung in der Berliner I.G.-Zentrale „NW 7“, wo er für den Kontakt zur Regierung verantwortlich war.  b  1938 wurde er zum Direktor der I.G. Farben ernannt, eine Position, die er bis Kriegsende inne hatte.

 

1945 wurde Gattineau von der U.S. Army verhaftet und im Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben angeklagt, jedoch 1948 frei gesprochen. Anschließend war er Mitglied zahlreicher Vorstände und Aufsichtsräte, darunter der WASAG Chemie-AG und der Mitteldeutschen Sprengstoff GmbH. Heinrich Gattineau starb am 27. April 1985.

(SP)



Quelle

Heinrich Gattineau, Eidesstattliche Erklärung, 13.3.1947, NI-4833. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, reel 016, Bl. 227–232.

Heinrich Gattineau, Eidesstattliche Erklärung, 12.6.1947, NI-8788. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, reel 016, Bl. 239–245.

 

Literatur

Kohl, Ulrike: Die Präsidenten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Max Planck, Carl Bosch und Albert Vögler zwischen Wissenschaft und Macht. Stuttgart: Steiner 2002.

Podewin, Norbert (Hg.): Braunbuch. Kriegs- und Naziverbrecher in der Bundesrepublik und in Berlin (West) [Berlin (Ost) 1968]. Berlin: Edition Ost 2002.

Radandt, Hans: Die IG Farbenindustrie AG und Südosteuropa 1938 bis zum Ende des zweiten Weltkrieges. In: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte (1967), H. 1, S. 76–146.