Glossar

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Norbert Wollheim

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00:00:00 Herkunft

00:05:37 Jüdisches Leben im NS

00:24:43 Deportation/Selektion

00:29:50 Alltag & Überleben im KZ Buna/Monowitz

00:43:08 Todesmärsche/Befreiung

00:50:18 Nachkriegszeit

00:53:40 Entschädigungsprozesse

„Das, was man für sich selbst tut, ist nicht genug. Man muss versuchen, sich auch um Leute zu kümmern, die weniger Glück haben als man selbst, und Hilfe und Unterstützung brauchen.“[1]  

 

Norbert Wollheim wurde am 26. April 1913 in Berlin als Sohn von Moritz Wollheim und seiner Frau Elsa (geb. Cohn) geboren. Drei Jahre zuvor war bereits seine Schwester Ruth zur Welt gekommen, sie wuchsen in einer assimilierten jüdischen Familie auf. Nach seiner Bar Mitzwa trat er der Jüdischen Jugendbewegung bei und engagierte sich in deren sozialer Arbeit. Nach dem Abitur im Jahr 1931 studierte Norbert Wollheim Jura in Berlin, er wollte Rechtsanwalt werden. Doch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten musste er das Studium aufgeben. Ab 1935 arbeitete er daher in einer Firma für Eisen- und Manganerzhandel. Im Sommer 1938 heirateten Norbert Wollheim und Rosa Mandelbrod. Nach dem 10. November 1938 gab es für 10.000 jüdische Kinder die Möglichkeit zur Ausreise: Mit den „Kindertransporten“ gelang es, bis Ende August 1939 6.–7.000 jüdische Kinder aus Deutschland nach Großbritannien (und nach Schweden) zu retten, einige weitere tausend konnten aus Österreich auswandern. Norbert Wollheim arbeitete fast rund um die Uhr für die Organisation dieser Kindertransporte in der Reichsvertretung der Juden in Deutschland. Die Arbeit war nicht nur physisch anstrengend, sondern auch psychisch: Die Organisatoren der Kindertransporte mussten nicht allein die abreisenden Kinder betreuen, sondern auch den Angehörigen Trost spenden.

 

Als nach Kriegsbeginn im September 1939 die Auswanderung nahezu unmöglich wurde, ließ sich Wollheim zum Schweißer ausbilden, bis er in Folge der „Fabrikaktion“ im März 1943 mit seiner Familie verhaftet und nach Auschwitz deportiert wurde. An der Rampe wurden Rosa und ihr dreijähriger Sohn Uriel ins Gas geschickt, Norbert Wollheim kam zur Zwangsarbeit ins KZ Buna/Monowitz. Ab Juni 1943 wurde er einem Metallfacharbeiterkommando als Schweißer zugewiesen, aus dieser Position konnte er Mithäftlingen helfen. Der Todesmarsch führte Norbert Wollheim ab Januar 1945 drei Monate durch Winter und Hunger, bis er im April gemeinsam mit zwei Freunden floh und von amerikanischen Soldaten bei Schwerin befreit wurde.

 

Norbert Wollheim ließ sich in Lübeck nieder und begann unmittelbar nach Kriegsende, sich als stellvertretender Vorsitzender des Zentralkomitees der befreiten Juden in der Britischen Zone für die Displaced Persons einzusetzen. Zudem war er maßgeblich am Wiederaufbau eines jüdischen Gemeindelebens in Deutschland beteiligt, obwohl er für sich selbst beschlossen hatte, in Deutschland nicht bleiben zu wollen. Er heiratete im Jahr 1947 erneut, mit seiner Frau Friedel (geb. Löwenberg) hatte er zwei Kinder. Norbert Wollheim sagte in mehreren Nachkriegsprozessen als Zeuge aus, so 1947 im Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben, 1949 im Harlan-Prozess. Daneben trat er mit Zeitungsartikeln und öffentlichen Reden für ein Gedenken an die Ermordeten ein und versuchte, zu einem Wandel des öffentlichen Bewusstseins in Deutschland  beizutragen. 1950 begann er seinen eigenen Kampf um Entschädigung: Mit seinem Anwalt Henry Ormond reichte er im November 1951 Klage gegen I.G. Farben beim Landgericht Frankfurt/Main ein. Das Urteil vom 10. Juni 1953 gab Norbert Wollheim in allen Punkten recht und verurteilte I.G. Farben zur Zahlung von 10.000 DM. Im folgenden Berufungsverfahren kam es im Februar 1957 zu einer außergerichtlichen Einigung: I.G. Farben zahlte 30 Millionen DM an die Überlebenden von I.G. Auschwitz. Norbert Wollheim war bereits 1951 in die USA emigriert, wo er als Wirtschaftsprüfer arbeitete. Er starb 1998 in New York.

(SP)



Quellen

Norbert Wollheim, Interview mit Nikolaus Creutzfeldt [Eng.], New York 1986–88 (Heinlyn Productions; produziert von Leslie C. Wolf). Archiv des Fritz Bauer Instituts, Transkript.

Norbert Wollheim, First Interview [Eng.], 10.5.1991. United States Holocaust Memorial Museum, Transkript.

Norbert Wollheim, Second Interview [Eng.], 17.5.1991. United States Holocaust Memorial Museum, Transkript.

Div. Dokumente aus: HHStAW, Abt. 460, Nr. 1424 (Wollheim gegen IG Farben), Bd. II.

 

Literatur

Harris, Mark J. / Oppenheimer, Deborah: Kindertransport in eine fremde Welt. München: Goldmann 2000.

Jochims-Bozic, Sigrun: Lübeck ist nur eine kurze Station auf dem jüdischen Wandersweg. Jüdisches Leben in Schleswig-Holstein 1945–1950. Berlin: Metropol 2004.

[1] Norbert Wollheim, zit. n. Mark J. Harris / Deborah Oppenheimer: Kindertransport in eine fremde Welt. München: Goldmann 2000, S. 130.