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Walther Dürrfeld (1899–1967)

Walther Dürrfeld. Fotoaufnahme aus der National Archives Collection of World War II War Crimes Records vom Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben'© National Archives, Washington, DC
Walther Dürrfeld. Fotoaufnahme aus der National Archives Collection of World War II War Crimes Records vom Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben
© National Archives, Washington, DC

 a  „Insbesondere die verstärkte Disziplinierung, die systematische Überwachung und der für Tausende tödliche Austausch entkräfteter gegen ‚neue‘ Häftlinge gehen auf die persönliche Intervention Dürrfelds zurück.“

(Bernd C. Wagner: IG Auschwitz. Zwangsarbeit und Vernichtung von Häftlingen des Lagers Monowitz 1941–1945. München: Saur 2000, S. 291.)

 

 b  Salomon Kohn, Überlebender des KZ Buna/Monowitz, sagte aus: „Die IG war ausserdem über die schlechten Zustände in Monovice noch dadurch informiert, dass die Betriebsleitung persönlich ins Lager kam, um für Facharbeiter-Kommandos Häftlinge auszusuchen. Ich habe persönlich am Tor mehrere Male Dürrfeld gesehen, der sich in Begleitung von SS-Hauptsturmführer Schwarz [dem Lagerkommandanten], SS-Obersturmführer Schöttl [dem Lagerführer] und Hauptscharführer Rakers [dem Rapportführer] befand und die ausmarschierenden Häftlinge beobachtete [...] IG-Farben hatte Angestellte, die als Kontrolleure fungierten. Die Kontrolleure gingen von Arbeitsstelle zu Arbeitsstelle und orientierten sich über die Arbeitsleistung. Sie meldeten jeden Häftling, der ihrer Meinung nach nicht genug leistete, sich zu lange auf der Toilette aufhielt oder sich am Ofen wärmte. Diese Meldungen kamen zur Betriebsführung der IG, die sie an die Lagerleitung weitergab.“

(Salomon Kohn, Eidesstattliche Erklärung, 29.5.1947, NI-10824. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, ADB 75 (d), Bl. 110–115, hier Bl. 112–113.)

 

 c  Dürrfeld gab zu Protokoll: „Von Beseitigung von Häftlingen zum Zwecke ihrer Vernichtung als Arbeitsunfähige ist mir nie etwas bekannt geworden [...] Wenn man anstelle des Wortes ‚Beseitigung nicht arbeitsfähiger Häftlinge‘ den Ausdruck ‚Auswechslung nicht arbeitsfähiger gegen arbeitsfähige Häftlinge‘ setzt, so kann man eigentlich selbst davon nicht reden, weil ich nicht übersehen konnte, ob und wieviel Häftlinge jeweils nach dem Stammlager geschickt und dafür andere Häftlinge nach Monowitz gekommen sind. Wir fanden uns nämlich arbeitsmäßig auf einer stets ansteigenden Linie des Einsatzes von Häftlingen […] Mir ist niemals bekannt geworden, daß solche Kranke, die von Monowitz nach Auschwitz zurücküberstellt wurden, der Vernichtung anheimfielen.“

(Walther Dürrfeld, Staatsanwaltschaftliche Vernehmung, 9.4.1965, Auschwitz-Prozess, StA Frankfurt am Main, 4 Ks 2/63, Bd. 94, Bl. 18906–18911, hier Bl. 18908.)

 

 d  Rudolf Höß gab in einer Eidesstattlichen Erklärung vor seiner Hinrichtung über Dürrfeld zu Protokoll: „Er war vorläufiger Leiter von Buna in Auschwitz bis zur Fertigstellung des Betriebes. Ihm waren alle Angelegenheiten in Bezug auf Verwaltung, Bau und Maschinerie unterstellt. Er besuchte auch das Lager Auschwitz selbst. Er wusste von der Vergasung von Menschen in Birkenau und war besorgt wegen der Weise, in der er diese schrecklichen Dinge seinen Mitarbeitern und Untergebenen erklären sollte. Dr. Dürrfeld, gerade so wie andere Betriebsdirektoren, war verantwortlich für die schlechte Behandlung der Insassen in demselben Maße, wie ich als Kommandant des Konzentrationslagers für die Ausschreitungen des letzten Unteroffiziers verantwortlich gewesen war.“

(Rudolf Höss, Eidesstattliche Erklärung, 20.5.1946, NI-034. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, ADB 72 (d), Bl. 120–141, hier Bl. 130.)

 

 e  Im Urteil des Nürnberger Prozesses gegen I.G. Farben heißt es: „Die Prüfung der Fälle Auschwitz und Fürstengrube hat uns von der direkten strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Angeklagten Dürrfeld, Ambros und Bütefisch überzeugt.“

(Das Urteil im I.G.-Farben-Prozess. Der vollständige Wortlaut. Offenbach am Main: Bollwerk 1948, S. 130.)

„Eines steht fest, daß, je länger Häftlinge bei uns eingesetzt wurden, sich ihr Gesundheitszustand verbesserte.“[1]

 

Walther Dürrfeld wurde am 24. Juni 1899 in Saarbrücken geboren. Nach dem Abitur wurde er 1917 zum Kriegsdienst einberufen und 1918 entlassen. Walther Dürrfeld absolvierte nach dem Ersten Weltkrieg eine Schlosserlehre und studierte anschließend von 1919 bis 1923 in Aachen Maschinenbau. Unterbrochen von zweijähriger Berufstätigkeit als Betriebsingenieur wurde er 1927 zum Dr. Ing promoviert. Im selben Jahr trat er bei der I.G. Farbenindustrie Leunawerke ein. 1932 wurde er zum Leiter der Werkstätten für den gesamten Hochdruck befördert. Seit 1934 war er Mitglied der Deutschen Arbeitsfront, 1937 trat er der NSDAP bei und wurde, als „alte[r] Segelfluglehrer von vor 1933“[2], Hauptsturmführer beim NS-Fliegerkorps.

 

1941 wurde Dürrfeld zum Prokuristen befördert und von Otto Ambros und Heinrich Bütefisch als technischer Leiter des Werkaufbaus I.G. Auschwitz eingestellt, zu dessen Direktor und provisorischem Betriebsführer er 1944 ernannt wurde. Seine ehemaligen Angestellten beschrieben ihn in ihren Aussagen vor dem Frankfurter Landgericht im Wollheim-Prozess als „Mensch, der sich für alle Belange der Belegschaft eingesetzt hat, ohne Rücksicht auf die Person.“[3] Sein Interesse an den Häftlingen war dagegen rein ökonomischer Natur, er verhandelte persönlich mit dem Kommandanten des KZ Auschwitz, Rudolf Höß, um Zuteilung möglichst vieler Arbeitskräfte.  a  Nach Aussagen von ehemaligen Häftlingen nahm Dürrfeld sogar selbst an Selektionen nicht mehr arbeitsfähiger Häftlinge teil  b . Walther Dürrfeld besuchte das KZ Buna/Monowitz selbst 5–10 Mal, er „lebte mit seiner Familie in der Nähe von Auschwitz“[4]. In seiner Freizeit unternahm er gemeinsame Jagdpartien mit dem Kommandanten von Auschwitz, Rudolf Höß. Von Selektionen und Vergasungen will Dürrfeld nichts gewusst haben  c , obwohl ihn Höß belastete  d . Nach der Räumung des Werksgeländes am 21. Januar 1945 gelangte Walther Dürrfeld nach Pirna in Sachsen. Auf der Flucht vor der Roten Armee kehrte er anschließend nach Westdeutschland zurück, wo er im Novembe r 1945 von der amerikanischen Militärpolizei verhaftet und im Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben angeklagt wurde. Mit Urteil vom 29./30. Juli 1948 wurde er zu 8 Jahren Zuchthaus wegen Versklavung und Massenmord verurteilt.  e  Die Begnadigung durch John McCloy, Hoher Kommissar der US-Regierung in Deutschland, führte 1951 zu seiner vorzeitigen Entlassung aus dem Gefängnis.

 

Nachdem Walther Dürrfeld bei Hoechst eine zunächst zugesagte Stellung wegen seiner zu erwartenden Prominenz im beginnenden Wollheim-Prozess nicht antreten konnte, war er in der Folgezeit Vorstandsmitglied der Scholven-Chemie AG, Gelsenkirchen-Buer, Mitglied des Aufsichtsrats der Phenolchemie GmbH, Gladbeck i. W., und Mitglied des Aufsichtsrats der Friesecke & Hoepfner GmbH, Erlangen. Im 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess wurde gegen ihn wegen den Bestimmungen des Überleitungsvertrages kein Verfahren mehr eröffnet. Walther Dürrfeld starb 1967.

(SP)

 

 

 

Der Diavortrag des Angeklagten Walther Dürrfeld im I.G. Farben-Prozess



Quellen

Walther Dürrfeld, Eidesstattliche Erklärung, 18.2.1947, NI-4184. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, ADB 72 (d), Bl. 115–119.

Walther Dürrfeld, Staatsanwaltschaftliche Vernehmung, 9.4.1965, Auschwitz-Prozess, StA Frankfurt am Main, 4 Ks 2/63, Bd. 94, Bl. 18906–18911.

Rudolf Höss, Eidesstattliche Erklärung, 20.5.1946, NI-034. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, ADB 72 (d), Bl. 120–141.

Salomon Kohn, Eidesstattliche Erklärung. 29.5.1947, NI-10824. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, ADB 75 (d), Bl. 110–115.

Heinz Savelsberg, Zeugenvernehmung, 15.1.1953. HHStAW, Abt. 460, Nr. 1424 (Wollheim gegen IG Farben), Bd. II, Bl. 221–225.

 

Literatur

Dürrfeld, Walther: Die Erzeugung geometrisch genauer Zahnflanken an Kegelrädern mit Radialzähnen und die Tredgold'sche Annäherung. Saarbrücken-Völklingen: Hofer 1927.

Heine, Jens Ulrich: Verstand & Schicksal. Die Männer der I.G. Farbenindustrie A.G. Weinheim: VCH Verlagsgesellschaft 1990.

Lindner, Stephan H.: Hoechst. Ein I.G. Farben Werk im Dritten Reich. München: Beck 2005.

Das Urteil im I.G.-Farben-Prozess. Der vollständige Wortlaut. Offenbach am Main: Bollwerk 1948.

Wagner, Bernd C.: IG Auschwitz. Zwangsarbeit und Vernichtung von Häftlingen des Lagers Monowitz 1941–1945. München: Saur 2000.

[1] Walther Dürrfeld, Staatsanwaltschaftliche Vernehmung, 9.4.1965 Auschwitz-Prozess, StA Frankfurt am Main, 4 Ks 2/63, Bd. 94, Bl. 18906–18911, hier Bl. 18911.

[2] Walther Dürrfeld, Eidesstattliche Erklärung, 18.2.1947, NI-4184. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, ADB 72 (d), Bl. 115–119, hier Bl. 115.

[3] Heinz Savelsberg, Zeugenvernehmung, 15.1.1953. HHStAW, Abt. 460, Nr. 1424 (Wollheim gegen IG Farben), Bd. II, Bl. 221–225, hier Bl. 224R.

[4] Rudolf Höss, Eidesstattliche Erklärung, 20.5.1946, NI-034. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, ADB 72 (d), Bl. 120–141, hier Bl. 130.