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Fritz (Friedrich Hermann) ter Meer (1884–1967)

Fritz (Friedrich Hermann) ter Meer. Fotoaufnahme aus der National Archives Collection of World War II War Crimes Records vom Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben'© National Archives, Washington, DC
Fritz (Friedrich Hermann) ter Meer. Fotoaufnahme aus der National Archives Collection of World War II War Crimes Records vom Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben
© National Archives, Washington, DC

 a  In ihrem Urteil kommen die Richter im Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben im Anklagepunkt „Plünderung und Raub“ zu folgendem Schluss:

„Ter Meer war einer der Hauptbeteiligten an den Maßnahmen der I.G. bei dem Erwerb der Vermögenswerte in Polen sowie der Francolor. Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß ter Meer im Namen der I.G. das Personal zur Inbetriebnahme der Fabriken ausgesucht hat. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß der Plan zur Erwerbung der Vermögenswerte in Polen von der I.G. ausging und daß Ter Meer in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Technischen Ausschusses über die von der I.G. beabsichtigten Maßnahmen und den Verlauf der Verhandlungen voll unterrichtet gewesen ist. Er hat Anweisungen für diese Verhandlungen gegeben.“

(Das Urteil im I.G.-Farben-Prozess. Der vollständige Wortlaut. Offenbach am Main: Bollwerk 1948, S. 96.)

 

 b  Im Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben kommen die Richter in ihrem Urteil im Anklagepunkt „Versklavung und Massenmord“ zu folgendem Schluss:

„[Es] ist die Annahme gerechtfertigt, daß Angestellte der I.G., die ter Meer unterstellt waren, aus eigenem Antriebe diese Häftlinge für Arbeiten auf dem Baugelände angefordert haben. Diese Annahme wird weiterhin durch die Tatsache gestützt, daß die I.G. auf eigene Kosten und mit Mitteln, die vom Technischen Ausschuss unter Ter Meers Vorsitz bereitgestellt waren, das Lager Monowitz nur zu dem Zweck erbaut hat, die für die I.G. arbeitenden Konzentrationslagerhäftlinge unterzubringen. Wir haben keinen Zweifel daran, daß die in der Bauleitung tätigen Angestellten der I.G. über das hinausgegangen sind, was wegen des von Regierungsbeamten ausgeübten Drucks getan werden mußte, und daher mit Recht beschuldigt werden können, aus eigenem Antriebe die Verwendung von Arbeitskräften aus dem Konzentrationslager geplant und durchgeführt zu haben. Unter diesen Angestellten hatte Ter Meer die höchste Stellung inne.“

(Das Urteil im I.G.-Farben-Prozess. Der vollständige Wortlaut. Offenbach am Main: Bollwerk 1948, S. 135.)

„Für ein Unternehmen wie die I.G., das mehr als ein Viertel seiner Erzeugung in alle Länder der Welt exportierte, das zahlreiche geschäftliche Beziehungen in den nun zu Feinden gewordenen Ländern unterhielt, und das durch Lizenzverträge und breiten Erfahrungsaustausch mit dem Ausland verbunden war, bedeutete der Krieg den härtesten Schlag, der es treffen konnte. Wieder waren, wie 1914, alle im Ausland befindlichen Werte gefährdet, wieder sollte die in 20 Jahren Aufbauarbeit geschaffene Weltverkaufsorganisation aufs Spiel gesetzt werden. Gleichwohl hat die I.G. für ihr um seine Existenz ringendes Land ihre selbstverständliche Pflicht bis zum bitteren Ende getan.“[1]

 

Friedrich (Fritz) Hermann ter Meer wurde am 4. Juli 1884 als Sohn des Chemie-Industriellen Edmund ter Meer in Uerdingen geboren. Fritz ter Meer studierte von 1903 bis 1908 in Tübingen, Gießen, Berlin und Grenoble Chemie und kurzzeitig auch Rechtswissenschaft und schloss 1909 in Berlin mit der Promotion zum Dr. phil. über das Thema „Zur Kenntnis der Äther von Isonitrosoketonen“ ab. Anschließend widmete er sich dem Studium der Färbereichemie in Krefeld und verbrachte mehrere Monate in England und Frankreich. 1910 trat er in die Fabrik seines Vaters, Chemische Fabriken vorm. Weiler-ter-Meer, in Uerdingen ein. Die folgenden drei Jahre verbrachte Fritz ter Meer mit dem Aufbau einer Filiale in Frankreich. Innerhalb der Firma stieg er rasch auf, nach leitenden Positionen innerhalb des Betriebs wurde er 1919 in den Vorstand aufgenommen. Er hatte keinen Wehrdienst geleistet und wurde entsprechend im Ersten Weltkrieg nicht einberufen.

 

Nach der Gründung der I.G. Farben, in der die Chemischen Fabriken vorm. Weiler-ter-Meer 1925 aufgingen, war er auch dort Vorstandsmitglied. Die Jahre 1925 bis 1929 verbrachte Fritz ter Meer überwiegend in den USA, wo er daran beteiligt war, die Fabriken der Grasselli Dyestuffs Company mit aufzubauen, an der die I.G. Anteile hielt. Ter Meer war verantwortlich für die Verhandlungen der I.G. mit Standard Oil und begründete 1929 die Joint American Study Corporation (JASCO) mit. 1932 wurde ter Meer Vorsitzender des Technischen Ausschusses (TEA) der I.G. Farben, zuständig für die technische Überwachung aller Farbstoff-Fabriken der I.G. im In- und Ausland und für strategische Technologieentscheidungen des Unternehmens. 1937 trat er in die NSDAP ein.

 

Ter Meer vertrat die I.G. bei Verhandlungen mit der deutschen Regierung, als deren Ergebnis Naturkautschuk in Höhe seiner Preisdifferenz zu Buna besteuert wurde. In seiner Funktion als Vorstandsmitglied und Vorsitzender des TEA war er für die Standortsuche und Entscheidung für den Bau des I.G. Farbenwerks in Auschwitz mitverantwortlich. Ter Meer war Träger des Kriegsverdienstkreuzes 1. und 2. Klasse, und „Wehrwirtschaftsführer“.

 

Im September 1943 ging ter Meer als „Generalbeauftragter für Italien des Reichsministers für Rüstung und Kriegsproduktion“ nach Italien, wo er im April 1945 von der U.S. Army gefangen genommen wurde. Während der gemeinsamen Haftzeit der I.G.-Vorstandsmitglieder in dem Verhörzentrum Kransberg im Taunus (Codename „Dustbin“) organisierte ter Meer eine gemeinsame Verteidigungsstrategie aller Angeklagten, Abweichler wurden unter Druck gesetzt, insbesondere Georg von Schnitzler. Im Nürnberger Prozess gegen I.G. Farben wurde Fritz ter Meer am 30. Juli 1948 wegen „Plünderung und Raubs“ und „Massenmords und Versklavung“ zu sieben Jahren Haft verurteilt.  a   b  1950 wurde er vorzeitig aus dem Gefängnis Landsberg entlassen, drei Jahre später schrieb er die Geschichte der I.G. Farben aus seiner Sicht nieder.[2] Zwischen 1956 und 1964 war ter Meer Aufsichtsratsvorsitzender der Farbenfabriken Bayer und Aufsichtsrat in mehreren Unternehmen. Fritz ter Meer starb am 21. Oktober 1967 in Uerdingen.

(SP)



Quellen

Friedrich ter Meer, Eidesstattliche Erklärung, 2.4.1947, NI-5188. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, reel 018, Bl. 97–112.

Georg von Schnitzler, Eidesstattliche Erklärung, 27.3.1947, NI-5197. Archiv des Fritz Bauer Instituts, Nürnberger Nachfolgeprozess Fall VI, ADB 2 (d), Bl. 58–96.

 

Literatur

Heine, Jens Ulrich: Verstand und Schicksal. Die Männer der I.G. Farbenindustrie A.G. Weinheim: VCH Verlagsgesellschaft, 1990.

Ter Meer, Fritz: Zur Kenntnis der Äther von Isonitrosoketonen. Dissertation, Universität Berlin 1909.

Ter Meer, Fritz: Die IG Farben Industrie Aktiengesellschaft. Ihre Entstehung, Entwicklung, Bedeutung. Düsseldorf: Econ 1953.

Das Urteil im I.G.-Farben-Prozess. Der vollständige Wortlaut. Offenbach am Main: Bollwerk 1948.

[1] Fritz ter Meer: Die IG Farben Industrie Aktiengesellschaft. Ihre Entstehung, Entwicklung, Bedeutung. Düsseldorf: Econ 1953, S. 112–113.

[2] Vgl. ter Meer: Die IG Farben Industrie Aktiengesellschaft.