Personal und Organisationsstruktur des Häftlingskrankenbaus
(Dr. Heinz Kahn: Erlebnisse eines jungen deutschen Juden in Hermeskeil, Trier, Auschwitz und Buchenwald in den Jahren 1933 bis 1945. In: Johannes Mötsch (Hg.): Ein Eifler für Rheinland-Pfalz. Festschrift für Franz-Josef Heyen. Mainz: Gesellschaft für mittelrheinische Kirchengeschichte 2003, S. 641–659, hier S. 655.)
Ab Einrichtung des Häftlingskrankenbaus (HKB) wurden unter den nach Auschwitz Deportierten, die bei ihrer Ankunft einen medizinischen Abschluss angegeben hatten, Ärzte für den HKB im KZ Buna/Monowitz rekrutiert. Assistenten und Pfleger dagegen mussten nicht zwingend medizinische Vorkenntnisse besitzen. Insbesondere in der Anfangszeit agierte das Personal daher oftmals unkundig oder gar roh, verkaufte etwa Teile der für die Kranken vorgesehenen Portionen Suppe gegen Zigaretten oder Kleidungsstücke. Oftmals wurden Kranke auch wegen geringster Vergehen verprügelt.
Zunächst arbeiteten in der Ambulanz zwei bis drei Häftlingsärzte und wenige Häftlingspfleger, ernster Erkrankte mussten in den HKB des Stammlagers überwiesen werden. Später wurden verstärkt fachlich qualifizierte Häftlinge eingesetzt. Es handelte sich um mindestens neun Ärzte, oftmals international anerkannte Spezialisten auf ihrem Gebiet. Dazu kame n in jedem der neun Blocks des HKB je vier bis fünf Pfleger und eine Schreibkraft. Einzelne Kranke wurden nach ihrer Genesung als Pfleger weiterbeschäftigt. Daneben wurden im HKB stets auch Häftlinge heimlich beschäftigt, die etwa handwerkliche Arbeiten versahen. Die Arbeit im HKB war begehrt, sie „galt als vergleichsweise leicht und bot die Aussicht auf eine bessere Verpflegung“[1].
Auch wenn die Behandlungsmöglichkeiten begrenzt waren, hatte das Personal Möglichkeiten, den Häftlingen das schwere Leben zu erleichtern: Überlebende berichten von Hilfeleistungen aus dem Krankenbau, von kräftigender Kost, Warnung vor oder Rettung bei einer Selektion oder Versorgung mit seltenen Medikamenten. Außerdem konnten bei drohender Gefahr von Selektionen Genesende in ein leichtes Kommando im Lager entlassen werden oder mit einer neuen Krankenkarte in eine andere Abteilung überführt werden. Ärzte und Pfleger standen vor einem moralischen Dilemma: Entgegen ihrer beruflichen Gepflogenheiten mussten sie sich oftmals zum „Herr über Leben und Tod“ machen, mussten entscheiden, wer in den Genuss der geringen Ressourcen kommen sollte und wer nicht. Die Hilfeleistungen von Häftlingsärzten wurden oftmals unterschiedlich wahrgenommen: gegen den Lagerältesten Stefan Budziaszek (Buthner), vom polnischen Häftlingsarzt Antoni Makowski als derjenige beschrieben, der den „Krankenbau zu voller Entwicklung“[2] führte, wurde in Zusammenhang mit dem Frankfurter Auschwitz-Verfahren ermittelt: In dem Verfahren warfen ihm jüdische Häftlinge Antisemitismus vor, er habe polnische Häftlinge bevorzugt und „ausschließlich Juden“[3] zur Selektion vorgeschlagen.
Die Angestellten des Krankenbaus standen – auch wegen der schlimmen Zustände, dem Gestank und der Infektionsgefahr – nicht permanent unter SS-Aufsicht. Viele nutzten dies, um Aktivitäten des Widerstands zu planen.
Auch wenn die meisten Häftlinge im Krankenbau den Selektionen zum Opfer fielen, starben insbesondere im Winter Häftlinge an Krankheiten oder Auszehrung. Allein zwischen November 1942 und März 1943 starben etwa 580 Kranke. Ihre Leichen wurden in der Leichenkammer gesammelt und mit Lastwagen in die Krematorien nach Birkenau gebracht.
(SP)