Glossar

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I.G. Farben in Liquidation nach 1990 bis zur Stiftungsgründung 2003

Nach dem Beitritt der DDR zum Staatsgebiet der BRD 1990 verdreifachte sich innerhalb eines Jahres der Börsenwert der I.G.-Aktie von 10 RM auf 30 RM. Die Anleger setzten auf die Rückübereignung von Forstgebieten, Wohnungen, Ferienheimen und Betrieben auf einer Fläche von insgesamt 151 Millionen Quadratmetern an die I.G. Farben i.L. Doch bestätigte das Bundesverwaltungsgericht am 13. Februar 1995 die vom Ost-Berliner Magistrat Anfang 1949 verfügten Enteignungen von I.G.-Besitz, da diese auf besatzungsrechtlicher Grundlage zustande gekommen seien. Damit mussten die Anleger ihre Gewinnhoffnungen für Ostdeutschland endgültig aufgeben.

 

Anfang der 1990er Jahre erwarb der Finanzmakler Karl Ehlerding über die von ihm kontrollierte Württembergische Cattunmanufaktur (WCM), ursprünglich eine Tochtergesellschaft der I.G., die Mehrheit an der I.G. Farben i.L.; 1994 hielten er und WCM 75 Prozent der Anteile. In einer ‚Sonderzahlung‘ wurden 130 Millionen DM des 160 Millionen DM betragenden Kapitals der I.G. Farben i.L. an die Aktionäre, also vor allem Ehlerding und seine WCM, ausgeschüttet. Mit dem verbleibenden Geld kaufte I.G. Farben i.L. Immobilien; WCM sollte diese Wohnungen 2001 übernehmen und dafür bis spätestens Ende 2003 3 Millionen DM resp. 1,5 Millionen Euro anzahlen. Da WCM diesen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkam und die I.G. Farben i.L. ihre eigenen laufenden Zahlungsverpflichtungen deshalb nicht mehr erfüllen konnte, meldete sie im November 2003 Insolvenz an.

 

Währenddessen sahen sich die I.G.-Liquidatoren mit Protesten von Holocaust-Überlebenden, kritischen Aktionären und antifaschistischen Organisationen konfrontiert, die eine Auflösung der I.G. und eine Ausschüttung des Restvermögens an die ehemaligen Zwangsarbeiter/innen forderten. Auf der Jahreshauptversammlung 1999 schlugen die I.G.-Liquidatoren, der Bundestagsabgeordnete Otto Bernhardt und der Rechtsanwalt Volker Pollehn, beide CDU, die Gründung einer Stiftung „I.G. Farbenindustrie“ vor, welche 2001 – mit einem Kapital von 500.000 DM ausgestattet – realisiert wurde. Als Stiftungsziel war die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter/innen bestimmt, was jedoch nie geschah und wozu die Zinsen des Stiftungskapitals auch nicht ausgereicht hätten.

(MN/PEH)



Download

[pdf] Peer Heinelt_Die Entflechtung und Nachkriegsgeschichte der IG Farbenindustrie AG

 

Literatur

Bundesverwaltungsgericht – Urteil vom 13.2.1995 (7 C 53.94).

DDR belebt IG Farben. In: Die Zeit, 27.7.1990, http://www.zeit.de/1990/31/DDR-belebt-IG-Farben (Zugriff am 24.6.2008).

Reuter, Wolfgang / Tietz, Janko: Von Blut und Börsen. In: Der Spiegel, 17.11.2003, S. 110–114.

Tagesordnung der I.G. Farben Hauptversammlung am 18.8.1999, TOP 4: Gründung einer Stiftung, zit. n. http://www.kritischeaktionaere.de/Archiv/Konzernkritik/I_G__Farben/IGF-HV1999b/igf-hv1999b.html(Zugriff am 13.6.2008).