Glossar

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Max Faust (1891–1980)

 a  Der ehemalige Monowitz-Häftling Arnest Tauber sagte aus: „Die I.G. Farben wußte nicht nur über die vorkommenden Grausamkeiten Bescheid, sondern beteiligte sich selber daran. Ich sah persönlich wie Oberingenieur Faust mehrere Häftlinge mit dem Knüppel geschlagen hat, da beim Strassenbau das Fahren mit den beladenen Loren nicht so klappte, wie er es wollte. Ich weiss dass es Oberingenieur Faust war, da ich mich nach seinem Namen erkundigte.“

(Arnest Tauber, Eidesstattliche Erklärung, 3.5.1947, NI-4829. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, ADB 74 (d), Bl. 147–149, hier Bl. 148.)

 

 b  Anlässlich Heinrich Himmlers zweitem Besuch in I.G. Auschwitz notierte Faust im Wochenbericht: „18.7. Besuch des Reichsführers der SS mit großem Gefolge, darunter Obergruppenführer Schmauser und Obersturmbannführer Höß, dem der Reichsführer SS persönlich seine Beförderung zum Obersturmbannführer überbracht hat. Der Reichsführer wurde am Feierabendhaus von dem Unterzeichneten begrüßt. Wir fuhren dann zum Krafthaus und gaben dem hohen Besuch von der Hochbunkerbühne aus einen Überblick über das ganze Werk, dessen Gesamtanlage anhand eines für diesen Zweck bereitgestellten Lageplanes erklärt wurde. Der Reichsführer erkundigte sich nach den voraussichtlichen Anfahrterminen, die mit Mai bis August 1943 angegeben wurden. Er stellte hierbei die Frage, warum diese Termine nicht durch erhöhten Einsatz von Arbeitskräften noch verkürzt werden können. Wir wiesen ihn darauf auf die Schwierigkeiten bezüglich der Beschaffung von Arbeitskräften und Materialien hin. Auf die Frage, warum die Montananlage noch nicht begonnen sei, teilten wir mit, daß wir einen endgültigen Auftrag seitens des Heereswaffenamtes noch nicht erhalten hätten. Auf die Frage nach dem Grund hierfür erwiderten wir, daß sich das unserer Kenntnis entziehe, und daß sich das Heereswaffenamt wohl auch infolge der Materialschwierigkeiten noch nicht dazu hätte entschließen können. Der Reichsführer gab einem seiner Adjutanten den Auftrag, die Angelegenheit vorzumerken.

Der Reichsführer fragte ferner, ob wir – nachdem schon 3 Bunawerke in Betrieb seien – nicht jeweils wieder unsere Fabrikationsbauten nach den gleichen Plänen errichten könnten. Wir erwiderten, daß dies auch zum Teil geschehen sei, daß aber andererseits betriebliche Verbesserungen auch Änderungen der Baukonstruktionen erfordert hätten. Er meinte, wenn dadurch Zeit verloren ginge, sei es vorzuziehen, auf Grund der gleichen Planungen schneller zu bauen und dafür gewisse Nachteile in der Fabrikation in Kauf zu nehmen.

Besondere Beachtung fand die Fertigbeton-Bauweise, die er dem Obersturmbannführer Höß zur Nachahmung in den KL's der SS empfahl. Beim Abschied sagte uns der Reichsführer jede nur mögliche Unterstützung zu und forderte uns auf, uns zu melden, wenn es irgendwo fehle.“

(Auszug aus: Wochenbericht Nr. 60/61 für die Zeit vom 13.7. bis 26.7.1942, gez. Faust, NI-14551. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, Prosecution Exhibit 1991, reel 033, Bl. 353–355, hier Bl. 354.)

 

 c  Im Wollheim-Prozess sagte Faust aus, dass „die IG nicht verantwortlich war für die Unterbringung, die Verpflegung, Kleidung, kurz, für die Festlegung der personellen Sachen des einzelnen Häftlings, vielmehr war dies ausschließlich Aufgabe der SS. Dass es im Laufe der Arbeiten in Auschwitz gelungen ist, den Häftlingen diese und jene Vergünstigung zu verschaffen, so hat das die Werkleitung jedesmal monatelange Verhandlungen mit der SS gekostet.“

(Max Faust, Zeugenvernehmung, 4.12.1952. HHStAW, Abt. 460, Nr. 1424 (Wollheim gegen IG Farben), Bd. I, Bl. 164R–172R, hier Bl. 165.)

 

 d  Zu den ‚Kosten‘ eines Häftlings äußerte sich Faust im Wollheim-Prozess: „Wir mussten, da der überwiegende Teil der eingesetzten Häftlinge nicht bei der IG, sondern bei Fremdfirmen beschäftigt war und zwar war das Verhältnis etwa 20:80, natürlich den Fremdfirmen die Löhne für die Arbeiter berechnen und außerdem die RM 3,- bezw. RM 4,- an das Lager zahlen. Ausserdem hatten wir ja Auslagen 1) in Form des Baus des ganzen Lagers, 2) in Form der Unterhaltung des Lagers, 3) in der Beschaffung von Lebensmitteln. Aus diesen Gründen haben wir den Firmen für den Hilfsarbeiter 55 Pfennige pro Stunde und für den Facharbeiter 65 Pf. pro Stunde berechnet.“

(Er nennt dann noch Realvergleich üblicher Lohn: RM 1,20 – 1,30 pro Stunde.)

(Max Faust, Zeugenvernehmung, 4.12.1952. HHStAW, Abt. 460, Nr. 1424 (Wollheim gegen IG Farben), Bd. I, Bl. 164R–172R, hier Bl. 168R.)

Max Faust wurde am 5. April 1891 in Frankfurt am Main geboren. Er studierte Bauingenieurwesen und trat 1922 bei der BASF in Ludwigshafen ein. Dort arbeitete er – 1936 zum Oberingenieur befördert – in der Bauabteilung. Faust wurde im Mai 1933 NSDAP-Mitglied. 1941 wurde er zum Prokuristen der BASF ernannt. Ab Januar 1940 war er als Bauleiter bei der I.G. Farben in der Nähe von Breslau in Schlesien tätig, zunächst beim Bau des dritten Bunawerks der I.G. in Rattwitz, der im Sommer 1940 wieder eingestellt wurde, und anschließend bei der Errichtung des geheimen Nervengaswerks der I.G. Farbenindustrie in Dyhernfurth.

 

Im Januar 1941 besuchte Max Faust zum ersten Mal den Bauplatz in Auschwitz-Monowitz und schrieb ein positives Gutachten bezüglich seiner Eignung für die Zwecke der I.G. Er hatte bei diesem Besuch auch von dem bestehenden Konzentrationslager Auschwitz erfahren. Im Juni desselben Jahres übernahm Faust die Bauleitung des Werkes Auschwitz. Vom offiziellen Betriebsführer der I.G. AuschwitzOtto Ambros – wurde Faust mit der Abwicklung des Tagesgeschäfts betraut und als Stellvertreter vor Ort benannt. In dieser Eigenschaft führte Faust die Verhandlungen mit dem Lagerkommandanten des KZ Auschwitz, Rudolf Höß, über den Einsatz von Häftlingen aus dem KZ Auschwitz auf der Baustelle der I.G. Farbenindustrie. Faust gab im Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben zu Protokoll, er habe einmal die Erschießung eines Häftlings durch einen SS-Mann und „verschiedentlich erschöpfte Häftlinge herumsitzen oder liegen“[1] gesehen. Von Misshandlungen der Häftlinge durch I.G.-Angestellte wusste er; nach dem Krieg warfen ihm ehemalige Häftlinge vor, selbst Häftlinge verprügelt zu haben.  a  Faust erläuterte persönlich Heinrich Himmler bei dessen Besuch am 18. Juli 1942 den Fortgang der Bauarbeiten am Werk.  b 

 

Im Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben erklärte er nach dem Krieg zu seiner Verteidigung, er sei aus betriebswirtschaftlichen Gründen gegen den Einsatz von Häftlingen gewesen, da diese „weit weniger arbeiteten als normale Arbeiter“ und „außerdem die Misshandlungen einen schlechten Eindruck auf die deutschen und fremdländischen [sic] Arbeiter machten“.[2] Max Faust hatte das KZ Buna/Monowitz drei Mal besucht und beobachtete, dass „sich Dinge dort ereigneten, die zu verheimlichen die SS Grund hatte“[3]. Jedoch sah er die I.G. nicht in der Pflicht, für die Häftlinge – an denen sie immerhin profitierte, indem sie sie an Subunternehmer zu vielfachem Preis weitervermietete – zu sorgen.  c   d  Gemeinsam mit Betriebsleiter Walther Dürrfeld verließ er am 23. Januar 1945 als letzter die Baustelle der I.G. Auschwitz und war in der Folgezeit mit der Abwicklung des Werks beschäftigt. Nach dem Krieg sagte er als Zeuge in Nürnberg, am 8. Mai 1948, im Wollheim-Prozess am 4. Dezember 1952 und im 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess am 11. März 1965 aus. Er starb am 19. Juni 1980 als Pensionär der I.G. Farbenindustrie AG in Ludwigshafen.

(SP)



Quellen

Auszug aus: Wochenbericht Nr. 60/61 für die Zeit vom 13.7. bis 26.7.1942, gez. Faust, NI-14551. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, Prosecution Exhibit 1991, reel 033, Bl. 353–355.

Max Faust, Eidesstattliche Erklärung, 7.8.1947, NI-9819. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, Prosecution Exhibit 2349, reel 035, Bl. 883–890.

Max Faust, Zeugenvernehmung, 8.5.1948. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, Prot. (d), reel 059, Bd. 39, Bl. 14263–14319.

Max Faust, Zeugenvernehmung, 4.12.1952. HHStAW, Abt. 460, Nr. 1424 (Wollheim gegen IG Farben), Bd. I, Bl. 164R–172R.

Max Faust, Zeugenvernehmung, 11.3.1965, Auschwitz-Prozess, StA Frankfurt am Main, 4 Ks 2/63. In: Der Auschwitz-Prozess. Tonbandmitschnitte, Protokolle und Dokumente. DVD-ROM. 2., durchgesehene und verbesserte Auflage. Hg. v. Fritz Bauer Institut und dem Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau. Berlin: Directmedia 2005.

Arnest Tauber, Eidesstattliche Erklärung, 3.5.1947, NI-4829. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, ADB 74 (d), Bl. 147–149.

 

Literatur

Wagner, Bernd C.: IG Auschwitz. Zwangsarbeit und Vernichtung von Häftlingen des Lagers Monowitz 1941–1945. München: Saur 2000.

[1] Max Faust, Eidesstattliche Erklärung, 7.8.1947, NI-9819. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, Prosecution Exhibits, reel 035, Bl. 884–890, hier Bl. 887.

[2] Faust, Eidesstattliche Erklärung, 7.8.1947, Bl. 887.

[3] Faust, Eidesstattliche Erklärung, 7.8.1947, Bl. 888.